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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn.



, I

Für Siebenbürgen sollten die letzten Tage des Mai von einer Wichtigkeit
werden, wie sie dies für kein anderes Land des östreichischen Kaiserthums gewesen
sind. Es sollte nämlich der siebenbürgische Landtag über die Frage entschei¬
den: ob Siebenbürgen sich mit Ungarn vereinigen solle oder nicht? ob in
Siebenbürgen fortan der magyarisch - deutsche Einfluß die Oberhand behalten
solle, oder der walachische und was daraus folgen konnte. Zwar hätte Sie¬
benbürgen bei seinem großen Reichthum an Naturerzeugnissen und der leichten
Vertheidigung seiner Grenzen auch fernerhin von Ungarn getrennt dastehen kön¬
nen -- in sich trägt es dazu die Möglichkeit -- wenn nicht die bisher politisch
berechtigten Ungarn, Szekler und Sachsen von den ans keinem der frühern Land¬
tage vertretenen Walachen hätten erdrückt zu werden gedroht. Denn die Walachen,
die Mehrheit der siebenbürgischen Bevölkerung, bekamen durch die Volksvertretung,
die über kurz oder lang eingeführt werden mußte, auf dem Landtage ein Ueber¬
gewicht, das den übrigen Völkern gewiß nicht zum Heil gereicht haben würde.
War doch in diesem Falle die schönste Aussicht da zu einem Reiche Dacier! Die
Donaufürstenthümer wollten sich aus freien Stücken bei der ersten Gelegenheit
an Oestreich anschließen, sie wollten sich unter östreichischer Scheinherrschaft enger
mit Siebenbürgen vereinigen: wer vermochte die Walachen dann, wenn sie überall
die Herrschaft in Händen hatten, zu hindern, sich ein Reich zu schaffen, das von
der Theiß bis zum Dniester, von den Nordkarpathen bis zur Donau -- das
alte Dacier -- reichen sollte, das vor der Hand sich zwar einen östreichischen
Prinzen zum Oberhaupt erkoren, aber nie Oestreichs Interessen und am aller¬
wenigsten jene Deutschlands verfolgt hätte. Ihr Element sollte in dem neuen
Reiche allein herrschen -- Magyaren und Sachsen wären nur kurze Zeit geduldet
worden die reichen Goldadern Siebenbürgens sollten für ihre Zwecke fließen
und auf den Fluthen der Donau ihre Stimme Befehle ertheilen. Und hätte
Oestreich, hätte Deutschland sich dem-Allen widersetzt, so konnte sich immer noch
irgend eine Großmacht zur Beschützerin des neuen Reichs aufwerfen; England und
Frankreich hatten schon längst ihr Augenmerk "uf jene Gegend gerichtet. War dies
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Die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn.



