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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Adje, Pepi, ich muß heut in's JohanneSbad, der Commissair hat mich ver¬
setzt, weil ich Deinetwegen neulich zur Musik ging -- und die Käfern' allein
gelassen hab'! Gib mir einen Kuß auf den Weg, Pepi!"

Das schöne Kind sah sich erst vorsichtig um, ob Alles sicher sei, denn
litt sie es, daß er sie umarmte und ihr ein Paar Küsse gab.

"Hast mich lieb, Pepi?" fragte der Jäger. -- "Jo! recht lieb hab'
ich Ihn," stotterte sie verschämt, dann horchte sie auf und machte sich los --
noch einen Moment und sie sprang wie eine Eichkatze in's Haus zurück, und
als auch der Jäger das Gebüsch erreicht hatte, trat die Paschhamplin aus
dem Hause und gähnte in den Morgen hinein.

3.

Hinter dem Johauuesbade im Gebirg, daß sie jetzt so schön gebaut
haben, daß man es kaum wieder erkennt, liegt auf einer Anhöhe nach dem
Hochgebirg zu und dem wilden Klansengraben ein Wirthshaus, zum "Har¬
tig" genannt. Dort geht es lustig und heiter zu, die Geigen und Trom¬
peten schmettern in beide Thäler hinein, und vollends am Sonntag ist dort
Alles in Freude und Herrlichkeit. Da kommen die Leute weit und breit
her um zu baden, da werden Pfefferkuchen und Semmeln ausgeboten und
dann geht's zum "Hartig" hinauf, wo getanzt und getrunken wird. Der
junge Greuzjäger hatte schou zwei Sonntage da gesessen, mißmuthig und
ohne Leben; sonst hätte er nicht so viel Minuten ausgehalten, als diesmal
Stunden, ruhig beim verführerischen Geigenschalle zu sitzen und den Andern
zuzusehen. Seine Kameraden lachten ihn ans und schwenkten die geputzten
Dorftöchter durch die Stube, wie der Wirbelwind die grünen Tannenzweige
schwenkt, und weil ihm Pepi uicht aus dein Sinn wollte und der Nachmittag
dienstfrei war, beschloß er einen Spaziergang gegen Hohenelbe zu machen.
Von der großen Lehne konnte mau in's Gebirg hinaussehen, beim Hartig
oben lag der schwarze Berg zwischen ihm und seiner Liebe. Er stieg den
schmalen Fußsteig durch die feuchten Wiesen empor, durch den Wald beim
Försterhause vorbei, den Kops gesenkt und leidigen Gedanken nachhängend.
Da Schollen ein Paar junge frische Stimmen aus dem Tännicht. -- Es lief
ihn wie eine freudige Ahnung über'sHerz: Pepi war's und noch ein halbes
Dutzend Weiber und Mädchen aus Sankt Peter, die nach der Gewohnheit
der Gebirgsleute "baden" gingen. Karl sprang hinter einen Busch, sie gin¬
gen lachend und schäkernd an ihm vorbei und in's Bad hinab. Er langte
über Stock und Stein springend noch vor ihnen an und erwartete den Zug


Adje, Pepi, ich muß heut in's JohanneSbad, der Commissair hat mich ver¬
setzt, weil ich Deinetwegen neulich zur Musik ging — und die Käfern' allein
gelassen hab'! Gib mir einen Kuß auf den Weg, Pepi!"

Das schöne Kind sah sich erst vorsichtig um, ob Alles sicher sei, denn
litt sie es, daß er sie umarmte und ihr ein Paar Küsse gab.

„Hast mich lieb, Pepi?" fragte der Jäger. — „Jo! recht lieb hab'
ich Ihn," stotterte sie verschämt, dann horchte sie auf und machte sich los —
noch einen Moment und sie sprang wie eine Eichkatze in's Haus zurück, und
als auch der Jäger das Gebüsch erreicht hatte, trat die Paschhamplin aus
dem Hause und gähnte in den Morgen hinein.

3.

