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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Oesterreich und seine Glühen.
Von einem österreichischen Patrioten



Wenn der österreichische Staat, wie es im wohlverstandenen Interesse aller
Betheiligten liegt, als ein Ganzes betrachtet und aufgefaßt wird, in welchem die
Ländertheile, ans denen er zusammengesetzt ist, nicht nach Trennung, sondern
nach Vereinigung streben sollen, so erhalten die Erscheinungen, die sich dem
Auge des Beobachters darbieten, eine ganz andere Färbung und Geltung, als
die, welche man nicht selten gewohnt ist, ihnen beizulegen.

Es wird daher nicht überflüssig sein zu zeigen, daß trotz der Verschiedenheit
der Völkerschaften und der Institutionen, die in Oesterreich herrschen, das ge¬
meinsame Band, welches Alle zusammenhält, nicht nur in der Person des Regen¬
ten, sondern in dem Wesen der Dinge vorhanden ist, und daß jene Verschieden¬
heiten der staatlichen Einheit des ganzen Körpers nicht im Wege stehen.

Ehe wir jedoch dies näher nachweisen, müssen wir das Bekenntniß ablegen,
daß wir hier von zwei Ländertheilen abstrahiren, von welchen es mindestens pro¬
blematisch ist, ob sie je dem Amalgamirnngs-Prozeß folgen werden, den die
übrigen Theile der Monarchie seit lange her begonnen haben. Wir meinen näm¬
lich Galizien und Italien. Unmöglich ist es nicht; denn tausend Fäden,
tausend Interessen knüpfen auch diese Länder an den großen Körper, dem sie an¬
gehören. Galizien hat nur die Wahl österreichisch zu bleiben, oder russisch zu
werden; denn die Wiederherstellung Polens ist nunmehr fast zu einem Traum ge¬
worden, dem fast alle Bedingungen der Ausführbarkeit fehlen; ihm steht nicht nnr
die äußere Macht dreier starkorganisirten Großstaaten, sondern anch der Charakter



*) Aus einer im Laufe der nächsten Monate erscheinenden größer,, Schrift, auf die wir
um so mehr Gewicht legen müssen, als der Verfasser einer der unabhängigsten Charaktere der
Monarchie ist und diese Unabhängigkeit der .Regierung gegenüber mehrfach bethätigt hat.
Wir stimme" zwar in mehrern wesentlichen Punkten mit den Ansichten des Herrn Verfassers
keineswegs überein. Indeß können wir uns nicht anmaßen, die öffentliche Meinung Oester¬
reichs allein repräsentiren zu wollen, und so lange die verschiedenen liberalen Parteien im
Kaiserstaate nicht ihre organisirte Vertretung in der Presse gefunden haben, halten wir es für
unsere Pflicht, ihnen in unserem Blatte Raum zu geben, gleichviel ob die Rcformvorschlcigc im
D. Red. altständischc" oder im ncuständischen odir im josephinischen Sinne abgefaßt sind.
Wrcnzboten. IV. 1847. si^
Oesterreich und seine Glühen.
Von einem österreichischen Patrioten



Wenn der österreichische Staat, wie es im wohlverstandenen Interesse aller
Betheiligten liegt, als ein Ganzes betrachtet und aufgefaßt wird, in welchem die
Ländertheile, ans denen er zusammengesetzt ist, nicht nach Trennung, sondern
nach Vereinigung streben sollen, so erhalten die Erscheinungen, die sich dem
Auge des Beobachters darbieten, eine ganz andere Färbung und Geltung, als
die, welche man nicht selten gewohnt ist, ihnen beizulegen.

Es wird daher nicht überflüssig sein zu zeigen, daß trotz der Verschiedenheit
der Völkerschaften und der Institutionen, die in Oesterreich herrschen, das ge¬
meinsame Band, welches Alle zusammenhält, nicht nur in der Person des Regen¬
ten, sondern in dem Wesen der Dinge vorhanden ist, und daß jene Verschieden¬
heiten der staatlichen Einheit des ganzen Körpers nicht im Wege stehen.

