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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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aus unserer Schmach! Wer ist in jenen unheilvollen Tage" nicht fortgerissen
worden von dem Strom der Menschen bis z" den Thoren des zerstörten Neuilly,
des verwüsteten Palais Royal, der Tiiilerie", die von der denkende" Vandalen-
horde entweiht wurden; wer hat nicht vergebens gestrebt, sich diesem Strom zu
entreißen, und an einem einsamen Ort über die Vergänglichkeit der Dinge zu
träumen. Weg mit euern Theatcrlumpeu! hier sahen wir die schmutzigste" Lum¬
pen den Thron des edelsten Königs schänden, Auf den schönsten Denkmälern
der Geschichte ließen diese Harpye" die häßlichen Spuren ihres Zornes, ihrer
Unwissenheit, ihrer Laster! Das ganze Hospital, namenlose Krankheiten nud
qualificirter Ehebruch waren losgelassen in dein Palast der Könige, und man sah
das ehrwürdige Bett der Königin dnrch diese betrunkenen Furien geschändet. Was
wollt ihr, diesen Gräuel" gegenüber, in denen sich das Verbrechen mit dein Ekel
mischt, mit euern armseligen Theatererfindungen! -- Laßt dieses ekelhafte, grau¬
sige Schauspiel dem Hospital und dem Zuchthaus; die Kunst soll uns erheben
und erheitern, nicht uns krank machen." -- So geht es fort in einer Schilde¬
rung, die, mit dem ganz richtigen Grundsatz, das absolut Häßliche und der An¬
griff aus Personen soll von der Bühne verbannt sein, eine Schilderung verbindet,
die Eugen Sue's Phantasie weit hinter sich läßt.

Aber wie hat sich die Sprache seit zwei Jahre" geändert! Das sind jetzt
die Ausdrücke, die man von der "glorreichen Nevvllttron", von den ,,Heldenthaten
deS Februar" gebraucht. -- Noch ist der Kreislauf nicht vollendet.




Studien zur Geschichte der französischen NomantiV.
Jules Michelet.

Der große Einfluß, den die romantische Richtung unsers Jahrhunderts auch
auf die Geschichtschreibung ausgeübt hat, wird bei uns Deutschen am wenigste"
verkannt werde". Die Erfindungen der Schlegel, der Schelling, der Görres ?c.



*) Geb. 1798 zu Paris, Sohn eines Buchdruckers, der dnrch die Edicte der Kaiserzeit
ruinirt war, im Anfang Lehrbursche im Geschäft seines Natcrö, dann unter viel Sorgen
und Noth im College de Charlemagne unterrichtet, wo namentlich Nillemain einen bedeu-
tenden Einfluß ans ihn ausübte. Bom Jahre 1821 an behandelte er an verschiedenen Unter-
richtsanstalten, besonders am College Rollin, abwechselnd die historischen, philologischen und
philosophischen Disciplinen. Im I. 1827 wurde er in Folge zweier Werke: 1'rum-.i,"o" M> in
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Akademie und Professor der Geschichte am College de France. ES folgten die geschichtSpbilo-
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aus unserer Schmach! Wer ist in jenen unheilvollen Tage» nicht fortgerissen
worden von dem Strom der Menschen bis z» den Thoren des zerstörten Neuilly,
des verwüsteten Palais Royal, der Tiiilerie», die von der denkende» Vandalen-
horde entweiht wurden; wer hat nicht vergebens gestrebt, sich diesem Strom zu
entreißen, und an einem einsamen Ort über die Vergänglichkeit der Dinge zu
träumen. Weg mit euern Theatcrlumpeu! hier sahen wir die schmutzigste» Lum¬
pen den Thron des edelsten Königs schänden, Auf den schönsten Denkmälern
der Geschichte ließen diese Harpye» die häßlichen Spuren ihres Zornes, ihrer
Unwissenheit, ihrer Laster! Das ganze Hospital, namenlose Krankheiten nud
qualificirter Ehebruch waren losgelassen in dein Palast der Könige, und man sah
das ehrwürdige Bett der Königin dnrch diese betrunkenen Furien geschändet. Was
wollt ihr, diesen Gräuel» gegenüber, in denen sich das Verbrechen mit dein Ekel
mischt, mit euern armseligen Theatererfindungen! — Laßt dieses ekelhafte, grau¬
sige Schauspiel dem Hospital und dem Zuchthaus; die Kunst soll uns erheben
und erheitern, nicht uns krank machen." — So geht es fort in einer Schilde¬
rung, die, mit dem ganz richtigen Grundsatz, das absolut Häßliche und der An¬
griff aus Personen soll von der Bühne verbannt sein, eine Schilderung verbindet,
die Eugen Sue's Phantasie weit hinter sich läßt.

Aber wie hat sich die Sprache seit zwei Jahre» geändert! Das sind jetzt
die Ausdrücke, die man von der „glorreichen Nevvllttron", von den ,,Heldenthaten
deS Februar" gebraucht. — Noch ist der Kreislauf nicht vollendet.




