Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
T a g e b u et).



i.
Münchener Zustände.
2.

Baiern war von jeher und besonders in unserer Zeit als Hauptsij? des
schroffsten Ultramontanismus in Deutschland verrufen. München hatte mehrere
Jahre das Unglück, das Hauptquartier dieser Partei zu sein, und viele ihrer
finstern Pläne, wodurch sie Zwiespalt über unser schönes Baterland bringen
wollte, wurden hier vorbereitet. Auch ein Theil der Münchner Bürgerschaft, wie
überhaupt der Bevölkerung Oberbaierns war schon in der Gewalt dieser Partei
und ein blindes Werkzeug derselben geworden. Wenn man aber im übrigen
Deutschland glaubt, München hänge ganz von dem Willen der Geistlichkeit ab
und sei so intolerant, daß ein Protestant schon seines Glaubens wegen zurück¬
gesetzt werde, so irret man durch und durch. Wir wollen gern zugeben, daß
in München die Geistlichkeit sehr viel, zu viel Einfluß, besonders bei dem weib¬
lichen Geschlechte habe. Aber die Mährchen, die man von allgemeiner Intole¬
ranz aufsprengt, sind lächerlich. Schreiber dieser Zeilen, ein Protestant, hat
viele Monate in München verlebt, mit allen Ständen verkehrt und hat religiöse
Verhältnisse oftmals absichtlich berührt, und weiß kein einziges Zeichen von reli¬
giösem Fanatismus zu erzählen. Freilich unter dem Ministerium Abel erfuhr
der Protestantismus auf offene und vielmehr noch auf versteckte Weise alle
mögliche" Unterdrückungen, und es war nicht übertrieben, als am vorigen
Landtage ein katholischer Abgeordneter es öffentlich in der zweiten Kammer
aussprach, "der Minister Abel strebe mit allen Kräften darnach, einen Zu¬
stand zurückzuführen, durch welchen der dreißigjährige Krieg entstanden und
Strome von Blut vergossen wären." Wie gering aber im Allgemeinen der
Anhang dieser ultramontanen Partei selbst in - München, ihrem Hauptquartier
gewesen, beweiset, daß es viel Müh' und Noth gekostet, um mit Anwendung
aller möglichen Mittel, deren einem Gouvernement doch immer sehr viele zu
Gebote stehen, ein Paar Tausend Unterschriften bei den bekannten ultramonta¬
nen Adressen des vorigen Landtages zu Stande zu bringen. Ueberall in
Schenken, ja selbst in Armenhäusern und Stiften wurden diese Adressen kolpor-


T a g e b u et).



i.
Münchener Zustände.
2.

