Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

würdigen Reisenden Dr. Karl Koch, welche, mit Waffen und Kriegsbedarf
hinlänglich versehen, bereit sind, für den Glauben den Kampf auf Leben
und Tod zu beginnen.

Und Griechenland wird es nicht gleichsam mit Gewalt zu den Waffen
getrieben? Oder wie wäre das plötzliche Erscheinen einer englischen Kriegs¬
flotte im Hasen von Piräus, Angesichts des königl. Schlosses zu Athen,
mit 3000 Mann disponibler Landungstruppen, deren längeres Verbleiben
durch verschiedene auf drei Monate Zeit abgeschlossene Licferuugsverträge
angedeutet wird, zu erklären? Denn daß Eintreibung der rückständigen
Anleihezinsen oder etwaige Verletzung der griechischen Verfassungsurkunde
hierbei nur als Vorwand dienen, leuchtet jedem Unbefangenen gewiß ein.
Oder sollte vielleicht England das "ljumisline t-ioäom abutvi s ^livntiil in>-
8tri>" auf die Türkei und Griechenland gemeinsam anwenden wollen? Bringt
man diese jetzige Drohbewegung in Verbindung mit der seit 1843 zählende"
Richtbesetzung des russischen Gesandtschaftspvstens in Athen, mit dem frü¬
heren Gerüchte einer möglichen Besitznahme der Insel Aegina durch englische
Seelruppen, mit der jüngsten Anwesenheit des englischen Parlamentsmit¬
gliedes Cochrane in Athen, mit dem seit Kurzem wahrgenommenen Hinneigen
des Generalmajors Th. Grivas und dessen bedeutenden rumelivtischen An¬
hange von der französischen zur englischen Partei, mit der Rückkehr des
Generalmajors Kallergis aus England und dessen Landung von Corfu aus
aus dem griechischen Festlande, im Gefolge des bekannten Oberst Spyros
Milivs und einer Schaar griechischer Insurgenten, welche unzufrieden mit
der Politik des jetzigen Ministeriums aus Griechenland sich geflüchtet und
auf den Mischen Inseln Ausnahme gefunden hatten, und mit anderen An¬
zeigen mehr, deren entsprechende Deutung dein in Beurtheilung jener poli¬
tischen Verwickelungen Erfahrnen vor Augen liegt, wenn auch zur Zeit die
Oeffentlichkeit auf deren Mittheilung noch verzichten dürste: so ist man zu
demi Geständniß hingeleitet, daß die nächste Zukunft und Gestaltung der
Dinge im Orient nur eine höchst bedeutungsvolle werden kann, wobei
jedoch zweierlei zu beachten kömmt, nämlich daß sowohl dein übrigen Eu¬
ropa, gestützt auf seine eigene moralische und politische Kraft, stets die de¬
finitive Entscheidung vorbehalten sein wird, als auch daß Griechen¬
land, welchem die nicht zu bergende Eifersucht seiner Schutzmächte einen
staatlichen Schwerpunkt gewährt -- was für Beutctheile auch von dem hin¬
sterbenden ottomanischen Staatskörper den harrenden Erben zufallen mögen
"A^ als neuhellenisches Reich dabei nnr gewinnen kann.




GrenMen. N. ""47.M

würdigen Reisenden Dr. Karl Koch, welche, mit Waffen und Kriegsbedarf
hinlänglich versehen, bereit sind, für den Glauben den Kampf auf Leben
und Tod zu beginnen.

