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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Regierung seine herzliche Züchtigung, weil er Von den Rebellen in Messina nicht
mit dem gehörigen Respect spricht, und sagt, sie seien nur zusammengerafftes Gesindel
gewesen. Wir würden dieser Sprache des französischen Regierungsblattes gar keine
innere Bedeutung beilegen, wenn wir diese Sprache nicht heute in den Bedürfnissen der
Regierung unabweisbar begründet sähen. Die D^half haben stets zwei Gesichter, und
kehren dieses oder jenes vor, je uach den Umständen. Aber eS scheint uns, daß die
letzten Tage der Regierung gezeigt haben müssen, wie gefährlich es für sie werden
könnte, wenn sie in der neuen italienischen Krisis erst in's Feuer blasen und dann
am Tage der Entscheidung wieder zurücktreten wollte. Die Bedeutung, die die italie¬
nische Bewegung für Frankreich hat, fühlt jeder Franzose, und darin liegt es eben,
daß dieselbe den getrübten Blick des Volkes augenblicklich von der Korruption des In¬
landes aus die verwickelten Zustände des Auslandes ablenkte. Und gerade hierin scheint
uns auch die Bürgschaft zu liegen, daß die Regierung diesmal nicht mehr im Stande
sein wird, Italien, wie in den dreißiger Jahren, erst zu Hetzen und dann im Stiche
zu lassen. Das hieße, heute sich selbst zum Tode verurtheilen. War schon Casemir
Perrier gezwungen, damals, wo der ganze Mittelstand in den italienischen Revolutio¬
närs doch nur Bundesgenossen der französischen Republikaner sah, Ancona wegzuneh¬
men, um die öffentliche Meinung Frankreichs zu beschwichtigen, so kann man sich leicht
denken, was heute die französische Regierung zu thun gezwungen sein würde, wenn
der Papst und die einzelnen Fürsten Italiens die Hülfe Frankreichs in Anspruch neh¬
men müßten, oder auch nur dieser Hülfe zur Lebensrettung bedürften.

Wer ein Interesse an der italienischen Ver- und Entwickeln""; haben kann, täusche
sich darüber nicht, daß heute die Niederlage der in dem Papst vertretenen nationalen
Bestrebungen im Kampfe gegen Oesterreich --- ein Todesurtheil für die fran¬
zösische Regierung sein würde. Wir bezweifeln nicht, daß sie das Bewußtsein
hat, und sind somit überzeugt, daß sie im Falle der Noth sehr Vieles im Aus¬
l _ ande wagen wird, um nicht Alles im Inlande zu verlieren.


III.

Theaterangelegenheiten.

Ein Prager Korrespondent der allgemeinen Nugsburgcrin erzählt in Nro. 238 zu
unserem bedeutenden. Verwundern, das hiesige Theater verdanke seinem Director ein
sehr gutes an klassischen Stücken reiches Repertoire -- wir könnten es kaum verant¬
worten, ließen wir diese große Unwahrheit nnbesprochcn und Deutschland im Irrthum;
denn gerade der Mangel eines Repertoirs, der Mangel eines Systems in den Anord¬
nungen hat jene Polemik gegen die Direction in unsern Lokalblättern hervorgerufen,
an welcher sich sogar die ständische Intendanz, wenn auch ohne Glück, beteiligte. Seit
dem Frühling hat das Theater seine Existenz mit unausgesetztem Gastspiel gefristet,
sein Publikum ermüdet und überfüttert; daß die Gäste uns beinahe ohne Unterbrechung
ihre klassischen Battaillcpserde vorritten, und das Zusammenspiel eben wegen des Auf-
cinanderdrängcns in höchstem Grade vernachlässigt ward, hat uns den Theaterbesuch
beinahe verekelt, hat ein geregeltes Repertoire ganz unmöglich gemacht; Spätherbst und
Winter werden die Delictc des Sommers bitter strafen.