Ehe wir jedoch dies näher nachweisen, müssen wir das Bekenntniß ablegen,
daß wir hier von zwei Ländertheilen abstrahiren, von welchen es mindestens pro¬
blematisch ist, ob sie je dem Amalgamirnngs-Prozeß folgen werden, den die
übrigen Theile der Monarchie seit lange her begonnen haben. Wir meinen näm¬
lich Galizien und Italien. Unmöglich ist es nicht; denn tausend Fäden,
tausend Interessen knüpfen auch diese Länder an den großen Körper, dem sie an¬
gehören. Galizien hat nur die Wahl österreichisch zu bleiben, oder russisch zu
werden; denn die Wiederherstellung Polens ist nunmehr fast zu einem Traum ge¬
worden, dem fast alle Bedingungen der Ausführbarkeit fehlen; ihm steht nicht nnr
die äußere Macht dreier starkorganisirten Großstaaten, sondern anch der Charakter



*) Aus einer im Laufe der nächsten Monate erscheinenden größer,, Schrift, auf die wir
um so mehr Gewicht legen müssen, als der Verfasser einer der unabhängigsten Charaktere der
Monarchie ist und diese Unabhängigkeit der .Regierung gegenüber mehrfach bethätigt hat.
Wir stimme» zwar in mehrern wesentlichen Punkten mit den Ansichten des Herrn Verfassers
keineswegs überein. Indeß können wir uns nicht anmaßen, die öffentliche Meinung Oester¬
reichs allein repräsentiren zu wollen, und so lange die verschiedenen liberalen Parteien im
Kaiserstaate nicht ihre organisirte Vertretung in der Presse gefunden haben, halten wir es für
unsere Pflicht, ihnen in unserem Blatte Raum zu geben, gleichviel ob die Rcformvorschlcigc im
D. Red. altständischc» oder im ncuständischen odir im josephinischen Sinne abgefaßt sind.
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[0501] Oesterreich und seine Glühen. Von einem österreichischen Patrioten Wenn der österreichische Staat, wie es im wohlverstandenen Interesse aller Betheiligten liegt, als ein Ganzes betrachtet und aufgefaßt wird, in welchem die Ländertheile, ans denen er zusammengesetzt ist, nicht nach Trennung, sondern nach Vereinigung streben sollen, so erhalten die Erscheinungen, die sich dem Auge des Beobachters darbieten, eine ganz andere Färbung und Geltung, als die, welche man nicht selten gewohnt ist, ihnen beizulegen. Es wird daher nicht überflüssig sein zu zeigen, daß trotz der Verschiedenheit der Völkerschaften und der Institutionen, die in Oesterreich herrschen, das ge¬ meinsame Band, welches Alle zusammenhält, nicht nur in der Person des Regen¬ ten, sondern in dem Wesen der Dinge vorhanden ist, und daß jene Verschieden¬ heiten der staatlichen Einheit des ganzen Körpers nicht im Wege stehen. Ehe wir jedoch dies näher nachweisen, müssen wir das Bekenntniß ablegen, daß wir hier von zwei Ländertheilen abstrahiren, von welchen es mindestens pro¬ blematisch ist, ob sie je dem Amalgamirnngs-Prozeß folgen werden, den die übrigen Theile der Monarchie seit lange her begonnen haben. Wir meinen näm¬ lich Galizien und Italien. Unmöglich ist es nicht; denn tausend Fäden, tausend Interessen knüpfen auch diese Länder an den großen Körper, dem sie an¬ gehören. Galizien hat nur die Wahl österreichisch zu bleiben, oder russisch zu werden; denn die Wiederherstellung Polens ist nunmehr fast zu einem Traum ge¬ worden, dem fast alle Bedingungen der Ausführbarkeit fehlen; ihm steht nicht nnr die äußere Macht dreier starkorganisirten Großstaaten, sondern anch der Charakter *) Aus einer im Laufe der nächsten Monate erscheinenden größer,, Schrift, auf die wir um so mehr Gewicht legen müssen, als der Verfasser einer der unabhängigsten Charaktere der Monarchie ist und diese Unabhängigkeit der .Regierung gegenüber mehrfach bethätigt hat. Wir stimme» zwar in mehrern wesentlichen Punkten mit den Ansichten des Herrn Verfassers keineswegs überein. Indeß können wir uns nicht anmaßen, die öffentliche Meinung Oester¬ reichs allein repräsentiren zu wollen, und so lange die verschiedenen liberalen Parteien im Kaiserstaate nicht ihre organisirte Vertretung in der Presse gefunden haben, halten wir es für unsere Pflicht, ihnen in unserem Blatte Raum zu geben, gleichviel ob die Rcformvorschlcigc im D. Red. altständischc» oder im ncuständischen odir im josephinischen Sinne abgefaßt sind. Wrcnzboten. IV. 1847. si^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/501>, abgerufen am 05.05.2024.