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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Der Papst und seine Reformen,

Zwischen den übertriebenen Hoffnungen und dem mehr oder weniger
feindseligen Mißtrauen, deren Gegenstand die ersten Regierungshandlungen
des Kirchenoberhauptes gewesen sind, ninß man besonders seit der Veröffent¬
lichung des neuen Censuredicts die rechte Mitte innehatte" und Alles, was
in Rom oder in Italien in der Umgebung des neuen Papstes vorgeht, so¬
wohl von dem Gesichtspunkte der Religion als auch von dem der Politik
ans rin möglichster Unparteilichkeit betrachten.

Man kaun die liberalen Absichten Pius IX. nicht mehr in Zweifel zie¬
hen. Sie treten täglich in allen seinen Worten und Handlungen auf die
unzweifelhafteste Art und Weise an's Licht. Wenn man seine politischen und
administrativen Reformen im Einzelnen prüft, so erkennt man auf den ersten
Blick, daß sie alle von einem neuen Geiste durchdrungen und von der Idee
des Fortschrittes gestempelt sind. Jede derselben hebt einen Mißbrauch oder
ein Vorrecht ans, um der öffentlichen Meinung Genüge zu leisten, um die
Interessen und Rechte gleichmäßiger zu ordnen, um die Verbesserungspläne
zu begünstigen und das Wohlbefinden der Massen zu vermehren. Offenbar
hat der neue Papst eben so viel Vertrauen zu dem Volk als zu seiner ei¬
genen Macht, und daher kömmt diese tiefe Zuneigung, die die Römer jetzt
schon mit ihm verbindet, daher kommen jene Worte der Ermuthigung, die
er aus dem Munde des Volkes selbst zu hören bekommen hat: "Oora^in,
corilMi, i>>we(> ?i"alle, Kllatvvi nel vvstro xvpoto."

Der Geist des modernen Liberalismus, den man nicht mit der Ge¬
meindefreiheit oder irgend einer anderen Freiheit des Mittelalters verwech¬
seln darf, ist also endlich bis in die Concile Roms und des heiligen Stuhles
gedrungen, und es ist unbestreitbar, daß er dort in derselben Art und Weise
wie überall anstritt, daß er dort Reformen zu Stande bringt in dem Sinne
und nach den Plänen, die ihm eigenthümlich sind, das heißt, indem er ge-


Der Papst und seine Reformen,

Zwischen den übertriebenen Hoffnungen und dem mehr oder weniger
feindseligen Mißtrauen, deren Gegenstand die ersten Regierungshandlungen
des Kirchenoberhauptes gewesen sind, ninß man besonders seit der Veröffent¬
lichung des neuen Censuredicts die rechte Mitte innehatte» und Alles, was
in Rom oder in Italien in der Umgebung des neuen Papstes vorgeht, so¬
wohl von dem Gesichtspunkte der Religion als auch von dem der Politik
ans rin möglichster Unparteilichkeit betrachten.

Man kaun die liberalen Absichten Pius IX. nicht mehr in Zweifel zie¬
hen. Sie treten täglich in allen seinen Worten und Handlungen auf die
unzweifelhafteste Art und Weise an's Licht. Wenn man seine politischen und
administrativen Reformen im Einzelnen prüft, so erkennt man auf den ersten
Blick, daß sie alle von einem neuen Geiste durchdrungen und von der Idee
des Fortschrittes gestempelt sind. Jede derselben hebt einen Mißbrauch oder
ein Vorrecht ans, um der öffentlichen Meinung Genüge zu leisten, um die
Interessen und Rechte gleichmäßiger zu ordnen, um die Verbesserungspläne
zu begünstigen und das Wohlbefinden der Massen zu vermehren. Offenbar
hat der neue Papst eben so viel Vertrauen zu dem Volk als zu seiner ei¬
genen Macht, und daher kömmt diese tiefe Zuneigung, die die Römer jetzt
schon mit ihm verbindet, daher kommen jene Worte der Ermuthigung, die
er aus dem Munde des Volkes selbst zu hören bekommen hat: „Oora^in,
corilMi, i>>we(> ?i»alle, Kllatvvi nel vvstro xvpoto."

Der Geist des modernen Liberalismus, den man nicht mit der Ge¬
meindefreiheit oder irgend einer anderen Freiheit des Mittelalters verwech¬
seln darf, ist also endlich bis in die Concile Roms und des heiligen Stuhles
gedrungen, und es ist unbestreitbar, daß er dort in derselben Art und Weise
wie überall anstritt, daß er dort Reformen zu Stande bringt in dem Sinne
und nach den Plänen, die ihm eigenthümlich sind, das heißt, indem er ge-


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[0166] Der Papst und seine Reformen, Zwischen den übertriebenen Hoffnungen und dem mehr oder weniger feindseligen Mißtrauen, deren Gegenstand die ersten Regierungshandlungen des Kirchenoberhauptes gewesen sind, ninß man besonders seit der Veröffent¬ lichung des neuen Censuredicts die rechte Mitte innehatte» und Alles, was in Rom oder in Italien in der Umgebung des neuen Papstes vorgeht, so¬ wohl von dem Gesichtspunkte der Religion als auch von dem der Politik ans rin möglichster Unparteilichkeit betrachten. Man kaun die liberalen Absichten Pius IX. nicht mehr in Zweifel zie¬ hen. Sie treten täglich in allen seinen Worten und Handlungen auf die unzweifelhafteste Art und Weise an's Licht. Wenn man seine politischen und administrativen Reformen im Einzelnen prüft, so erkennt man auf den ersten Blick, daß sie alle von einem neuen Geiste durchdrungen und von der Idee des Fortschrittes gestempelt sind. Jede derselben hebt einen Mißbrauch oder ein Vorrecht ans, um der öffentlichen Meinung Genüge zu leisten, um die Interessen und Rechte gleichmäßiger zu ordnen, um die Verbesserungspläne zu begünstigen und das Wohlbefinden der Massen zu vermehren. Offenbar hat der neue Papst eben so viel Vertrauen zu dem Volk als zu seiner ei¬ genen Macht, und daher kömmt diese tiefe Zuneigung, die die Römer jetzt schon mit ihm verbindet, daher kommen jene Worte der Ermuthigung, die er aus dem Munde des Volkes selbst zu hören bekommen hat: „Oora^in, corilMi, i>>we(> ?i»alle, Kllatvvi nel vvstro xvpoto." Der Geist des modernen Liberalismus, den man nicht mit der Ge¬ meindefreiheit oder irgend einer anderen Freiheit des Mittelalters verwech¬ seln darf, ist also endlich bis in die Concile Roms und des heiligen Stuhles gedrungen, und es ist unbestreitbar, daß er dort in derselben Art und Weise wie überall anstritt, daß er dort Reformen zu Stande bringt in dem Sinne und nach den Plänen, die ihm eigenthümlich sind, das heißt, indem er ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/166>, abgerufen am 05.05.2024.