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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Portugal so muthig ist, während man gegen das stärkere Spanien so klug zu
Werke ging. Es ist aber perfide, wenn man durch eine solche Intervention verhin¬
dert, daß eine kräftige Partei in Portugal ein's Nuder komme. Hätte man der
Königin geholfen, ein festeres absolutistisches Regicrnngssustcm durchzusetzen, oder
der Junta ein freieres Volksleben zu begründen, so würde Portugal höchst wahr¬
scheinlich in dem einen wie dem anderen Falle an Kraft gewonnen haben. Aber
die Intervention, wie fie jetzt stattfindet, fesselt zwei sich auflösende, sich wechsel¬
seitig vernichtende Kräfte aneinander, und bedingt so die Ohnmacht beider. Es
ist das höchst wahrscheinlich die Absicht, sicher wird es die Folge der Interven¬
tion sein. Daß es die Absicht ist, scheint uns in demselben Augenblick durch, ein
Actenstück, das an einem andern Orte in's Leben trat, ziemlich klar bewiesen zu
sein. Der französische Gesandte in der Schweiz hat der Berner Regierung er¬
klärt, daß Frankreich, im Einverständnis; mit Oesterreich, die Cantvnaluuabhän-
gigkeit gegen eine mögliche Centralorgcmisation der Schweiz verbürgen zu müs¬
sen glaube. Das heißt: die Schweiz darf nicht kräftig werden, darf nicht
wie wir ein Ganzes bilden, weil wir dann nicht mehr den Herrn
und Meister in ihr spielen könnten. In Portugal heißt es: keine
Partei darf mächtig werden, weil wir dann weniger mächtig sein wür¬
den. Es erinnert das an die Art, wie Rom die Ohnmacht seiner Nachbarn zur
Bedingung seines Bestehens machte. Aber diese Ohnmacht selbst führte am Ende
zum Untergänge Roms. Eine andere Politik würde die lebenskräftigen Staaten
zweiten Ranges in Schutz nehmen und erstarken. Das thun auch die starken
Volker so lange sie stark sind. England half Holland frei und Preußen groß
machen. Und auch Frankreich suchte einst in der Schweiz eher einen mächtigen
Bundesgenossen als eine ohnmächtige Antivrv n vxj>Initntimi. Aber es scheint,
als ob es in Europa kein Volk gäbe, das heute kräftig genug war, um zu den¬
ken, daß ein kräftiger Nachbar ihm lieber als ein vernichteter sei. Wenn Neuf-
chatel sagte: die Schweiz wird selbst wissen, was sie zum Besten der Schweiz
zu thun hat -- so würde der Einfluß Frankreichs aus die Schweiz vielleicht für
immer zernichtet sein. --


I. --p-
it.
Ans Berlin.

Mitte Juni.
Weitere Schicksale der Ostbahn. -- Die Einkommensteuer und ihre Gegner. -- Das
englische Parlament und die Preußen. -- Camphausen. -- Die Majoritäten und die
Regierung. -- Unbehagliche Situation des Landtags. -- Die Judenfrage. --
Der Schluß des Landtags.

In der Sitzung des 5. beschloß der Landtag auf den Antrag des Abge¬
ordneten von Brünneck, dem Könige anheimzugeben, die Arbeiten an der Ostbahn
aus den laufenden Staatsmitteln, so weit diese ausreichten, weiter führen, dem
nächsten vereinigten Landtage aber eine neue Proposition darüber zukommen zu
lassen. Die Stände deuteten durch diesen Beschluß die Hoffnung an, daß bis
zum nächsten Landtage die rechtlichen Bedenken, welche jetzt einer Garantie ihrer-


Portugal so muthig ist, während man gegen das stärkere Spanien so klug zu
Werke ging. Es ist aber perfide, wenn man durch eine solche Intervention verhin¬
dert, daß eine kräftige Partei in Portugal ein's Nuder komme. Hätte man der
Königin geholfen, ein festeres absolutistisches Regicrnngssustcm durchzusetzen, oder
der Junta ein freieres Volksleben zu begründen, so würde Portugal höchst wahr¬
scheinlich in dem einen wie dem anderen Falle an Kraft gewonnen haben. Aber
die Intervention, wie fie jetzt stattfindet, fesselt zwei sich auflösende, sich wechsel¬
seitig vernichtende Kräfte aneinander, und bedingt so die Ohnmacht beider. Es
ist das höchst wahrscheinlich die Absicht, sicher wird es die Folge der Interven¬
tion sein. Daß es die Absicht ist, scheint uns in demselben Augenblick durch, ein
Actenstück, das an einem andern Orte in's Leben trat, ziemlich klar bewiesen zu
sein. Der französische Gesandte in der Schweiz hat der Berner Regierung er¬
klärt, daß Frankreich, im Einverständnis; mit Oesterreich, die Cantvnaluuabhän-
gigkeit gegen eine mögliche Centralorgcmisation der Schweiz verbürgen zu müs¬
sen glaube. Das heißt: die Schweiz darf nicht kräftig werden, darf nicht
wie wir ein Ganzes bilden, weil wir dann nicht mehr den Herrn
und Meister in ihr spielen könnten. In Portugal heißt es: keine
Partei darf mächtig werden, weil wir dann weniger mächtig sein wür¬
den. Es erinnert das an die Art, wie Rom die Ohnmacht seiner Nachbarn zur
Bedingung seines Bestehens machte. Aber diese Ohnmacht selbst führte am Ende
zum Untergänge Roms. Eine andere Politik würde die lebenskräftigen Staaten
zweiten Ranges in Schutz nehmen und erstarken. Das thun auch die starken
Volker so lange sie stark sind. England half Holland frei und Preußen groß
machen. Und auch Frankreich suchte einst in der Schweiz eher einen mächtigen
Bundesgenossen als eine ohnmächtige Antivrv n vxj>Initntimi. Aber es scheint,
als ob es in Europa kein Volk gäbe, das heute kräftig genug war, um zu den¬
ken, daß ein kräftiger Nachbar ihm lieber als ein vernichteter sei. Wenn Neuf-
chatel sagte: die Schweiz wird selbst wissen, was sie zum Besten der Schweiz
zu thun hat — so würde der Einfluß Frankreichs aus die Schweiz vielleicht für
immer zernichtet sein. —


I. —p-
it.
Ans Berlin.

Mitte Juni.
Weitere Schicksale der Ostbahn. — Die Einkommensteuer und ihre Gegner. — Das
englische Parlament und die Preußen. — Camphausen. — Die Majoritäten und die
Regierung. — Unbehagliche Situation des Landtags. — Die Judenfrage. —
Der Schluß des Landtags.

In der Sitzung des 5. beschloß der Landtag auf den Antrag des Abge¬
ordneten von Brünneck, dem Könige anheimzugeben, die Arbeiten an der Ostbahn
aus den laufenden Staatsmitteln, so weit diese ausreichten, weiter führen, dem
nächsten vereinigten Landtage aber eine neue Proposition darüber zukommen zu
lassen. Die Stände deuteten durch diesen Beschluß die Hoffnung an, daß bis
zum nächsten Landtage die rechtlichen Bedenken, welche jetzt einer Garantie ihrer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/494>, abgerufen am 05.05.2024.