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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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rara? Den Papst abzuschrecken vor Reformen? Dazu wäre ein so geräuschvolles
Mittel sicherlich das alleruugcschicktcstc; hierzu wären die stillen Wege sicherlich
die wirknugsreichcrn. Und Oesterreich versteht sich ans stille Wege -- wie hätte
es sonst Frankreich, den eifersüchtigsten Gegner in Italien, so plötzlich als unge¬
fährlichen Rückhalt gewonnen. Unseres Erachtens verdient das Ereigniß in Fer-
rara keineswegs den Lärm den es erregt. Gegen Rom wird das bigotte
Oesterreich, in dem die Beichtväter eine so wichtigcRolle spielen, dessen Haupt-
kraft in der katholischen Einheit des bei weitem größten Theils seiner Unter¬
thanen besteht, das dem Clerus im Unterrichtswesen, sowie im Territorial-
bcsitzc, in Zehnten und andern Emolumcnten so übergroße Concessionen macht,
zum Nachtheil seiner ganzen Entwicklung, dieses Oesterreich wird gegen den
Stuhl Sankt Peters wahrlich nichts Feindseliges unternehmen und ans geist¬
lichen und weltlichen Rücksichten nichts zu unternehmen wagen. Wohl aber
ist zu fürchten, daß die nationale Begeisterung der feurigen Römer die eigene
Kraft agresstv überschätzt, und daß das Echo, das sie in den Herzen der lom-
bardischen und venezianischen Jugend findet, Scenen herbeiführen könnte, die jenen
in Lyssa-Gura und Tarnow ähnlich würden. Und damit kein achtzehnter Fe¬
bruar im lombardisch-venezianischen Königreiche sich wiederhole und damit kein
italienischer Wisniowsky und Kapncinsky den Galgenberg von Mailand oder Ve¬
nedig zu einem neuen Wallfahrtsorte mache, füllte sich die Stadt Ferrara mit
österreichischen Truppen, die am hellen Tage und ,.mit brennender Lunte"
auf dem Paradeplatze aufzogen. Wir glauben, der helle Tag und das Parade-
machen waren die Hauptbedingungen dieses ostensiblen Kriegöspicls. Mögen sie
darüber jene Philologen angreifen, die I-l plaeo durchaus mir mit Festung über¬
setzt wissen wollen. Wir unserer Seits, die wir von einer Revolution in
Oberitalien keine Resultate, weder für die Freiheit, noch für die Wohlfahrt des
cis- und transalpinischen Oesterreichs erhoffen, weil wir die schlimmen Erfolge eines
solchen Aufstandes ans der Nähe beobachten können -- wir ziehen es vor, daß
1000 Mann österreichischer Truppen die Stadt Ferrara zeitweilig als Festung be¬
trachten, als daß 1000 edle und feurige lombardische Patrioten die Festung
S pielberg auf Lebenszeit mit ihrer Stadt vertauschen müssen.


III.
1.

Die Dcutschratholikcn und Herr Pokvrny. -- Spital-Angelegenheit. -- Bäcker und Fleischer. --
DaS Burgthc-leer. -- DaS Gerichtsverfahren und seine Folge". -- Der Schad. -- Die Eisenbahn-
dirccti"". -- Die medizinische Facultüt. -- Professor und Censor.

Wir können jenen Oesterreichern, die deutschkatholisch geworden sind, und
sich dadurch vom Vaterlanoc für immer abschnitten, eine Neuigkeit mitthei¬
len. Sie kennen das strenge Mandat gegen die Deutschkatholiken, vermöge
welchem jedem Oesterreicher, sobald er sich als Deutschkatholik erklärte, ob¬
lag, sogleich auszuwandern, oder wenn er dies außer Landes that, so wie


rara? Den Papst abzuschrecken vor Reformen? Dazu wäre ein so geräuschvolles
Mittel sicherlich das alleruugcschicktcstc; hierzu wären die stillen Wege sicherlich
die wirknugsreichcrn. Und Oesterreich versteht sich ans stille Wege — wie hätte
es sonst Frankreich, den eifersüchtigsten Gegner in Italien, so plötzlich als unge¬
fährlichen Rückhalt gewonnen. Unseres Erachtens verdient das Ereigniß in Fer-
rara keineswegs den Lärm den es erregt. Gegen Rom wird das bigotte
Oesterreich, in dem die Beichtväter eine so wichtigcRolle spielen, dessen Haupt-
kraft in der katholischen Einheit des bei weitem größten Theils seiner Unter¬
thanen besteht, das dem Clerus im Unterrichtswesen, sowie im Territorial-
bcsitzc, in Zehnten und andern Emolumcnten so übergroße Concessionen macht,
zum Nachtheil seiner ganzen Entwicklung, dieses Oesterreich wird gegen den
Stuhl Sankt Peters wahrlich nichts Feindseliges unternehmen und ans geist¬
lichen und weltlichen Rücksichten nichts zu unternehmen wagen. Wohl aber
ist zu fürchten, daß die nationale Begeisterung der feurigen Römer die eigene
Kraft agresstv überschätzt, und daß das Echo, das sie in den Herzen der lom-
bardischen und venezianischen Jugend findet, Scenen herbeiführen könnte, die jenen
in Lyssa-Gura und Tarnow ähnlich würden. Und damit kein achtzehnter Fe¬
bruar im lombardisch-venezianischen Königreiche sich wiederhole und damit kein
italienischer Wisniowsky und Kapncinsky den Galgenberg von Mailand oder Ve¬
nedig zu einem neuen Wallfahrtsorte mache, füllte sich die Stadt Ferrara mit
österreichischen Truppen, die am hellen Tage und ,.mit brennender Lunte"
auf dem Paradeplatze aufzogen. Wir glauben, der helle Tag und das Parade-
machen waren die Hauptbedingungen dieses ostensiblen Kriegöspicls. Mögen sie
darüber jene Philologen angreifen, die I-l plaeo durchaus mir mit Festung über¬
setzt wissen wollen. Wir unserer Seits, die wir von einer Revolution in
Oberitalien keine Resultate, weder für die Freiheit, noch für die Wohlfahrt des
cis- und transalpinischen Oesterreichs erhoffen, weil wir die schlimmen Erfolge eines
solchen Aufstandes ans der Nähe beobachten können — wir ziehen es vor, daß
1000 Mann österreichischer Truppen die Stadt Ferrara zeitweilig als Festung be¬
trachten, als daß 1000 edle und feurige lombardische Patrioten die Festung
S pielberg auf Lebenszeit mit ihrer Stadt vertauschen müssen.


