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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Weimarifche Zustände.
n.

Sie haben vor Kurzem aus der Leipziger Bühne das neueste Drama eines
Weimarischen Poeten ausführen sehen: "Friedrich mit der gebissenen Wange" von
Alexander Rost. Erlauben Sie, daß ich hierau einige Bemerkungen über un¬
sere Theaterverhältnisse knüpfe. Rost hat früher schon ein anderes Stück auf
die Weimarische Bühne gebracht, welches vom Publikum gut aufgenommen
wurde, ohne jedoch im Repertoire zu bleibe". Sein "Friedrich mit der gebissenen
Wange" stieß in Weimar ans Schwierigkeiten, wahrscheinlich nicht allein wegen der
politischen Anspielungen und TagesredenSarten, mit denen das Stück an einzelnen
Stellen wohl oder übel ausstaffirt ist, sondern anch wegen der Bedenklichkeit, zu
der das Beispiel Preußens den Anstoß geben konnte, Personen aus dem landes¬
fürstlichen Hanse, die für unwürdige Vertreter desselben gelten müsse", über die
Bühne gehen zu lassen. Diese Bedenklichkeit ist el" sehr gefährliches Symptom
für die Schwäche des monarchischen Bewußtseins. Mau scheut sich das Volk in
die Geschichte seiner Fürstenhäuser zurückblicken zu lassen, und beruft sich doch
stets auf den historischen Boden des monarchischen Princips, ans die vererbte ge¬
genseitige Liebe und Treue, auf das ineinander verwachsene Leben des Volkes
und des fürstlichen Geschlechtes. Man sieht in der Darstellung der Fürsten als
maßlos leidenschaftlicher oder schwacher und gewöhnlicher Menschen eine Profanation
der fürstlichen Würde, die man in einen unnahbaren Dunstkreis hüllen möchte, und
bedenkt nicht, daß, da wir nun einmal keine Orientalen sind, gerade das persön¬
liche Heraustreten des Fürsten, sein offener und öffentlicher Charakter ihn populär
macht, und daß das Volk, so lauge es noch monarchisch gesinnt ist, seinen Fürsten
besitzen, ihn kennen, sich von ihm erzählen will, Schwächen und Menschlichkeiten
aber viel leichter vergibt, als eine vornehme Unsichtbarkeit. Ist aber das Volk
nicht mehr monarchisch gesinnt, so hält es jenen Dunstkreis, der die fürstliche
Würde vor frechen und kritischen Blicken schützen und den Glauben an sie erhalten
soll, eben uur für blauen Dunst.

Nach dem Beifall, den Rost's Friedrich in Leipzig gefunden, soll der
Erbprinz, der an dem^heater ein gebildetes Interesse nimmt, den Wunsch


Weimarifche Zustände.
n.

Sie haben vor Kurzem aus der Leipziger Bühne das neueste Drama eines
Weimarischen Poeten ausführen sehen: „Friedrich mit der gebissenen Wange" von
Alexander Rost. Erlauben Sie, daß ich hierau einige Bemerkungen über un¬
sere Theaterverhältnisse knüpfe. Rost hat früher schon ein anderes Stück auf
die Weimarische Bühne gebracht, welches vom Publikum gut aufgenommen
wurde, ohne jedoch im Repertoire zu bleibe». Sein „Friedrich mit der gebissenen
Wange" stieß in Weimar ans Schwierigkeiten, wahrscheinlich nicht allein wegen der
politischen Anspielungen und TagesredenSarten, mit denen das Stück an einzelnen
Stellen wohl oder übel ausstaffirt ist, sondern anch wegen der Bedenklichkeit, zu
der das Beispiel Preußens den Anstoß geben konnte, Personen aus dem landes¬
fürstlichen Hanse, die für unwürdige Vertreter desselben gelten müsse», über die
Bühne gehen zu lassen. Diese Bedenklichkeit ist el» sehr gefährliches Symptom
für die Schwäche des monarchischen Bewußtseins. Mau scheut sich das Volk in
die Geschichte seiner Fürstenhäuser zurückblicken zu lassen, und beruft sich doch
stets auf den historischen Boden des monarchischen Princips, ans die vererbte ge¬
genseitige Liebe und Treue, auf das ineinander verwachsene Leben des Volkes
und des fürstlichen Geschlechtes. Man sieht in der Darstellung der Fürsten als
maßlos leidenschaftlicher oder schwacher und gewöhnlicher Menschen eine Profanation
der fürstlichen Würde, die man in einen unnahbaren Dunstkreis hüllen möchte, und
bedenkt nicht, daß, da wir nun einmal keine Orientalen sind, gerade das persön¬
liche Heraustreten des Fürsten, sein offener und öffentlicher Charakter ihn populär
macht, und daß das Volk, so lauge es noch monarchisch gesinnt ist, seinen Fürsten
besitzen, ihn kennen, sich von ihm erzählen will, Schwächen und Menschlichkeiten
aber viel leichter vergibt, als eine vornehme Unsichtbarkeit. Ist aber das Volk
nicht mehr monarchisch gesinnt, so hält es jenen Dunstkreis, der die fürstliche
Würde vor frechen und kritischen Blicken schützen und den Glauben an sie erhalten
soll, eben uur für blauen Dunst.