Baiern war von jeher und besonders in unserer Zeit als Hauptsij? des
schroffsten Ultramontanismus in Deutschland verrufen. München hatte mehrere
Jahre das Unglück, das Hauptquartier dieser Partei zu sein, und viele ihrer
finstern Pläne, wodurch sie Zwiespalt über unser schönes Baterland bringen
wollte, wurden hier vorbereitet. Auch ein Theil der Münchner Bürgerschaft, wie
überhaupt der Bevölkerung Oberbaierns war schon in der Gewalt dieser Partei
und ein blindes Werkzeug derselben geworden. Wenn man aber im übrigen
Deutschland glaubt, München hänge ganz von dem Willen der Geistlichkeit ab
und sei so intolerant, daß ein Protestant schon seines Glaubens wegen zurück¬
gesetzt werde, so irret man durch und durch. Wir wollen gern zugeben, daß
in München die Geistlichkeit sehr viel, zu viel Einfluß, besonders bei dem weib¬
lichen Geschlechte habe. Aber die Mährchen, die man von allgemeiner Intole¬
ranz aufsprengt, sind lächerlich. Schreiber dieser Zeilen, ein Protestant, hat
viele Monate in München verlebt, mit allen Ständen verkehrt und hat religiöse
Verhältnisse oftmals absichtlich berührt, und weiß kein einziges Zeichen von reli¬
giösem Fanatismus zu erzählen. Freilich unter dem Ministerium Abel erfuhr
der Protestantismus auf offene und vielmehr noch auf versteckte Weise alle
mögliche» Unterdrückungen, und es war nicht übertrieben, als am vorigen
Landtage ein katholischer Abgeordneter es öffentlich in der zweiten Kammer
aussprach, „der Minister Abel strebe mit allen Kräften darnach, einen Zu¬
stand zurückzuführen, durch welchen der dreißigjährige Krieg entstanden und
Strome von Blut vergossen wären." Wie gering aber im Allgemeinen der
Anhang dieser ultramontanen Partei selbst in - München, ihrem Hauptquartier
gewesen, beweiset, daß es viel Müh' und Noth gekostet, um mit Anwendung
aller möglichen Mittel, deren einem Gouvernement doch immer sehr viele zu
Gebote stehen, ein Paar Tausend Unterschriften bei den bekannten ultramonta¬
nen Adressen des vorigen Landtages zu Stande zu bringen. Ueberall in
Schenken, ja selbst in Armenhäusern und Stiften wurden diese Adressen kolpor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184200"/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> T a g e b u et).</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.<lb/>
Münchener Zustände.</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> 2.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_96" next="#ID_97"> Baiern war von jeher und besonders in unserer Zeit als Hauptsij? des<lb/>
schroffsten Ultramontanismus in Deutschland verrufen. München hatte mehrere<lb/>
Jahre das Unglück, das Hauptquartier dieser Partei zu sein, und viele ihrer<lb/>
finstern Pläne, wodurch sie Zwiespalt über unser schönes Baterland bringen<lb/>
wollte, wurden hier vorbereitet. Auch ein Theil der Münchner Bürgerschaft, wie<lb/>
überhaupt der Bevölkerung Oberbaierns war schon in der Gewalt dieser Partei<lb/>
und ein blindes Werkzeug derselben geworden. Wenn man aber im übrigen<lb/>
Deutschland glaubt, München hänge ganz von dem Willen der Geistlichkeit ab<lb/>
und sei so intolerant, daß ein Protestant schon seines Glaubens wegen zurück¬<lb/>
gesetzt werde, so irret man durch und durch. Wir wollen gern zugeben, daß<lb/>
in München die Geistlichkeit sehr viel, zu viel Einfluß, besonders bei dem weib¬<lb/>
lichen Geschlechte habe. Aber die Mährchen, die man von allgemeiner Intole¬<lb/>
ranz aufsprengt, sind lächerlich. Schreiber dieser Zeilen, ein Protestant, hat<lb/>
viele Monate in München verlebt, mit allen Ständen verkehrt und hat religiöse<lb/>
Verhältnisse oftmals absichtlich berührt, und weiß kein einziges Zeichen von reli¬<lb/>
giösem Fanatismus zu erzählen. Freilich unter dem Ministerium Abel erfuhr<lb/>
der Protestantismus auf offene und vielmehr noch auf versteckte Weise alle<lb/>
mögliche» Unterdrückungen, und es war nicht übertrieben, als am vorigen<lb/>
Landtage ein katholischer Abgeordneter es öffentlich in der zweiten Kammer<lb/>
aussprach, &#x201E;der Minister Abel strebe mit allen Kräften darnach, einen Zu¬<lb/>
stand zurückzuführen, durch welchen der dreißigjährige Krieg entstanden und<lb/>
Strome von Blut vergossen wären." Wie gering aber im Allgemeinen der<lb/>
Anhang dieser ultramontanen Partei selbst in - München, ihrem Hauptquartier<lb/>
gewesen, beweiset, daß es viel Müh' und Noth gekostet, um mit Anwendung<lb/>
aller möglichen Mittel, deren einem Gouvernement doch immer sehr viele zu<lb/>
Gebote stehen, ein Paar Tausend Unterschriften bei den bekannten ultramonta¬<lb/>
nen Adressen des vorigen Landtages zu Stande zu bringen. Ueberall in<lb/>
Schenken, ja selbst in Armenhäusern und Stiften wurden diese Adressen kolpor-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] T a g e b u et). i. Münchener Zustände. 2. Baiern war von jeher und besonders in unserer Zeit als Hauptsij? des schroffsten Ultramontanismus in Deutschland verrufen. München hatte mehrere Jahre das Unglück, das Hauptquartier dieser Partei zu sein, und viele ihrer finstern Pläne, wodurch sie Zwiespalt über unser schönes Baterland bringen wollte, wurden hier vorbereitet. Auch ein Theil der Münchner Bürgerschaft, wie überhaupt der Bevölkerung Oberbaierns war schon in der Gewalt dieser Partei und ein blindes Werkzeug derselben geworden. Wenn man aber im übrigen Deutschland glaubt, München hänge ganz von dem Willen der Geistlichkeit ab und sei so intolerant, daß ein Protestant schon seines Glaubens wegen zurück¬ gesetzt werde, so irret man durch und durch. Wir wollen gern zugeben, daß in München die Geistlichkeit sehr viel, zu viel Einfluß, besonders bei dem weib¬ lichen Geschlechte habe. Aber die Mährchen, die man von allgemeiner Intole¬ ranz aufsprengt, sind lächerlich. Schreiber dieser Zeilen, ein Protestant, hat viele Monate in München verlebt, mit allen Ständen verkehrt und hat religiöse Verhältnisse oftmals absichtlich berührt, und weiß kein einziges Zeichen von reli¬ giösem Fanatismus zu erzählen. Freilich unter dem Ministerium Abel erfuhr der Protestantismus auf offene und vielmehr noch auf versteckte Weise alle mögliche» Unterdrückungen, und es war nicht übertrieben, als am vorigen Landtage ein katholischer Abgeordneter es öffentlich in der zweiten Kammer aussprach, „der Minister Abel strebe mit allen Kräften darnach, einen Zu¬ stand zurückzuführen, durch welchen der dreißigjährige Krieg entstanden und Strome von Blut vergossen wären." Wie gering aber im Allgemeinen der Anhang dieser ultramontanen Partei selbst in - München, ihrem Hauptquartier gewesen, beweiset, daß es viel Müh' und Noth gekostet, um mit Anwendung aller möglichen Mittel, deren einem Gouvernement doch immer sehr viele zu Gebote stehen, ein Paar Tausend Unterschriften bei den bekannten ultramonta¬ nen Adressen des vorigen Landtages zu Stande zu bringen. Ueberall in Schenken, ja selbst in Armenhäusern und Stiften wurden diese Adressen kolpor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/40>, abgerufen am 07.05.2024.