Und Griechenland wird es nicht gleichsam mit Gewalt zu den Waffen
getrieben? Oder wie wäre das plötzliche Erscheinen einer englischen Kriegs¬
flotte im Hasen von Piräus, Angesichts des königl. Schlosses zu Athen,
mit 3000 Mann disponibler Landungstruppen, deren längeres Verbleiben
durch verschiedene auf drei Monate Zeit abgeschlossene Licferuugsverträge
angedeutet wird, zu erklären? Denn daß Eintreibung der rückständigen
Anleihezinsen oder etwaige Verletzung der griechischen Verfassungsurkunde
hierbei nur als Vorwand dienen, leuchtet jedem Unbefangenen gewiß ein.
Oder sollte vielleicht England das „ljumisline t-ioäom abutvi s ^livntiil in>-
8tri>" auf die Türkei und Griechenland gemeinsam anwenden wollen? Bringt
man diese jetzige Drohbewegung in Verbindung mit der seit 1843 zählende»
Richtbesetzung des russischen Gesandtschaftspvstens in Athen, mit dem frü¬
heren Gerüchte einer möglichen Besitznahme der Insel Aegina durch englische
Seelruppen, mit der jüngsten Anwesenheit des englischen Parlamentsmit¬
gliedes Cochrane in Athen, mit dem seit Kurzem wahrgenommenen Hinneigen
des Generalmajors Th. Grivas und dessen bedeutenden rumelivtischen An¬
hange von der französischen zur englischen Partei, mit der Rückkehr des
Generalmajors Kallergis aus England und dessen Landung von Corfu aus
aus dem griechischen Festlande, im Gefolge des bekannten Oberst Spyros
Milivs und einer Schaar griechischer Insurgenten, welche unzufrieden mit
der Politik des jetzigen Ministeriums aus Griechenland sich geflüchtet und
auf den Mischen Inseln Ausnahme gefunden hatten, und mit anderen An¬
zeigen mehr, deren entsprechende Deutung dein in Beurtheilung jener poli¬
tischen Verwickelungen Erfahrnen vor Augen liegt, wenn auch zur Zeit die
Oeffentlichkeit auf deren Mittheilung noch verzichten dürste: so ist man zu
demi Geständniß hingeleitet, daß die nächste Zukunft und Gestaltung der
Dinge im Orient nur eine höchst bedeutungsvolle werden kann, wobei
jedoch zweierlei zu beachten kömmt, nämlich daß sowohl dein übrigen Eu¬
ropa, gestützt auf seine eigene moralische und politische Kraft, stets die de¬
finitive Entscheidung vorbehalten sein wird, als auch daß Griechen¬
land, welchem die nicht zu bergende Eifersucht seiner Schutzmächte einen
staatlichen Schwerpunkt gewährt — was für Beutctheile auch von dem hin¬
sterbenden ottomanischen Staatskörper den harrenden Erben zufallen mögen
»A^ als neuhellenisches Reich dabei nnr gewinnen kann.




