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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Die deutschen Republikaner.



Zwei Umstände sind es, die das Aufkommen einer republikanischen Partei in
Deutschland erklärlich machen. Einmal war es die jüngste französische Revolution,
die der deutschen Bewegung den ersten Impuls gab, und es war natürlich, daß
die Form, in der jene sich entwickelt hatte, den Aufgeregten in Deutschland eben¬
falls als Ideal vorschwebte. Die Parteien sind nur zu geneigt, sich an Stichworte
zu halten, und es liegt in der Natur eines mächtigen Aufschwunges, von den
zeitlichen und geschichtlichen Bedingungen eines Begriffs abzusehen und die Fahne
einer bloßen Abstraction zu entleihen. Republik ist ein bestimmtes Wort, an wel¬
ches man beliebige Wünsche und Hoffnungen anknüpfen kann; man vergißt gar
leicht, daß es in dieser Abstraction noch ziemlich inhaltlos ist, daß es seinen In¬
halt nirgend anders empfängt, als aus deu gegebenen Zuständen.

Das Bild der nordamerikanischen Freistaaten nud die Schulreminiscenzen aus
Plutarch, Cicero und Livius, getaucht in die glühenden Farben eines Rousseau,
gaben der Republik in den Herzen der Männer, welche die Geschicke Frankreichs
in der ersten Revolution leiteten, eine bestimmte Form. In der wirklichen Ent¬
wickelung gestaltete sich diese Form anders; der Terrorismus der Freiheit, der in
den ausschweifenden Abstractionen eines Marat und Robespierre trotz der blutigen
Energie, mit der diese Männer ihre Ideale in Realität übersetzten, sich zu einem
festen Zustand zu krystallisiren durchaus ungeeignet war, fand seinen lebendigen Aus¬
druck erst in der Propaganda der Bajonette und der Kanonen, und als der Erbe
der Revolution auf seiue Stirne die Kaiserkrone drückte, war das zwar ein Ver¬
rath an der Freiheit, aber nicht an der K^iulili^ne ^n^ise, denn die eigent¬
liche positive Idee dieser Republik, die Unterwerfung der "Barbaren" -- ein
französischer Ausdruck, der gleich dem griechischen mit "Fremden" synonym war --
führte er in weit kolossalerem Maßstabe dnrch, als seine jacobinischen Vorgänger.

Für die neufranzösischen Republikaner hatte nnn das Wort Republik eine sehr
bestimmte Gestalt. Republik hieß die Herrschaft des militärischen Geistes, der
jedem tüchtigen Mann aus allen Ständen ein schnelles und glänzendes Ziel des
Ehrgeizes vor die Augen stellte und der "großen Nation" die Weltherrschaft ver¬
hieß. Die Siege an den Pyramiden, in den andalusischen Gebirgen, in Italien,


Die deutschen Republikaner.



Zwei Umstände sind es, die das Aufkommen einer republikanischen Partei in
Deutschland erklärlich machen. Einmal war es die jüngste französische Revolution,
die der deutschen Bewegung den ersten Impuls gab, und es war natürlich, daß
die Form, in der jene sich entwickelt hatte, den Aufgeregten in Deutschland eben¬
falls als Ideal vorschwebte. Die Parteien sind nur zu geneigt, sich an Stichworte
zu halten, und es liegt in der Natur eines mächtigen Aufschwunges, von den
zeitlichen und geschichtlichen Bedingungen eines Begriffs abzusehen und die Fahne
einer bloßen Abstraction zu entleihen. Republik ist ein bestimmtes Wort, an wel¬
ches man beliebige Wünsche und Hoffnungen anknüpfen kann; man vergißt gar
leicht, daß es in dieser Abstraction noch ziemlich inhaltlos ist, daß es seinen In¬
halt nirgend anders empfängt, als aus deu gegebenen Zuständen.