Nach dem Beifall, den Rost's Friedrich in Leipzig gefunden, soll der
Erbprinz, der an dem^heater ein gebildetes Interesse nimmt, den Wunsch


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[0333] Weimarifche Zustände. n. Sie haben vor Kurzem aus der Leipziger Bühne das neueste Drama eines Weimarischen Poeten ausführen sehen: „Friedrich mit der gebissenen Wange" von Alexander Rost. Erlauben Sie, daß ich hierau einige Bemerkungen über un¬ sere Theaterverhältnisse knüpfe. Rost hat früher schon ein anderes Stück auf die Weimarische Bühne gebracht, welches vom Publikum gut aufgenommen wurde, ohne jedoch im Repertoire zu bleibe». Sein „Friedrich mit der gebissenen Wange" stieß in Weimar ans Schwierigkeiten, wahrscheinlich nicht allein wegen der politischen Anspielungen und TagesredenSarten, mit denen das Stück an einzelnen Stellen wohl oder übel ausstaffirt ist, sondern anch wegen der Bedenklichkeit, zu der das Beispiel Preußens den Anstoß geben konnte, Personen aus dem landes¬ fürstlichen Hanse, die für unwürdige Vertreter desselben gelten müsse», über die Bühne gehen zu lassen. Diese Bedenklichkeit ist el» sehr gefährliches Symptom für die Schwäche des monarchischen Bewußtseins. Mau scheut sich das Volk in die Geschichte seiner Fürstenhäuser zurückblicken zu lassen, und beruft sich doch stets auf den historischen Boden des monarchischen Princips, ans die vererbte ge¬ genseitige Liebe und Treue, auf das ineinander verwachsene Leben des Volkes und des fürstlichen Geschlechtes. Man sieht in der Darstellung der Fürsten als maßlos leidenschaftlicher oder schwacher und gewöhnlicher Menschen eine Profanation der fürstlichen Würde, die man in einen unnahbaren Dunstkreis hüllen möchte, und bedenkt nicht, daß, da wir nun einmal keine Orientalen sind, gerade das persön¬ liche Heraustreten des Fürsten, sein offener und öffentlicher Charakter ihn populär macht, und daß das Volk, so lauge es noch monarchisch gesinnt ist, seinen Fürsten besitzen, ihn kennen, sich von ihm erzählen will, Schwächen und Menschlichkeiten aber viel leichter vergibt, als eine vornehme Unsichtbarkeit. Ist aber das Volk nicht mehr monarchisch gesinnt, so hält es jenen Dunstkreis, der die fürstliche Würde vor frechen und kritischen Blicken schützen und den Glauben an sie erhalten soll, eben uur für blauen Dunst. Nach dem Beifall, den Rost's Friedrich in Leipzig gefunden, soll der Erbprinz, der an dem^heater ein gebildetes Interesse nimmt, den Wunsch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/333>, abgerufen am 05.05.2024.