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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Äus Nerii".
gindicolc Politik und c>"uvcr"cum>decke Stilistik.

Daß auch das Ministerium Camphausen nichts als eine Uebergangsphase bildet,
ist jetzt so ziemlich aller Welt klar geworden. Wir waren früher geneigt, die Schuld
aller der halben und zweideutigen Maßregel", in denen das alt-legitime preußische
Schaukelsystem fortgesetzt wurde, den beiden Herren v. Auerswald und v. Schwerin
in die Schuhe zu schieben, über deren politische Befähigung man schon vor ihrer Be¬
rufung zum Ministerium lauge im Reinen war. Es geht aber unter dem ehrenwerthen
rheinischen Bürgersmann den alten Weg. Es wird uns, die wir sür Ordnung und
Gesetz, für Preußens Ehre und Macht mit Gut und Blut zu wirken bereit sind, herz,
lich sauer gemacht und es hat oft deu Anschein, als ob das Gouvernement absichtlich
dem Radikalismus in die Hände arbeite. Wir werden darum nicht aufhören, das
Ministerium zu stützen, so lauge uus kein besseres in Aussicht steht, aber mit welchem
Herzen das geschieht, mögen Sie selber beurtheilen.

Die Gefahr, die dem Staate vor einigen Wochen drohte, jene Monster-Demon¬
stration zu Gunsten der directen Wahlen, war glücklich abgewendet. Die im politischen
Club vereinigte radikale Partei, die bei aller Befähigung ihrer Führer im Ganzen nur
die alte Berliner Gaminwirthschast fortsetzt und aus dem Princip herumreitet, so un¬
gezogen als möglich zu sein, wo auch die Veranlassung herkommen möge, hatte sich
gänzlich discreditirt, theils durch ihre inhaltlosen Wühlereien, theils durch das t>'Lti-
mo"inen z,imm"!i'tut.i5>, welches das Mißverhältniß zwischen dem beabsichtigten und dem
wirklich unternommenen Zug ihrem Einfluß ausstellte. Kaum athmet man dann auf, so
beeilt sich unsere weise Regierung, einen neuen Zündstoff in's Volk zu werfen; sie er¬
sucht Se- Majestät, deu vielgeliebten Prinzen von Preußen, den er in den wichtigsten
Geschäften nach London gesandt, behufs der Vereinbarung über die neue preußische
Ständeversammliiug wieder zurückzurufen.

Wir theilen weder den Ingrimm gegen den edlen Prinzen, noch die Furcht vor
ihm; er ist der echte Sohn seines Vaters, d.h. der Erbe einer vergangenen Zeit: el"
braver Soldat, rechtschaffener Mann, guter Familienvater n. s. w. Er hat seine Pflicht
als Commandi'rendcr gethan, wie auch der Unteroffizier die seinige thut, er ist aber
ein Mann von Ehre und Gewissen, und sobald er sich formell der neuen Verfassung
gefügt hätte, so wäre seine Persönlichkeit eine viel höhere Bürgschaft für den Fort¬
bestand derselben gewesen, als die unsers Königs selbst, abgesehen davon, daß sein
Einfluß beim Militär auch die aufrichtige Mitwirkung dieser doch immer nicht zu ver¬
achtenden Volksklasse außer Frage gestellt hätte.

Allein unsere, neue Verfassung bedarf solcher Bürgschaften nicht; der einmal er¬
wachte, frei gewordene Volkswillc würde sich weder durch offene Reaction, noch durch
Intriguen zurückdrängen lassen. Nöthig war also die Ankunft des Prinzen zu Fest.


Grcnzbott". II. l"4". 36
Äus Nerii».
gindicolc Politik und c>»uvcr»cum>decke Stilistik.

Daß auch das Ministerium Camphausen nichts als eine Uebergangsphase bildet,
ist jetzt so ziemlich aller Welt klar geworden. Wir waren früher geneigt, die Schuld
aller der halben und zweideutigen Maßregel», in denen das alt-legitime preußische
Schaukelsystem fortgesetzt wurde, den beiden Herren v. Auerswald und v. Schwerin
in die Schuhe zu schieben, über deren politische Befähigung man schon vor ihrer Be¬
rufung zum Ministerium lauge im Reinen war. Es geht aber unter dem ehrenwerthen
rheinischen Bürgersmann den alten Weg. Es wird uns, die wir sür Ordnung und
Gesetz, für Preußens Ehre und Macht mit Gut und Blut zu wirken bereit sind, herz,
lich sauer gemacht und es hat oft deu Anschein, als ob das Gouvernement absichtlich
dem Radikalismus in die Hände arbeite. Wir werden darum nicht aufhören, das
Ministerium zu stützen, so lauge uus kein besseres in Aussicht steht, aber mit welchem
Herzen das geschieht, mögen Sie selber beurtheilen.

Die Gefahr, die dem Staate vor einigen Wochen drohte, jene Monster-Demon¬
stration zu Gunsten der directen Wahlen, war glücklich abgewendet. Die im politischen
Club vereinigte radikale Partei, die bei aller Befähigung ihrer Führer im Ganzen nur
die alte Berliner Gaminwirthschast fortsetzt und aus dem Princip herumreitet, so un¬
gezogen als möglich zu sein, wo auch die Veranlassung herkommen möge, hatte sich
gänzlich discreditirt, theils durch ihre inhaltlosen Wühlereien, theils durch das t>'Lti-
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wirklich unternommenen Zug ihrem Einfluß ausstellte. Kaum athmet man dann auf, so
beeilt sich unsere weise Regierung, einen neuen Zündstoff in's Volk zu werfen; sie er¬
sucht Se- Majestät, deu vielgeliebten Prinzen von Preußen, den er in den wichtigsten
Geschäften nach London gesandt, behufs der Vereinbarung über die neue preußische
Ständeversammliiug wieder zurückzurufen.

Wir theilen weder den Ingrimm gegen den edlen Prinzen, noch die Furcht vor
ihm; er ist der echte Sohn seines Vaters, d.h. der Erbe einer vergangenen Zeit: el»
braver Soldat, rechtschaffener Mann, guter Familienvater n. s. w. Er hat seine Pflicht
als Commandi'rendcr gethan, wie auch der Unteroffizier die seinige thut, er ist aber
ein Mann von Ehre und Gewissen, und sobald er sich formell der neuen Verfassung
gefügt hätte, so wäre seine Persönlichkeit eine viel höhere Bürgschaft für den Fort¬
bestand derselben gewesen, als die unsers Königs selbst, abgesehen davon, daß sein
Einfluß beim Militär auch die aufrichtige Mitwirkung dieser doch immer nicht zu ver¬
achtenden Volksklasse außer Frage gestellt hätte.

Allein unsere, neue Verfassung bedarf solcher Bürgschaften nicht; der einmal er¬
wachte, frei gewordene Volkswillc würde sich weder durch offene Reaction, noch durch
Intriguen zurückdrängen lassen. Nöthig war also die Ankunft des Prinzen zu Fest.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/283>, abgerufen am 05.05.2024.