GrenMen. N. »»47.M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272064"/>
          <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> würdigen Reisenden Dr. Karl Koch, welche, mit Waffen und Kriegsbedarf<lb/>
hinlänglich versehen, bereit sind, für den Glauben den Kampf auf Leben<lb/>
und Tod zu beginnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_656"> Und Griechenland wird es nicht gleichsam mit Gewalt zu den Waffen<lb/>
getrieben? Oder wie wäre das plötzliche Erscheinen einer englischen Kriegs¬<lb/>
flotte im Hasen von Piräus, Angesichts des königl. Schlosses zu Athen,<lb/>
mit 3000 Mann disponibler Landungstruppen, deren längeres Verbleiben<lb/>
durch verschiedene auf drei Monate Zeit abgeschlossene Licferuugsverträge<lb/>
angedeutet wird, zu erklären? Denn daß Eintreibung der rückständigen<lb/>
Anleihezinsen oder etwaige Verletzung der griechischen Verfassungsurkunde<lb/>
hierbei nur als Vorwand dienen, leuchtet jedem Unbefangenen gewiß ein.<lb/>
Oder sollte vielleicht England das &#x201E;ljumisline t-ioäom abutvi s ^livntiil in&gt;-<lb/>
8tri&gt;" auf die Türkei und Griechenland gemeinsam anwenden wollen? Bringt<lb/>
man diese jetzige Drohbewegung in Verbindung mit der seit 1843 zählende»<lb/>
Richtbesetzung des russischen Gesandtschaftspvstens in Athen, mit dem frü¬<lb/>
heren Gerüchte einer möglichen Besitznahme der Insel Aegina durch englische<lb/>
Seelruppen, mit der jüngsten Anwesenheit des englischen Parlamentsmit¬<lb/>
gliedes Cochrane in Athen, mit dem seit Kurzem wahrgenommenen Hinneigen<lb/>
des Generalmajors Th. Grivas und dessen bedeutenden rumelivtischen An¬<lb/>
hange von der französischen zur englischen Partei, mit der Rückkehr des<lb/>
Generalmajors Kallergis aus England und dessen Landung von Corfu aus<lb/>
aus dem griechischen Festlande, im Gefolge des bekannten Oberst Spyros<lb/>
Milivs und einer Schaar griechischer Insurgenten, welche unzufrieden mit<lb/>
der Politik des jetzigen Ministeriums aus Griechenland sich geflüchtet und<lb/>
auf den Mischen Inseln Ausnahme gefunden hatten, und mit anderen An¬<lb/>
zeigen mehr, deren entsprechende Deutung dein in Beurtheilung jener poli¬<lb/>
tischen Verwickelungen Erfahrnen vor Augen liegt, wenn auch zur Zeit die<lb/>
Oeffentlichkeit auf deren Mittheilung noch verzichten dürste: so ist man zu<lb/>
demi Geständniß hingeleitet, daß die nächste Zukunft und Gestaltung der<lb/>
Dinge im Orient nur eine höchst bedeutungsvolle werden kann, wobei<lb/>
jedoch zweierlei zu beachten kömmt, nämlich daß sowohl dein übrigen Eu¬<lb/>
ropa, gestützt auf seine eigene moralische und politische Kraft, stets die de¬<lb/>
finitive Entscheidung vorbehalten sein wird, als auch daß Griechen¬<lb/>
land, welchem die nicht zu bergende Eifersucht seiner Schutzmächte einen<lb/>
staatlichen Schwerpunkt gewährt &#x2014; was für Beutctheile auch von dem hin¬<lb/>
sterbenden ottomanischen Staatskörper den harrenden Erben zufallen mögen<lb/><note type="byline"> »A^</note> als neuhellenisches Reich dabei nnr gewinnen kann. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenMen. N. »»47.M</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0165] würdigen Reisenden Dr. Karl Koch, welche, mit Waffen und Kriegsbedarf hinlänglich versehen, bereit sind, für den Glauben den Kampf auf Leben und Tod zu beginnen. Und Griechenland wird es nicht gleichsam mit Gewalt zu den Waffen getrieben? Oder wie wäre das plötzliche Erscheinen einer englischen Kriegs¬ flotte im Hasen von Piräus, Angesichts des königl. Schlosses zu Athen, mit 3000 Mann disponibler Landungstruppen, deren längeres Verbleiben durch verschiedene auf drei Monate Zeit abgeschlossene Licferuugsverträge angedeutet wird, zu erklären? Denn daß Eintreibung der rückständigen Anleihezinsen oder etwaige Verletzung der griechischen Verfassungsurkunde hierbei nur als Vorwand dienen, leuchtet jedem Unbefangenen gewiß ein. Oder sollte vielleicht England das „ljumisline t-ioäom abutvi s ^livntiil in>- 8tri>" auf die Türkei und Griechenland gemeinsam anwenden wollen? Bringt man diese jetzige Drohbewegung in Verbindung mit der seit 1843 zählende» Richtbesetzung des russischen Gesandtschaftspvstens in Athen, mit dem frü¬ heren Gerüchte einer möglichen Besitznahme der Insel Aegina durch englische Seelruppen, mit der jüngsten Anwesenheit des englischen Parlamentsmit¬ gliedes Cochrane in Athen, mit dem seit Kurzem wahrgenommenen Hinneigen des Generalmajors Th. Grivas und dessen bedeutenden rumelivtischen An¬ hange von der französischen zur englischen Partei, mit der Rückkehr des Generalmajors Kallergis aus England und dessen Landung von Corfu aus aus dem griechischen Festlande, im Gefolge des bekannten Oberst Spyros Milivs und einer Schaar griechischer Insurgenten, welche unzufrieden mit der Politik des jetzigen Ministeriums aus Griechenland sich geflüchtet und auf den Mischen Inseln Ausnahme gefunden hatten, und mit anderen An¬ zeigen mehr, deren entsprechende Deutung dein in Beurtheilung jener poli¬ tischen Verwickelungen Erfahrnen vor Augen liegt, wenn auch zur Zeit die Oeffentlichkeit auf deren Mittheilung noch verzichten dürste: so ist man zu demi Geständniß hingeleitet, daß die nächste Zukunft und Gestaltung der Dinge im Orient nur eine höchst bedeutungsvolle werden kann, wobei jedoch zweierlei zu beachten kömmt, nämlich daß sowohl dein übrigen Eu¬ ropa, gestützt auf seine eigene moralische und politische Kraft, stets die de¬ finitive Entscheidung vorbehalten sein wird, als auch daß Griechen¬ land, welchem die nicht zu bergende Eifersucht seiner Schutzmächte einen staatlichen Schwerpunkt gewährt — was für Beutctheile auch von dem hin¬ sterbenden ottomanischen Staatskörper den harrenden Erben zufallen mögen »A^ als neuhellenisches Reich dabei nnr gewinnen kann. GrenMen. N. »»47.M

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/165
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/165>, abgerufen am 18.05.2024.