Das Bild der nordamerikanischen Freistaaten nud die Schulreminiscenzen aus
Plutarch, Cicero und Livius, getaucht in die glühenden Farben eines Rousseau,
gaben der Republik in den Herzen der Männer, welche die Geschicke Frankreichs
in der ersten Revolution leiteten, eine bestimmte Form. In der wirklichen Ent¬
wickelung gestaltete sich diese Form anders; der Terrorismus der Freiheit, der in
den ausschweifenden Abstractionen eines Marat und Robespierre trotz der blutigen
Energie, mit der diese Männer ihre Ideale in Realität übersetzten, sich zu einem
festen Zustand zu krystallisiren durchaus ungeeignet war, fand seinen lebendigen Aus¬
druck erst in der Propaganda der Bajonette und der Kanonen, und als der Erbe
der Revolution auf seiue Stirne die Kaiserkrone drückte, war das zwar ein Ver¬
rath an der Freiheit, aber nicht an der K^iulili^ne ^n^ise, denn die eigent¬
liche positive Idee dieser Republik, die Unterwerfung der „Barbaren" — ein
französischer Ausdruck, der gleich dem griechischen mit „Fremden" synonym war —
führte er in weit kolossalerem Maßstabe dnrch, als seine jacobinischen Vorgänger.

Für die neufranzösischen Republikaner hatte nnn das Wort Republik eine sehr
bestimmte Gestalt. Republik hieß die Herrschaft des militärischen Geistes, der
jedem tüchtigen Mann aus allen Ständen ein schnelles und glänzendes Ziel des
Ehrgeizes vor die Augen stellte und der „großen Nation" die Weltherrschaft ver¬
hieß. Die Siege an den Pyramiden, in den andalusischen Gebirgen, in Italien,


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[0134] Die deutschen Republikaner. Zwei Umstände sind es, die das Aufkommen einer republikanischen Partei in Deutschland erklärlich machen. Einmal war es die jüngste französische Revolution, die der deutschen Bewegung den ersten Impuls gab, und es war natürlich, daß die Form, in der jene sich entwickelt hatte, den Aufgeregten in Deutschland eben¬ falls als Ideal vorschwebte. Die Parteien sind nur zu geneigt, sich an Stichworte zu halten, und es liegt in der Natur eines mächtigen Aufschwunges, von den zeitlichen und geschichtlichen Bedingungen eines Begriffs abzusehen und die Fahne einer bloßen Abstraction zu entleihen. Republik ist ein bestimmtes Wort, an wel¬ ches man beliebige Wünsche und Hoffnungen anknüpfen kann; man vergißt gar leicht, daß es in dieser Abstraction noch ziemlich inhaltlos ist, daß es seinen In¬ halt nirgend anders empfängt, als aus deu gegebenen Zuständen. Das Bild der nordamerikanischen Freistaaten nud die Schulreminiscenzen aus Plutarch, Cicero und Livius, getaucht in die glühenden Farben eines Rousseau, gaben der Republik in den Herzen der Männer, welche die Geschicke Frankreichs in der ersten Revolution leiteten, eine bestimmte Form. In der wirklichen Ent¬ wickelung gestaltete sich diese Form anders; der Terrorismus der Freiheit, der in den ausschweifenden Abstractionen eines Marat und Robespierre trotz der blutigen Energie, mit der diese Männer ihre Ideale in Realität übersetzten, sich zu einem festen Zustand zu krystallisiren durchaus ungeeignet war, fand seinen lebendigen Aus¬ druck erst in der Propaganda der Bajonette und der Kanonen, und als der Erbe der Revolution auf seiue Stirne die Kaiserkrone drückte, war das zwar ein Ver¬ rath an der Freiheit, aber nicht an der K^iulili^ne ^n^ise, denn die eigent¬ liche positive Idee dieser Republik, die Unterwerfung der „Barbaren" — ein französischer Ausdruck, der gleich dem griechischen mit „Fremden" synonym war — führte er in weit kolossalerem Maßstabe dnrch, als seine jacobinischen Vorgänger. Für die neufranzösischen Republikaner hatte nnn das Wort Republik eine sehr bestimmte Gestalt. Republik hieß die Herrschaft des militärischen Geistes, der jedem tüchtigen Mann aus allen Ständen ein schnelles und glänzendes Ziel des Ehrgeizes vor die Augen stellte und der „großen Nation" die Weltherrschaft ver¬ hieß. Die Siege an den Pyramiden, in den andalusischen Gebirgen, in Italien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/134>, abgerufen am 06.05.2024.