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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Hoffnung für die Zukunft begrüßte, mir schon träumend, daß die verschiedenen
Schulen den Dünkel bei Seite legen, die gegenseitigen Vorzüge anerkennen und
frei und unbefangen mit einander austauschen, um das möglich Vollkommene in
der Malerei zu schaffen. Wenn unser Verfasser aber ferner sagt, daß der Prof.
Sohn (in Düsseldorf) von keinem Zeitgenossen im Kolorit erreicht, geschweige
denn übertroffen wird, so bestätigt dies mein Urtheil über seine Kunstkennerschaft
und mahnt an die Düsseldorfer Künstler-Apotheosen aus den dreißiger Jahren,
welche der dortigen Kunstschule wahrlich keinen Nutzen gebracht haben. Alle
Achtung dem Maler Sohn, er hat reizende weibliche Portraits geliefert. Er
ist der Meister eines blendenden Sinnlichkeits-Prinzips, das verbunden mit einer
gewissen Eleganz der Anordnung fesselt. Sobald es sich aber um ein Bild mit
mehreren Figuren handelt, dann tritt uns der Erbfehler der Düsseldorfer Schule
älteren Styls leider in seiner ganzen Größe entgegen. Das Einzelne ist delicat
meisterhaft ausgeführt, dem Ganzen fehlt aber die Farbenperspective, die eigent¬
liche Seele des Bildes als Gemälde, das Geheimniß des Helldunkels des gegen¬
seitigen Abdämpfcns der Töne, die harmonische Verschmelzung. -- Mein Urtheil
bestätigte mir ein Bäuerlein auf einer Düsseldorfer Ausstellung, wo ich Sohn's
Tasso und die beiden Leo-.oren sah, er meinte nämlich, der Springbrunnen im
Hintergründe des Bildes könnte leicht die Schrift, welche der aus dem ersten
Plan sitzende Tasso in der Hand hält, verwischen. Was nicht der Verstand der
Verständigen steht, das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Für heute will ich damit schließen, und zwar auch gegen meine Gewohnheit,
als Anonymus, weil ich es mit einem Anonymen zu thun habe. Freuen soll es
mich jedoch, wenn er mir Gelegenheit gibt, auch mit offenem Visir ihm einmal
"K. W. E. gegenüber zu treten.


II.

In den Grenzboten No. 23 findet sich ein Aufsatz von den Ufern der Theiß,
der alle Beachtung verdient und von Seite derjenigen, an die er gewissermaßen
gerichtet ist, nicht ohne Erwiderung bleiben darf. Die Stimme, welche hier
laut wird, faßt das Verhältniß Ungarns zu Oesterreich, um mit dem Verfasser
zu sprechen, denn ich würde sagen: zu den übrigen österreichischen Ländern --
aus einem Gesichtspunkte auf, der nur vielseitiger Anerkennung bedarf, um zu
den segensreichsten Resultaten zu führen, nämlich von dem, daß die politischen
Interessen Ungarns mit jenen der übrigen österreichischen Lande nicht nur voll¬
kommen zu vereinigen sind, sondern überdies in solch' enger Wechselbeziehung
stehen, daß deren Trennung nur allseitig Nachtheil bringen kann.

Demjenigen, welcher mit Unbefangenheit die jetzigen Weltverhältnisse über¬
blickt, ist es schon lange klar geworden, daß die politische und merkantile Selbst-
ständigkeit nnr von den Großmächten mit Erfolg behauptet zu werden vermag,
daß daher der moderne Separatismus, welcher unter dem Aushängeschild falsch


Hoffnung für die Zukunft begrüßte, mir schon träumend, daß die verschiedenen
Schulen den Dünkel bei Seite legen, die gegenseitigen Vorzüge anerkennen und
frei und unbefangen mit einander austauschen, um das möglich Vollkommene in
der Malerei zu schaffen. Wenn unser Verfasser aber ferner sagt, daß der Prof.
Sohn (in Düsseldorf) von keinem Zeitgenossen im Kolorit erreicht, geschweige
denn übertroffen wird, so bestätigt dies mein Urtheil über seine Kunstkennerschaft
und mahnt an die Düsseldorfer Künstler-Apotheosen aus den dreißiger Jahren,
welche der dortigen Kunstschule wahrlich keinen Nutzen gebracht haben. Alle
Achtung dem Maler Sohn, er hat reizende weibliche Portraits geliefert. Er
ist der Meister eines blendenden Sinnlichkeits-Prinzips, das verbunden mit einer
gewissen Eleganz der Anordnung fesselt. Sobald es sich aber um ein Bild mit
mehreren Figuren handelt, dann tritt uns der Erbfehler der Düsseldorfer Schule
älteren Styls leider in seiner ganzen Größe entgegen. Das Einzelne ist delicat
meisterhaft ausgeführt, dem Ganzen fehlt aber die Farbenperspective, die eigent¬
liche Seele des Bildes als Gemälde, das Geheimniß des Helldunkels des gegen¬
seitigen Abdämpfcns der Töne, die harmonische Verschmelzung. — Mein Urtheil
bestätigte mir ein Bäuerlein auf einer Düsseldorfer Ausstellung, wo ich Sohn's
Tasso und die beiden Leo-.oren sah, er meinte nämlich, der Springbrunnen im
Hintergründe des Bildes könnte leicht die Schrift, welche der aus dem ersten
Plan sitzende Tasso in der Hand hält, verwischen. Was nicht der Verstand der
Verständigen steht, das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Für heute will ich damit schließen, und zwar auch gegen meine Gewohnheit,
als Anonymus, weil ich es mit einem Anonymen zu thun habe. Freuen soll es
mich jedoch, wenn er mir Gelegenheit gibt, auch mit offenem Visir ihm einmal
»K. W. E. gegenüber zu treten.


II.

In den Grenzboten No. 23 findet sich ein Aufsatz von den Ufern der Theiß,
der alle Beachtung verdient und von Seite derjenigen, an die er gewissermaßen
gerichtet ist, nicht ohne Erwiderung bleiben darf. Die Stimme, welche hier
laut wird, faßt das Verhältniß Ungarns zu Oesterreich, um mit dem Verfasser
zu sprechen, denn ich würde sagen: zu den übrigen österreichischen Ländern —
aus einem Gesichtspunkte auf, der nur vielseitiger Anerkennung bedarf, um zu
den segensreichsten Resultaten zu führen, nämlich von dem, daß die politischen
Interessen Ungarns mit jenen der übrigen österreichischen Lande nicht nur voll¬
kommen zu vereinigen sind, sondern überdies in solch' enger Wechselbeziehung
stehen, daß deren Trennung nur allseitig Nachtheil bringen kann.

Demjenigen, welcher mit Unbefangenheit die jetzigen Weltverhältnisse über¬
blickt, ist es schon lange klar geworden, daß die politische und merkantile Selbst-
ständigkeit nnr von den Großmächten mit Erfolg behauptet zu werden vermag,
daß daher der moderne Separatismus, welcher unter dem Aushängeschild falsch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/354>, abgerufen am 07.05.2024.