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Für Siebenbürgen sollten die letzten Tage des Mai von einer Wichtigkeit
werden, wie sie dies für kein anderes Land des östreichischen Kaiserthums gewesen
sind. Es sollte nämlich der siebenbürgische Landtag über die Frage entschei¬
den: ob Siebenbürgen sich mit Ungarn vereinigen solle oder nicht? ob in
Siebenbürgen fortan der magyarisch - deutsche Einfluß die Oberhand behalten
solle, oder der walachische und was daraus folgen konnte. Zwar hätte Sie¬
benbürgen bei seinem großen Reichthum an Naturerzeugnissen und der leichten
Vertheidigung seiner Grenzen auch fernerhin von Ungarn getrennt dastehen kön¬
nen — in sich trägt es dazu die Möglichkeit — wenn nicht die bisher politisch
berechtigten Ungarn, Szekler und Sachsen von den ans keinem der frühern Land¬
tage vertretenen Walachen hätten erdrückt zu werden gedroht. Denn die Walachen,
die Mehrheit der siebenbürgischen Bevölkerung, bekamen durch die Volksvertretung,
die über kurz oder lang eingeführt werden mußte, auf dem Landtage ein Ueber¬
gewicht, das den übrigen Völkern gewiß nicht zum Heil gereicht haben würde.
War doch in diesem Falle die schönste Aussicht da zu einem Reiche Dacier! Die
Donaufürstenthümer wollten sich aus freien Stücken bei der ersten Gelegenheit
an Oestreich anschließen, sie wollten sich unter östreichischer Scheinherrschaft enger
mit Siebenbürgen vereinigen: wer vermochte die Walachen dann, wenn sie überall
die Herrschaft in Händen hatten, zu hindern, sich ein Reich zu schaffen, das von
der Theiß bis zum Dniester, von den Nordkarpathen bis zur Donau — das
alte Dacier — reichen sollte, das vor der Hand sich zwar einen östreichischen
Prinzen zum Oberhaupt erkoren, aber nie Oestreichs Interessen und am aller¬
wenigsten jene Deutschlands verfolgt hätte. Ihr Element sollte in dem neuen
Reiche allein herrschen — Magyaren und Sachsen wären nur kurze Zeit geduldet
worden die reichen Goldadern Siebenbürgens sollten für ihre Zwecke fließen
und auf den Fluthen der Donau ihre Stimme Befehle ertheilen. Und hätte
Oestreich, hätte Deutschland sich dem-Allen widersetzt, so konnte sich immer noch
irgend eine Großmacht zur Beschützerin des neuen Reichs aufwerfen; England und
Frankreich hatten schon längst ihr Augenmerk «uf jene Gegend gerichtet. War dies
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[0309] Die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn. , I Für Siebenbürgen sollten die letzten Tage des Mai von einer Wichtigkeit werden, wie sie dies für kein anderes Land des östreichischen Kaiserthums gewesen sind. Es sollte nämlich der siebenbürgische Landtag über die Frage entschei¬ den: ob Siebenbürgen sich mit Ungarn vereinigen solle oder nicht? ob in Siebenbürgen fortan der magyarisch - deutsche Einfluß die Oberhand behalten solle, oder der walachische und was daraus folgen konnte. Zwar hätte Sie¬ benbürgen bei seinem großen Reichthum an Naturerzeugnissen und der leichten Vertheidigung seiner Grenzen auch fernerhin von Ungarn getrennt dastehen kön¬ nen — in sich trägt es dazu die Möglichkeit — wenn nicht die bisher politisch berechtigten Ungarn, Szekler und Sachsen von den ans keinem der frühern Land¬ tage vertretenen Walachen hätten erdrückt zu werden gedroht. Denn die Walachen, die Mehrheit der siebenbürgischen Bevölkerung, bekamen durch die Volksvertretung, die über kurz oder lang eingeführt werden mußte, auf dem Landtage ein Ueber¬ gewicht, das den übrigen Völkern gewiß nicht zum Heil gereicht haben würde. War doch in diesem Falle die schönste Aussicht da zu einem Reiche Dacier! Die Donaufürstenthümer wollten sich aus freien Stücken bei der ersten Gelegenheit an Oestreich anschließen, sie wollten sich unter östreichischer Scheinherrschaft enger mit Siebenbürgen vereinigen: wer vermochte die Walachen dann, wenn sie überall die Herrschaft in Händen hatten, zu hindern, sich ein Reich zu schaffen, das von der Theiß bis zum Dniester, von den Nordkarpathen bis zur Donau — das alte Dacier — reichen sollte, das vor der Hand sich zwar einen östreichischen Prinzen zum Oberhaupt erkoren, aber nie Oestreichs Interessen und am aller¬ wenigsten jene Deutschlands verfolgt hätte. Ihr Element sollte in dem neuen Reiche allein herrschen — Magyaren und Sachsen wären nur kurze Zeit geduldet worden die reichen Goldadern Siebenbürgens sollten für ihre Zwecke fließen und auf den Fluthen der Donau ihre Stimme Befehle ertheilen. Und hätte Oestreich, hätte Deutschland sich dem-Allen widersetzt, so konnte sich immer noch irgend eine Großmacht zur Beschützerin des neuen Reichs aufwerfen; England und Frankreich hatten schon längst ihr Augenmerk «uf jene Gegend gerichtet. War dies ^»»^ <--«°,b°t-n. in.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/309>, abgerufen am 05.05.2024.