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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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guten Folge" haben; aber es wird vor Allem die erreichen, den kleinen
Ackerbau auf Kosten der großen Viehzüchter herabzudrücken, und zwar weil
hier wie überall das Bedürfniß nicht von einem Geiste allgemeiner Ueber¬
sicht und Anordnung, sondern von dem der Privatspeculation ohne höhere
Aufsicht und Leitung, beherrscht wird.

Auch in Bezug auf die Organisation des Staates, die Form der Re¬
gierung, ließ sich eine schüchterne Stimme in der Pairskammer hören. Herr
Viennet machte darauf aufmerksam, daß viele Gemeinden Steuern für ihre
Armen ausgeworfen, aber bis jetzt die Zustimmung der Regierung von Pa¬
ris für diese Ausgaben nicht hätten erhalten können. Der Unsinn der Ue¬
bercentralisation wurde ein klarer. Jede Gemeinde muß nach Paris berich¬
ten, und ihr Bericht die endlose Kettenreihe von Instanzen nud Bureau's
durchlaufen, wenn sie einschreiten null, um zu verhindern, daß ihre Armen
verhungern. Das ist der Grundsatz bis ins Absurdnm durchgeführt. Aber
der Grundsatz herrscht überall mehr oder weniger, nicht allein der der Ue-
bercentralisation, sondern insbesondere der der Bewachung jeder äußeren
Handlung, jeder äußeren Thätigkeit der Menschen, der Gemeinde, des
ganzen Staates, mit vollkommener Vernachlässigung der inneren Bedürf¬
nisse, der Völker unserer Zeit.

Das waren die Stimmen der höheren Regionen. In den untern wurde
eine andere laut. Mit Aufstand, Brandstiftung, Plünderung und Mord
hieß es hier: "Nieder mit der Bourgeoisie!" Jene waren die Warnung
der Gegenwart, diese die Drohung der. Zukunft, wenn diese über¬
hört werden sollte. Und die Verhältnisse gleichen sich überall mehr oder
weniger.

Das Hungerjahr redet ein lautes Wort: "Wahre Euch!" Wird seine
Warnung verstanden werden? Wo nicht, dann wird die Drohung sich ver¬
wirklichen. Rechnet darauf! --


I.-Y.


guten Folge» haben; aber es wird vor Allem die erreichen, den kleinen
Ackerbau auf Kosten der großen Viehzüchter herabzudrücken, und zwar weil
hier wie überall das Bedürfniß nicht von einem Geiste allgemeiner Ueber¬
sicht und Anordnung, sondern von dem der Privatspeculation ohne höhere
Aufsicht und Leitung, beherrscht wird.

Auch in Bezug auf die Organisation des Staates, die Form der Re¬
gierung, ließ sich eine schüchterne Stimme in der Pairskammer hören. Herr
Viennet machte darauf aufmerksam, daß viele Gemeinden Steuern für ihre
Armen ausgeworfen, aber bis jetzt die Zustimmung der Regierung von Pa¬
ris für diese Ausgaben nicht hätten erhalten können. Der Unsinn der Ue¬
bercentralisation wurde ein klarer. Jede Gemeinde muß nach Paris berich¬
ten, und ihr Bericht die endlose Kettenreihe von Instanzen nud Bureau's
durchlaufen, wenn sie einschreiten null, um zu verhindern, daß ihre Armen
verhungern. Das ist der Grundsatz bis ins Absurdnm durchgeführt. Aber
der Grundsatz herrscht überall mehr oder weniger, nicht allein der der Ue-
bercentralisation, sondern insbesondere der der Bewachung jeder äußeren
Handlung, jeder äußeren Thätigkeit der Menschen, der Gemeinde, des
ganzen Staates, mit vollkommener Vernachlässigung der inneren Bedürf¬
nisse, der Völker unserer Zeit.

Das waren die Stimmen der höheren Regionen. In den untern wurde
eine andere laut. Mit Aufstand, Brandstiftung, Plünderung und Mord
hieß es hier: „Nieder mit der Bourgeoisie!" Jene waren die Warnung
der Gegenwart, diese die Drohung der. Zukunft, wenn diese über¬
hört werden sollte. Und die Verhältnisse gleichen sich überall mehr oder
weniger.

Das Hungerjahr redet ein lautes Wort: „Wahre Euch!" Wird seine
Warnung verstanden werden? Wo nicht, dann wird die Drohung sich ver¬
wirklichen. Rechnet darauf! —


I.-Y.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/12>, abgerufen am 26.05.2024.