Regierung seine herzliche Züchtigung, weil er Von den Rebellen in Messina nicht
mit dem gehörigen Respect spricht, und sagt, sie seien nur zusammengerafftes Gesindel
gewesen. Wir würden dieser Sprache des französischen Regierungsblattes gar keine
innere Bedeutung beilegen, wenn wir diese Sprache nicht heute in den Bedürfnissen der
Regierung unabweisbar begründet sähen. Die D^half haben stets zwei Gesichter, und
kehren dieses oder jenes vor, je uach den Umständen. Aber eS scheint uns, daß die
letzten Tage der Regierung gezeigt haben müssen, wie gefährlich es für sie werden
könnte, wenn sie in der neuen italienischen Krisis erst in's Feuer blasen und dann
am Tage der Entscheidung wieder zurücktreten wollte. Die Bedeutung, die die italie¬
nische Bewegung für Frankreich hat, fühlt jeder Franzose, und darin liegt es eben,
daß dieselbe den getrübten Blick des Volkes augenblicklich von der Korruption des In¬
landes aus die verwickelten Zustände des Auslandes ablenkte. Und gerade hierin scheint
uns auch die Bürgschaft zu liegen, daß die Regierung diesmal nicht mehr im Stande
sein wird, Italien, wie in den dreißiger Jahren, erst zu Hetzen und dann im Stiche
zu lassen. Das hieße, heute sich selbst zum Tode verurtheilen. War schon Casemir
Perrier gezwungen, damals, wo der ganze Mittelstand in den italienischen Revolutio¬
närs doch nur Bundesgenossen der französischen Republikaner sah, Ancona wegzuneh¬
men, um die öffentliche Meinung Frankreichs zu beschwichtigen, so kann man sich leicht
denken, was heute die französische Regierung zu thun gezwungen sein würde, wenn
der Papst und die einzelnen Fürsten Italiens die Hülfe Frankreichs in Anspruch neh¬
men müßten, oder auch nur dieser Hülfe zur Lebensrettung bedürften.

Wer ein Interesse an der italienischen Ver- und Entwickeln»«; haben kann, täusche
sich darüber nicht, daß heute die Niederlage der in dem Papst vertretenen nationalen
Bestrebungen im Kampfe gegen Oesterreich -— ein Todesurtheil für die fran¬
zösische Regierung sein würde. Wir bezweifeln nicht, daß sie das Bewußtsein
hat, und sind somit überzeugt, daß sie im Falle der Noth sehr Vieles im Aus¬
l _ ande wagen wird, um nicht Alles im Inlande zu verlieren.


III.

Theaterangelegenheiten.

Ein Prager Korrespondent der allgemeinen Nugsburgcrin erzählt in Nro. 238 zu
unserem bedeutenden. Verwundern, das hiesige Theater verdanke seinem Director ein
sehr gutes an klassischen Stücken reiches Repertoire — wir könnten es kaum verant¬
worten, ließen wir diese große Unwahrheit nnbesprochcn und Deutschland im Irrthum;
denn gerade der Mangel eines Repertoirs, der Mangel eines Systems in den Anord¬
nungen hat jene Polemik gegen die Direction in unsern Lokalblättern hervorgerufen,
an welcher sich sogar die ständische Intendanz, wenn auch ohne Glück, beteiligte. Seit
dem Frühling hat das Theater seine Existenz mit unausgesetztem Gastspiel gefristet,
sein Publikum ermüdet und überfüttert; daß die Gäste uns beinahe ohne Unterbrechung
ihre klassischen Battaillcpserde vorritten, und das Zusammenspiel eben wegen des Auf-
cinanderdrängcns in höchstem Grade vernachlässigt ward, hat uns den Theaterbesuch
beinahe verekelt, hat ein geregeltes Repertoire ganz unmöglich gemacht; Spätherbst und
Winter werden die Delictc des Sommers bitter strafen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/534>, abgerufen am 07.05.2024.