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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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im Walde. Aber mit dem Begleiter war es nichts, denn der Pferdehannes,
der in der frischen Lust erst vollends hin wurde, sing beim Anblick Karl's,
den er kaum mehr erkannte, einen solchen Lärm an, daß dieser Pepi los¬
ließ und ihr zuflüsterte: "Laß mir morgen die Bodenthür öffnen!" So
verliebt der Grenzjäger war, so hatte er doch Ueberlegung genug, die Bauern
und ihre Weiber nicht aufzureizen, denn der Haß gegen die "Schwefelkerle"
und die "Grünröckeln" ist ein so gründlicher, daß er am Ende doch trotz
des Kaffee'S und Schnapses die Oberhand behalten konnte. Zudem war
der Hannes sonst ein guter Kerl und Pepi's wegen mußte Karl mit ihm
und seinem Weibe Freundschaft halten, er ging daher während die dnrch
Tanz und Trunk auch etwas aufgeregten Weiber die beiden andern Männer
beschwichtigteil, zurück und warf sich auf sein Lager, denn gegen Mitternacht
begann sein Dienst.


4.

Der Paschhampcl hatte diese Nacht einen Hauptstreich vor -- er wollte
eine "theuere" Hucke herüberschaffen mit feinen Wollstoffen, wo am Stück
ein Gulden zu verdienen war. Hinter dem JohanncSbade liegt ein alter
Bergflecken, einstmal, da hier noch ans Gold und Silber gemnthet wurde,
die "goldene Freiheit" genannt. Jetzt möchten die Sassen Schanden halber,
ihr Flecken hieße nicht "Freiheit", denn sie sind von freien Gildenmännern
fteihcrrlichc Unterthauen geworden, die nichts vor dem Bauer zu rechte ha¬
ben, als unteren Frohndienst. Am Flecken vorbei fließt das wilde Berg¬
wasser die Aupa bis zu der Stadt Trautenau hinab, wo es viele Kaufleute
gibt, die mit deu Paschern Verkehr haben. Freilich sitzt die Katz' auch am Fleck
und die Mäuse müssen vorsichtig um sie herumschleichen, denn das Commando
der Grenzwache ist dort und sucht die Kaufleute fleißig mit Visitationen heim.

Der Paschhampcl hatte die Hucke bis in ein Dorf zu bringen, das hal¬
ben Weges zwischen Trautenau und der Freiheit liegt, und war glücklich bis
über den Posten zu Marschenbnrg hinausgekommen. Jetzt wurde er kühner,
da er bereits im Rücken der Jäger war, und schritt im gleißenden Mond¬
licht über die Wiesen. Da hielt er plötzlich still und horchte -- im nächsten
Augenblick aber sah er eine dunkle Gestalt über die Wiese laufen, offenbar
um ihm'den Rückweg abzuschneiden, während zwanzig Schritte vor ihm ein
Mann auftauchte, der "Halt!" rief und das blitzende Gewehr anschlug. Der
Paschhampcl war nicht der Mann, der eine Minute verlor -- er machte
eine Seitenwendung und lief über die Berglehne hinauf und hatte die schon
erstiegen, als die Greuzjägcr an ihrem Fuße anlangten. Mit flüchtigen


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im Walde. Aber mit dem Begleiter war es nichts, denn der Pferdehannes,
der in der frischen Lust erst vollends hin wurde, sing beim Anblick Karl's,
den er kaum mehr erkannte, einen solchen Lärm an, daß dieser Pepi los¬
ließ und ihr zuflüsterte: „Laß mir morgen die Bodenthür öffnen!" So
verliebt der Grenzjäger war, so hatte er doch Ueberlegung genug, die Bauern
und ihre Weiber nicht aufzureizen, denn der Haß gegen die „Schwefelkerle"
und die „Grünröckeln" ist ein so gründlicher, daß er am Ende doch trotz
des Kaffee'S und Schnapses die Oberhand behalten konnte. Zudem war
der Hannes sonst ein guter Kerl und Pepi's wegen mußte Karl mit ihm
und seinem Weibe Freundschaft halten, er ging daher während die dnrch
Tanz und Trunk auch etwas aufgeregten Weiber die beiden andern Männer
beschwichtigteil, zurück und warf sich auf sein Lager, denn gegen Mitternacht
begann sein Dienst.


4.