Hinter dem Johauuesbade im Gebirg, daß sie jetzt so schön gebaut
haben, daß man es kaum wieder erkennt, liegt auf einer Anhöhe nach dem
Hochgebirg zu und dem wilden Klansengraben ein Wirthshaus, zum „Har¬
tig" genannt. Dort geht es lustig und heiter zu, die Geigen und Trom¬
peten schmettern in beide Thäler hinein, und vollends am Sonntag ist dort
Alles in Freude und Herrlichkeit. Da kommen die Leute weit und breit
her um zu baden, da werden Pfefferkuchen und Semmeln ausgeboten und
dann geht's zum „Hartig" hinauf, wo getanzt und getrunken wird. Der
junge Greuzjäger hatte schou zwei Sonntage da gesessen, mißmuthig und
ohne Leben; sonst hätte er nicht so viel Minuten ausgehalten, als diesmal
Stunden, ruhig beim verführerischen Geigenschalle zu sitzen und den Andern
zuzusehen. Seine Kameraden lachten ihn ans und schwenkten die geputzten
Dorftöchter durch die Stube, wie der Wirbelwind die grünen Tannenzweige
schwenkt, und weil ihm Pepi uicht aus dein Sinn wollte und der Nachmittag
dienstfrei war, beschloß er einen Spaziergang gegen Hohenelbe zu machen.
Von der großen Lehne konnte mau in's Gebirg hinaussehen, beim Hartig
oben lag der schwarze Berg zwischen ihm und seiner Liebe. Er stieg den
schmalen Fußsteig durch die feuchten Wiesen empor, durch den Wald beim
Försterhause vorbei, den Kops gesenkt und leidigen Gedanken nachhängend.
Da Schollen ein Paar junge frische Stimmen aus dem Tännicht. — Es lief
ihn wie eine freudige Ahnung über'sHerz: Pepi war's und noch ein halbes
Dutzend Weiber und Mädchen aus Sankt Peter, die nach der Gewohnheit
der Gebirgsleute „baden" gingen. Karl sprang hinter einen Busch, sie gin¬
gen lachend und schäkernd an ihm vorbei und in's Bad hinab. Er langte
über Stock und Stein springend noch vor ihnen an und erwartete den Zug


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[0108] Adje, Pepi, ich muß heut in's JohanneSbad, der Commissair hat mich ver¬ setzt, weil ich Deinetwegen neulich zur Musik ging — und die Käfern' allein gelassen hab'! Gib mir einen Kuß auf den Weg, Pepi!" Das schöne Kind sah sich erst vorsichtig um, ob Alles sicher sei, denn litt sie es, daß er sie umarmte und ihr ein Paar Küsse gab. „Hast mich lieb, Pepi?" fragte der Jäger. — „Jo! recht lieb hab' ich Ihn," stotterte sie verschämt, dann horchte sie auf und machte sich los — noch einen Moment und sie sprang wie eine Eichkatze in's Haus zurück, und als auch der Jäger das Gebüsch erreicht hatte, trat die Paschhamplin aus dem Hause und gähnte in den Morgen hinein. 3. Hinter dem Johauuesbade im Gebirg, daß sie jetzt so schön gebaut haben, daß man es kaum wieder erkennt, liegt auf einer Anhöhe nach dem Hochgebirg zu und dem wilden Klansengraben ein Wirthshaus, zum „Har¬ tig" genannt. Dort geht es lustig und heiter zu, die Geigen und Trom¬ peten schmettern in beide Thäler hinein, und vollends am Sonntag ist dort Alles in Freude und Herrlichkeit. Da kommen die Leute weit und breit her um zu baden, da werden Pfefferkuchen und Semmeln ausgeboten und dann geht's zum „Hartig" hinauf, wo getanzt und getrunken wird. Der junge Greuzjäger hatte schou zwei Sonntage da gesessen, mißmuthig und ohne Leben; sonst hätte er nicht so viel Minuten ausgehalten, als diesmal Stunden, ruhig beim verführerischen Geigenschalle zu sitzen und den Andern zuzusehen. Seine Kameraden lachten ihn ans und schwenkten die geputzten Dorftöchter durch die Stube, wie der Wirbelwind die grünen Tannenzweige schwenkt, und weil ihm Pepi uicht aus dein Sinn wollte und der Nachmittag dienstfrei war, beschloß er einen Spaziergang gegen Hohenelbe zu machen. Von der großen Lehne konnte mau in's Gebirg hinaussehen, beim Hartig oben lag der schwarze Berg zwischen ihm und seiner Liebe. Er stieg den schmalen Fußsteig durch die feuchten Wiesen empor, durch den Wald beim Försterhause vorbei, den Kops gesenkt und leidigen Gedanken nachhängend. Da Schollen ein Paar junge frische Stimmen aus dem Tännicht. — Es lief ihn wie eine freudige Ahnung über'sHerz: Pepi war's und noch ein halbes Dutzend Weiber und Mädchen aus Sankt Peter, die nach der Gewohnheit der Gebirgsleute „baden" gingen. Karl sprang hinter einen Busch, sie gin¬ gen lachend und schäkernd an ihm vorbei und in's Bad hinab. Er langte über Stock und Stein springend noch vor ihnen an und erwartete den Zug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/108>, abgerufen am 07.05.2024.