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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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und Nichtsthun zum System erheben. Cousequcut war das mindestens, und prak-
tisch dazu, denn aus diese Weise präjudicirte man sich jedenfalls am Wenigsten.

Die Kammer verwarf zwar diesen Antrag mit 25 gegen 19 Stimmen , aber
sie brachte ihn gleichwohl auf anderen Wege zur Verwirklichung, indem sie alle
Anträge ablehnte und Nichts beschloß. ES war ein schmerzlicher Eindruck, der
die zahlreich besetzten Galleneu durchzuckte, als der Präsident dieses negative Er¬
gebniß der Abstimmung verkündigte. Der deutsche Bundesstaat war um eine
Hvffmmg ärmer, die Geschichte der deutschen Volksvertretung um eine traurige
Erfahrung reicher geworden. Aber um den Mund des Kramcrmcisters Poppe
spielte das gewöhnliche höhnische Lächeln, der Minister v. Beust konnte nur mit
Mühe seiue Freude verbergen, und Joseph erklärte diesen Tag für einen der
glücklichsten seines Lebens.

Das waren die Verhandlungen der ersten sächsischen Kammer von 1850 über
die deutsche Frage!




Das Parlament der deutschen Union und die Liga.



Die Parlamentshäuser zu Erfurt haben sich constituirt, die Geschäftsordnung
ist vorläufig angenommen, die Abtheilungen prüfen die Vollmachten der Mitglie¬
der, die Botschaften des Verwaltungsrathes sind dem Parlament mitgetheilt und
die Commissionen für dieselben werden gebildet. Unter den Männern aber, welche
dort versammelt sind, zeigt sich neben der ernsten Empfindung, daß ihre Thätig¬
keit verhängnißvoll für Deutschland ist, auch frischer Muth und das fröhliche
Vertrauen, welches durch ein politisches Zusammenleben bedeutender Kräfte her¬
vorgebracht wird. Der energische Wille, welcher sich jetzt im Gebiet der Union
zeigt, hat die entsprechende negative Spannung in den Ländern der Liga hervor¬
gerufen, das Bündnis; der drei Königreiche, ein schlaues Verspreche" des Bei¬
tritts vou Oestreich, die Thronrede des Königs von Würtemberg.

Ueber das Bündnis; der drei Königreiche ist in allen Zeitungen unserer Par¬
tei so Vieles und Gutes gesagt worden, daß wenig Neues beizubringen sein
dürste. Es erschien in der Form eines Protokolls, welches die Grundzüge ei¬
ner neuen Föderation Deutschlands enthält, eiuer unvollständigen, unpraktischen
und -- wie die Sachen jetzt stehen -- unausführbaren Föderation. Eine Bun¬
desregierung aus sieben Mitgliedern (Oestreich, Preußen, Baiern, Sachsen, Han¬
nover, Würtemberg, die beiden größern Hessen") welche an Instructionen ihrer



*) Baden nicht und die Mcktcnvingcr nicht.

und Nichtsthun zum System erheben. Cousequcut war das mindestens, und prak-
tisch dazu, denn aus diese Weise präjudicirte man sich jedenfalls am Wenigsten.

Die Kammer verwarf zwar diesen Antrag mit 25 gegen 19 Stimmen , aber
sie brachte ihn gleichwohl auf anderen Wege zur Verwirklichung, indem sie alle
Anträge ablehnte und Nichts beschloß. ES war ein schmerzlicher Eindruck, der
die zahlreich besetzten Galleneu durchzuckte, als der Präsident dieses negative Er¬
gebniß der Abstimmung verkündigte. Der deutsche Bundesstaat war um eine
Hvffmmg ärmer, die Geschichte der deutschen Volksvertretung um eine traurige
Erfahrung reicher geworden. Aber um den Mund des Kramcrmcisters Poppe
spielte das gewöhnliche höhnische Lächeln, der Minister v. Beust konnte nur mit
Mühe seiue Freude verbergen, und Joseph erklärte diesen Tag für einen der
glücklichsten seines Lebens.

Das waren die Verhandlungen der ersten sächsischen Kammer von 1850 über
die deutsche Frage!




Das Parlament der deutschen Union und die Liga.