Studien zur Geschichte der französischen NomantiV.
Jules Michelet.

Der große Einfluß, den die romantische Richtung unsers Jahrhunderts auch
auf die Geschichtschreibung ausgeübt hat, wird bei uns Deutschen am wenigste»
verkannt werde». Die Erfindungen der Schlegel, der Schelling, der Görres ?c.



*) Geb. 1798 zu Paris, Sohn eines Buchdruckers, der dnrch die Edicte der Kaiserzeit
ruinirt war, im Anfang Lehrbursche im Geschäft seines Natcrö, dann unter viel Sorgen
und Noth im College de Charlemagne unterrichtet, wo namentlich Nillemain einen bedeu-
tenden Einfluß ans ihn ausübte. Bom Jahre 1821 an behandelte er an verschiedenen Unter-
richtsanstalten, besonders am College Rollin, abwechselnd die historischen, philologischen und
philosophischen Disciplinen. Im I. 1827 wurde er in Folge zweier Werke: 1'rum-.i,»o» M> in
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[0299] aus unserer Schmach! Wer ist in jenen unheilvollen Tage» nicht fortgerissen worden von dem Strom der Menschen bis z» den Thoren des zerstörten Neuilly, des verwüsteten Palais Royal, der Tiiilerie», die von der denkende» Vandalen- horde entweiht wurden; wer hat nicht vergebens gestrebt, sich diesem Strom zu entreißen, und an einem einsamen Ort über die Vergänglichkeit der Dinge zu träumen. Weg mit euern Theatcrlumpeu! hier sahen wir die schmutzigste» Lum¬ pen den Thron des edelsten Königs schänden, Auf den schönsten Denkmälern der Geschichte ließen diese Harpye» die häßlichen Spuren ihres Zornes, ihrer Unwissenheit, ihrer Laster! Das ganze Hospital, namenlose Krankheiten nud qualificirter Ehebruch waren losgelassen in dein Palast der Könige, und man sah das ehrwürdige Bett der Königin dnrch diese betrunkenen Furien geschändet. Was wollt ihr, diesen Gräuel» gegenüber, in denen sich das Verbrechen mit dein Ekel mischt, mit euern armseligen Theatererfindungen! — Laßt dieses ekelhafte, grau¬ sige Schauspiel dem Hospital und dem Zuchthaus; die Kunst soll uns erheben und erheitern, nicht uns krank machen." — So geht es fort in einer Schilde¬ rung, die, mit dem ganz richtigen Grundsatz, das absolut Häßliche und der An¬ griff aus Personen soll von der Bühne verbannt sein, eine Schilderung verbindet, die Eugen Sue's Phantasie weit hinter sich läßt. Aber wie hat sich die Sprache seit zwei Jahre» geändert! Das sind jetzt die Ausdrücke, die man von der „glorreichen Nevvllttron", von den ,,Heldenthaten deS Februar" gebraucht. — Noch ist der Kreislauf nicht vollendet. Studien zur Geschichte der französischen NomantiV. Jules Michelet. Der große Einfluß, den die romantische Richtung unsers Jahrhunderts auch auf die Geschichtschreibung ausgeübt hat, wird bei uns Deutschen am wenigste» verkannt werde». Die Erfindungen der Schlegel, der Schelling, der Görres ?c. *) Geb. 1798 zu Paris, Sohn eines Buchdruckers, der dnrch die Edicte der Kaiserzeit ruinirt war, im Anfang Lehrbursche im Geschäft seines Natcrö, dann unter viel Sorgen und Noth im College de Charlemagne unterrichtet, wo namentlich Nillemain einen bedeu- tenden Einfluß ans ihn ausübte. Bom Jahre 1821 an behandelte er an verschiedenen Unter- richtsanstalten, besonders am College Rollin, abwechselnd die historischen, philologischen und philosophischen Disciplinen. Im I. 1827 wurde er in Folge zweier Werke: 1'rum-.i,»o» M> in 1>>rio8»p>in in NnüloNl: l>'u>IuU,5 <!>'. !n !?>.!U'.n/,a k^>wo:i in ki'uuuN VN" und ni',:^ü no i'!>l5in>No moäei'iio, Professor an der Ecole normale; IN!!«» Guizot'S Supplcant, Mitglied der Akademie und Professor der Geschichte am College de France. ES folgten die geschichtSpbilo- sophischcn Werke: Wlrailm-Ma n !'i>i^tot>v >>»lo>'lo°!t!!I>>, 18;;l; >>!.^!!» M I1u>!>t>!i^; >1« l'uni^,' jnsciu'ä I» r«'!V»IuUon, 1833; VKovm's «»'»uvorUir« pr,»»»»'-» « I» iaiuill^ «lo» Jott,',-«» 183-1. 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/299>, abgerufen am 06.05.2024.