III.
1.

Die Dcutschratholikcn und Herr Pokvrny. — Spital-Angelegenheit. — Bäcker und Fleischer. —
DaS Burgthc-leer. — DaS Gerichtsverfahren und seine Folge». — Der Schad. — Die Eisenbahn-
dirccti»». — Die medizinische Facultüt. — Professor und Censor.

Wir können jenen Oesterreichern, die deutschkatholisch geworden sind, und
sich dadurch vom Vaterlanoc für immer abschnitten, eine Neuigkeit mitthei¬
len. Sie kennen das strenge Mandat gegen die Deutschkatholiken, vermöge
welchem jedem Oesterreicher, sobald er sich als Deutschkatholik erklärte, ob¬
lag, sogleich auszuwandern, oder wenn er dies außer Landes that, so wie


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[0392] rara? Den Papst abzuschrecken vor Reformen? Dazu wäre ein so geräuschvolles Mittel sicherlich das alleruugcschicktcstc; hierzu wären die stillen Wege sicherlich die wirknugsreichcrn. Und Oesterreich versteht sich ans stille Wege — wie hätte es sonst Frankreich, den eifersüchtigsten Gegner in Italien, so plötzlich als unge¬ fährlichen Rückhalt gewonnen. Unseres Erachtens verdient das Ereigniß in Fer- rara keineswegs den Lärm den es erregt. Gegen Rom wird das bigotte Oesterreich, in dem die Beichtväter eine so wichtigcRolle spielen, dessen Haupt- kraft in der katholischen Einheit des bei weitem größten Theils seiner Unter¬ thanen besteht, das dem Clerus im Unterrichtswesen, sowie im Territorial- bcsitzc, in Zehnten und andern Emolumcnten so übergroße Concessionen macht, zum Nachtheil seiner ganzen Entwicklung, dieses Oesterreich wird gegen den Stuhl Sankt Peters wahrlich nichts Feindseliges unternehmen und ans geist¬ lichen und weltlichen Rücksichten nichts zu unternehmen wagen. Wohl aber ist zu fürchten, daß die nationale Begeisterung der feurigen Römer die eigene Kraft agresstv überschätzt, und daß das Echo, das sie in den Herzen der lom- bardischen und venezianischen Jugend findet, Scenen herbeiführen könnte, die jenen in Lyssa-Gura und Tarnow ähnlich würden. Und damit kein achtzehnter Fe¬ bruar im lombardisch-venezianischen Königreiche sich wiederhole und damit kein italienischer Wisniowsky und Kapncinsky den Galgenberg von Mailand oder Ve¬ nedig zu einem neuen Wallfahrtsorte mache, füllte sich die Stadt Ferrara mit österreichischen Truppen, die am hellen Tage und ,.mit brennender Lunte" auf dem Paradeplatze aufzogen. Wir glauben, der helle Tag und das Parade- machen waren die Hauptbedingungen dieses ostensiblen Kriegöspicls. Mögen sie darüber jene Philologen angreifen, die I-l plaeo durchaus mir mit Festung über¬ setzt wissen wollen. Wir unserer Seits, die wir von einer Revolution in Oberitalien keine Resultate, weder für die Freiheit, noch für die Wohlfahrt des cis- und transalpinischen Oesterreichs erhoffen, weil wir die schlimmen Erfolge eines solchen Aufstandes ans der Nähe beobachten können — wir ziehen es vor, daß 1000 Mann österreichischer Truppen die Stadt Ferrara zeitweilig als Festung be¬ trachten, als daß 1000 edle und feurige lombardische Patrioten die Festung S pielberg auf Lebenszeit mit ihrer Stadt vertauschen müssen. III. 1. Die Dcutschratholikcn und Herr Pokvrny. — Spital-Angelegenheit. — Bäcker und Fleischer. — DaS Burgthc-leer. — DaS Gerichtsverfahren und seine Folge». — Der Schad. — Die Eisenbahn- dirccti»». — Die medizinische Facultüt. — Professor und Censor. Wir können jenen Oesterreichern, die deutschkatholisch geworden sind, und sich dadurch vom Vaterlanoc für immer abschnitten, eine Neuigkeit mitthei¬ len. Sie kennen das strenge Mandat gegen die Deutschkatholiken, vermöge welchem jedem Oesterreicher, sobald er sich als Deutschkatholik erklärte, ob¬ lag, sogleich auszuwandern, oder wenn er dies außer Landes that, so wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/392>, abgerufen am 07.05.2024.