Der Paschhampcl hatte diese Nacht einen Hauptstreich vor — er wollte
eine „theuere" Hucke herüberschaffen mit feinen Wollstoffen, wo am Stück
ein Gulden zu verdienen war. Hinter dem JohanncSbade liegt ein alter
Bergflecken, einstmal, da hier noch ans Gold und Silber gemnthet wurde,
die „goldene Freiheit" genannt. Jetzt möchten die Sassen Schanden halber,
ihr Flecken hieße nicht „Freiheit", denn sie sind von freien Gildenmännern
fteihcrrlichc Unterthauen geworden, die nichts vor dem Bauer zu rechte ha¬
ben, als unteren Frohndienst. Am Flecken vorbei fließt das wilde Berg¬
wasser die Aupa bis zu der Stadt Trautenau hinab, wo es viele Kaufleute
gibt, die mit deu Paschern Verkehr haben. Freilich sitzt die Katz' auch am Fleck
und die Mäuse müssen vorsichtig um sie herumschleichen, denn das Commando
der Grenzwache ist dort und sucht die Kaufleute fleißig mit Visitationen heim.

Der Paschhampcl hatte die Hucke bis in ein Dorf zu bringen, das hal¬
ben Weges zwischen Trautenau und der Freiheit liegt, und war glücklich bis
über den Posten zu Marschenbnrg hinausgekommen. Jetzt wurde er kühner,
da er bereits im Rücken der Jäger war, und schritt im gleißenden Mond¬
licht über die Wiesen. Da hielt er plötzlich still und horchte — im nächsten
Augenblick aber sah er eine dunkle Gestalt über die Wiese laufen, offenbar
um ihm'den Rückweg abzuschneiden, während zwanzig Schritte vor ihm ein
Mann auftauchte, der „Halt!" rief und das blitzende Gewehr anschlug. Der
Paschhampcl war nicht der Mann, der eine Minute verlor — er machte
eine Seitenwendung und lief über die Berglehne hinauf und hatte die schon
erstiegen, als die Greuzjägcr an ihrem Fuße anlangten. Mit flüchtigen


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[0111] im Walde. Aber mit dem Begleiter war es nichts, denn der Pferdehannes, der in der frischen Lust erst vollends hin wurde, sing beim Anblick Karl's, den er kaum mehr erkannte, einen solchen Lärm an, daß dieser Pepi los¬ ließ und ihr zuflüsterte: „Laß mir morgen die Bodenthür öffnen!" So verliebt der Grenzjäger war, so hatte er doch Ueberlegung genug, die Bauern und ihre Weiber nicht aufzureizen, denn der Haß gegen die „Schwefelkerle" und die „Grünröckeln" ist ein so gründlicher, daß er am Ende doch trotz des Kaffee'S und Schnapses die Oberhand behalten konnte. Zudem war der Hannes sonst ein guter Kerl und Pepi's wegen mußte Karl mit ihm und seinem Weibe Freundschaft halten, er ging daher während die dnrch Tanz und Trunk auch etwas aufgeregten Weiber die beiden andern Männer beschwichtigteil, zurück und warf sich auf sein Lager, denn gegen Mitternacht begann sein Dienst. 4. Der Paschhampcl hatte diese Nacht einen Hauptstreich vor — er wollte eine „theuere" Hucke herüberschaffen mit feinen Wollstoffen, wo am Stück ein Gulden zu verdienen war. Hinter dem JohanncSbade liegt ein alter Bergflecken, einstmal, da hier noch ans Gold und Silber gemnthet wurde, die „goldene Freiheit" genannt. Jetzt möchten die Sassen Schanden halber, ihr Flecken hieße nicht „Freiheit", denn sie sind von freien Gildenmännern fteihcrrlichc Unterthauen geworden, die nichts vor dem Bauer zu rechte ha¬ ben, als unteren Frohndienst. Am Flecken vorbei fließt das wilde Berg¬ wasser die Aupa bis zu der Stadt Trautenau hinab, wo es viele Kaufleute gibt, die mit deu Paschern Verkehr haben. Freilich sitzt die Katz' auch am Fleck und die Mäuse müssen vorsichtig um sie herumschleichen, denn das Commando der Grenzwache ist dort und sucht die Kaufleute fleißig mit Visitationen heim. Der Paschhampcl hatte die Hucke bis in ein Dorf zu bringen, das hal¬ ben Weges zwischen Trautenau und der Freiheit liegt, und war glücklich bis über den Posten zu Marschenbnrg hinausgekommen. Jetzt wurde er kühner, da er bereits im Rücken der Jäger war, und schritt im gleißenden Mond¬ licht über die Wiesen. Da hielt er plötzlich still und horchte — im nächsten Augenblick aber sah er eine dunkle Gestalt über die Wiese laufen, offenbar um ihm'den Rückweg abzuschneiden, während zwanzig Schritte vor ihm ein Mann auftauchte, der „Halt!" rief und das blitzende Gewehr anschlug. Der Paschhampcl war nicht der Mann, der eine Minute verlor — er machte eine Seitenwendung und lief über die Berglehne hinauf und hatte die schon erstiegen, als die Greuzjägcr an ihrem Fuße anlangten. Mit flüchtigen Gi'-ttMcn III. 1Si7. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/111>, abgerufen am 07.05.2024.