Die Parlamentshäuser zu Erfurt haben sich constituirt, die Geschäftsordnung
ist vorläufig angenommen, die Abtheilungen prüfen die Vollmachten der Mitglie¬
der, die Botschaften des Verwaltungsrathes sind dem Parlament mitgetheilt und
die Commissionen für dieselben werden gebildet. Unter den Männern aber, welche
dort versammelt sind, zeigt sich neben der ernsten Empfindung, daß ihre Thätig¬
keit verhängnißvoll für Deutschland ist, auch frischer Muth und das fröhliche
Vertrauen, welches durch ein politisches Zusammenleben bedeutender Kräfte her¬
vorgebracht wird. Der energische Wille, welcher sich jetzt im Gebiet der Union
zeigt, hat die entsprechende negative Spannung in den Ländern der Liga hervor¬
gerufen, das Bündnis; der drei Königreiche, ein schlaues Verspreche» des Bei¬
tritts vou Oestreich, die Thronrede des Königs von Würtemberg.

Ueber das Bündnis; der drei Königreiche ist in allen Zeitungen unserer Par¬
tei so Vieles und Gutes gesagt worden, daß wenig Neues beizubringen sein
dürste. Es erschien in der Form eines Protokolls, welches die Grundzüge ei¬
ner neuen Föderation Deutschlands enthält, eiuer unvollständigen, unpraktischen
und — wie die Sachen jetzt stehen — unausführbaren Föderation. Eine Bun¬
desregierung aus sieben Mitgliedern (Oestreich, Preußen, Baiern, Sachsen, Han¬
nover, Würtemberg, die beiden größern Hessen") welche an Instructionen ihrer



*) Baden nicht und die Mcktcnvingcr nicht.
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[0021] und Nichtsthun zum System erheben. Cousequcut war das mindestens, und prak- tisch dazu, denn aus diese Weise präjudicirte man sich jedenfalls am Wenigsten. Die Kammer verwarf zwar diesen Antrag mit 25 gegen 19 Stimmen , aber sie brachte ihn gleichwohl auf anderen Wege zur Verwirklichung, indem sie alle Anträge ablehnte und Nichts beschloß. ES war ein schmerzlicher Eindruck, der die zahlreich besetzten Galleneu durchzuckte, als der Präsident dieses negative Er¬ gebniß der Abstimmung verkündigte. Der deutsche Bundesstaat war um eine Hvffmmg ärmer, die Geschichte der deutschen Volksvertretung um eine traurige Erfahrung reicher geworden. Aber um den Mund des Kramcrmcisters Poppe spielte das gewöhnliche höhnische Lächeln, der Minister v. Beust konnte nur mit Mühe seiue Freude verbergen, und Joseph erklärte diesen Tag für einen der glücklichsten seines Lebens. Das waren die Verhandlungen der ersten sächsischen Kammer von 1850 über die deutsche Frage! Das Parlament der deutschen Union und die Liga. Die Parlamentshäuser zu Erfurt haben sich constituirt, die Geschäftsordnung ist vorläufig angenommen, die Abtheilungen prüfen die Vollmachten der Mitglie¬ der, die Botschaften des Verwaltungsrathes sind dem Parlament mitgetheilt und die Commissionen für dieselben werden gebildet. Unter den Männern aber, welche dort versammelt sind, zeigt sich neben der ernsten Empfindung, daß ihre Thätig¬ keit verhängnißvoll für Deutschland ist, auch frischer Muth und das fröhliche Vertrauen, welches durch ein politisches Zusammenleben bedeutender Kräfte her¬ vorgebracht wird. Der energische Wille, welcher sich jetzt im Gebiet der Union zeigt, hat die entsprechende negative Spannung in den Ländern der Liga hervor¬ gerufen, das Bündnis; der drei Königreiche, ein schlaues Verspreche» des Bei¬ tritts vou Oestreich, die Thronrede des Königs von Würtemberg. Ueber das Bündnis; der drei Königreiche ist in allen Zeitungen unserer Par¬ tei so Vieles und Gutes gesagt worden, daß wenig Neues beizubringen sein dürste. Es erschien in der Form eines Protokolls, welches die Grundzüge ei¬ ner neuen Föderation Deutschlands enthält, eiuer unvollständigen, unpraktischen und — wie die Sachen jetzt stehen — unausführbaren Föderation. Eine Bun¬ desregierung aus sieben Mitgliedern (Oestreich, Preußen, Baiern, Sachsen, Han¬ nover, Würtemberg, die beiden größern Hessen") welche an Instructionen ihrer *) Baden nicht und die Mcktcnvingcr nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/21>, abgerufen am 06.05.2024.