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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Der unglückliche Hofmeister
oder
Wie es in Böhmen noch ist.
Novelle von Uffo ^?or>".
I.
Der Reisewagen.

Der große Reisewagen stand aufgepackt im Schloßhofe, nur die Bache
wurde noch festgeschnallt und die Pferde aus dein Stalle gezogen. Die dick
ausgefütterten Braunen trugen hente das stattlichste Geschirr; Wenzel, der
Kutscher, hatte den neuen Hut mit der Goldborte auf und betrachtete zum
öftern mißvergnügt seine Beine, die in knappen, rehfarbigen Kamaschen steck¬
ten. Die bequemen Juchtenstiefeln, die er sonst zu tragen pflegte, hingen
dick mit Speck beschmiert, zusammt der Zipfelmütze, über seinem Bett wie
eine Trophäe -- beides hatte auf ausdrücklichen Befehl der gnädigen Frau
im Stalle zurückbleiben müssen. Aber uicht allein diese theuern Gegenstände,
auch Anna, die Schloßköchin, mußte Wenzel im Stiche lassen nud das drückte
ihn bei weitem mehr, als die Kamaschen. Für die Stiefeln brauchte er keine
Sorge zu haben, denn die hätten doch keinem Menschen im Schlosse gepaßt,
aber Anne -- mehrern Leuten, besonders Vincenz, dem Gärtner, der schon
lange Wenzel's gefährlichster Nebenbuhler war. Vincenz hatte einen großen
Vortheil über Wenzel, er duftete nach Reseda, wenn er aus dem Glashause
kam, während dieser immer erst einige Minuten ans dem Hofe hin und her
spazieren mußte, bevor er sich in der Küche präsentiren durfte. Zum Un¬
glück inclinirte Anne durchaus nicht zur Schwindsucht, und Wenzel hatte mit
seiner Versicherung, daß der Stallgeruch hundertmal gesünder sei als der
von Rosen und Nelken nie den gewünschten Effect hervorbringen können.
Daher kam ihm bei Tische der Gärtner auch immer zuvor und konnte, wenn
die Glocke zum Essen rief, sogleich in die Küche springen und sich des on-


Der unglückliche Hofmeister
oder
Wie es in Böhmen noch ist.
Novelle von Uffo ^?or>».
I.
Der Reisewagen.

Der große Reisewagen stand aufgepackt im Schloßhofe, nur die Bache
wurde noch festgeschnallt und die Pferde aus dein Stalle gezogen. Die dick
ausgefütterten Braunen trugen hente das stattlichste Geschirr; Wenzel, der
Kutscher, hatte den neuen Hut mit der Goldborte auf und betrachtete zum
öftern mißvergnügt seine Beine, die in knappen, rehfarbigen Kamaschen steck¬
ten. Die bequemen Juchtenstiefeln, die er sonst zu tragen pflegte, hingen
dick mit Speck beschmiert, zusammt der Zipfelmütze, über seinem Bett wie
eine Trophäe — beides hatte auf ausdrücklichen Befehl der gnädigen Frau
im Stalle zurückbleiben müssen. Aber uicht allein diese theuern Gegenstände,
auch Anna, die Schloßköchin, mußte Wenzel im Stiche lassen nud das drückte
ihn bei weitem mehr, als die Kamaschen. Für die Stiefeln brauchte er keine
Sorge zu haben, denn die hätten doch keinem Menschen im Schlosse gepaßt,
aber Anne — mehrern Leuten, besonders Vincenz, dem Gärtner, der schon
lange Wenzel's gefährlichster Nebenbuhler war. Vincenz hatte einen großen
Vortheil über Wenzel, er duftete nach Reseda, wenn er aus dem Glashause
kam, während dieser immer erst einige Minuten ans dem Hofe hin und her
spazieren mußte, bevor er sich in der Küche präsentiren durfte. Zum Un¬
glück inclinirte Anne durchaus nicht zur Schwindsucht, und Wenzel hatte mit
seiner Versicherung, daß der Stallgeruch hundertmal gesünder sei als der
von Rosen und Nelken nie den gewünschten Effect hervorbringen können.
Daher kam ihm bei Tische der Gärtner auch immer zuvor und konnte, wenn
die Glocke zum Essen rief, sogleich in die Küche springen und sich des on-


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[0013] Der unglückliche Hofmeister oder Wie es in Böhmen noch ist. Novelle von Uffo ^?or>». I. Der Reisewagen. Der große Reisewagen stand aufgepackt im Schloßhofe, nur die Bache wurde noch festgeschnallt und die Pferde aus dein Stalle gezogen. Die dick ausgefütterten Braunen trugen hente das stattlichste Geschirr; Wenzel, der Kutscher, hatte den neuen Hut mit der Goldborte auf und betrachtete zum öftern mißvergnügt seine Beine, die in knappen, rehfarbigen Kamaschen steck¬ ten. Die bequemen Juchtenstiefeln, die er sonst zu tragen pflegte, hingen dick mit Speck beschmiert, zusammt der Zipfelmütze, über seinem Bett wie eine Trophäe — beides hatte auf ausdrücklichen Befehl der gnädigen Frau im Stalle zurückbleiben müssen. Aber uicht allein diese theuern Gegenstände, auch Anna, die Schloßköchin, mußte Wenzel im Stiche lassen nud das drückte ihn bei weitem mehr, als die Kamaschen. Für die Stiefeln brauchte er keine Sorge zu haben, denn die hätten doch keinem Menschen im Schlosse gepaßt, aber Anne — mehrern Leuten, besonders Vincenz, dem Gärtner, der schon lange Wenzel's gefährlichster Nebenbuhler war. Vincenz hatte einen großen Vortheil über Wenzel, er duftete nach Reseda, wenn er aus dem Glashause kam, während dieser immer erst einige Minuten ans dem Hofe hin und her spazieren mußte, bevor er sich in der Küche präsentiren durfte. Zum Un¬ glück inclinirte Anne durchaus nicht zur Schwindsucht, und Wenzel hatte mit seiner Versicherung, daß der Stallgeruch hundertmal gesünder sei als der von Rosen und Nelken nie den gewünschten Effect hervorbringen können. Daher kam ihm bei Tische der Gärtner auch immer zuvor und konnte, wenn die Glocke zum Essen rief, sogleich in die Küche springen und sich des on-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/13>, abgerufen am 05.05.2024.