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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Geschichten aus Siebenbürgen.
Eine Familie zu Nagy Enyed.
0.

In den folgende" Tagen bewiesen zahlreiche Truppendurchzüge von Thorda
her, daß die Ungarn wirklich Klausenburg eingenommen hatten. General
Wardener bezog mit der Hauptmacht seines Corps Quartiere in Enyed, so das;
jetzt eine bedeutende Truppenmasse in der Stadt sich gesammelt hatte. Die
Einwohnerschaft betrachtete sie frohlockend als "die Vorboten der Ungarn, und
wenn auch keine öffentlichen Manifestationen kalte wurden, so konnte daS Militär
doch leicht die ungünstige Stimmung der Einwohner wahrnehmen, was ans die
Behandlung derselben von seiner Seite uicht ohne Einfluß war.

Unterdeß war der Neujahrstag herangekommen. Gegen Mittag verließ das
gesammte Militär die Stadt und trat seinen Marsch in die Festung KarlSburg
an. Bem hatte nämlich sein Corps getheilt, und eine Brigade unter Oberst
Czeez bis Thorda vorgeschoben, woraus der östreichische General den Schluß
ziehen mochte, der alte Feldherr werde selbst mit der Hauptmacht nachrücken.
Ich habe aber bereits erwähnt, daß Bem eine andere Direction einschlug. --
Diese Schutzlosigkeit der Stadt führte ihr Verderben herbei. Hätten die Oest¬
reicher eine Garnison in Cnyed gelassen, so würde der Ort wahrscheinlich heute
noch stehen; bald darauf -- leider zu spät -- erhielten einige Compagnien Hon-
vedS den. Befehl, die Stadt zu besetzen. --

Die Einwohner sahen dem Abzüge der Kaiserlichen mit stillem Jnbel.zu.
Kein Ruf der Freude ließ sich hören, es erhob sich keine Hand gegen einzelne
Nachzügler. Wenig Menschen waren ans den Straßen, während die Truppen
mit einförmigen Schritte, gesenkten Hauptes den Ort verließen. Den sächsischen
Nationalgarten sah das Volk ans den Fenstern mit spöttischem Wort und Mienen
nach. Die Armen froren entsetzlich. Waren sie doch nicht gewohnt, bei einer Kalte von
10--12 Graden mit Sack und Pack u"d Muskete meilenweit zu marschiren,
sie hätten es vorgezogen, in ungarischen Städten sich behaglich zu warmen, und
zahlreiche Frachtwagen mit wohlfeil gewonnenen Gütern nach Hanse zu senden.
Prvtestu ten doch später einmal diese Vaterlandsvertheidiger, als man ihnen zumuthete,
den Krieg wirklich mitzumachen, nämlich wie das reguläre Militär in die Schlacht
zu gehen. Auch ließen sich die sächsischen Nationalgarten -- ich meine nicht die
"Hmrahjäger" gewöhnlich vom östreichischen Militär dazu benutzen, dem Feinde
Verachtung zu beweisen, indem sie ihm ausdauernd den Rucke" zukehrten. Jene
"Hurrahjäger" zeigte" mehr Lust am Pulvcrgeruche, und wen" es auch uicht
wahr ist, was einmal der alte siebenbürger Bote sagte, daß diese "helden-
müthigen Sachseujungliuge" zur Elite der Puchner'schen Truppen gehörten, --


Grenzvotcn II. -52
Geschichten aus Siebenbürgen.
Eine Familie zu Nagy Enyed.
0.

In den folgende» Tagen bewiesen zahlreiche Truppendurchzüge von Thorda
her, daß die Ungarn wirklich Klausenburg eingenommen hatten. General
Wardener bezog mit der Hauptmacht seines Corps Quartiere in Enyed, so das;
jetzt eine bedeutende Truppenmasse in der Stadt sich gesammelt hatte. Die
Einwohnerschaft betrachtete sie frohlockend als „die Vorboten der Ungarn, und
wenn auch keine öffentlichen Manifestationen kalte wurden, so konnte daS Militär
doch leicht die ungünstige Stimmung der Einwohner wahrnehmen, was ans die
Behandlung derselben von seiner Seite uicht ohne Einfluß war.

Unterdeß war der Neujahrstag herangekommen. Gegen Mittag verließ das
gesammte Militär die Stadt und trat seinen Marsch in die Festung KarlSburg
an. Bem hatte nämlich sein Corps getheilt, und eine Brigade unter Oberst
Czeez bis Thorda vorgeschoben, woraus der östreichische General den Schluß
ziehen mochte, der alte Feldherr werde selbst mit der Hauptmacht nachrücken.
Ich habe aber bereits erwähnt, daß Bem eine andere Direction einschlug. —
Diese Schutzlosigkeit der Stadt führte ihr Verderben herbei. Hätten die Oest¬
reicher eine Garnison in Cnyed gelassen, so würde der Ort wahrscheinlich heute
noch stehen; bald darauf — leider zu spät — erhielten einige Compagnien Hon-
vedS den. Befehl, die Stadt zu besetzen. —

Die Einwohner sahen dem Abzüge der Kaiserlichen mit stillem Jnbel.zu.
Kein Ruf der Freude ließ sich hören, es erhob sich keine Hand gegen einzelne
Nachzügler. Wenig Menschen waren ans den Straßen, während die Truppen
mit einförmigen Schritte, gesenkten Hauptes den Ort verließen. Den sächsischen
Nationalgarten sah das Volk ans den Fenstern mit spöttischem Wort und Mienen
nach. Die Armen froren entsetzlich. Waren sie doch nicht gewohnt, bei einer Kalte von
10—12 Graden mit Sack und Pack u»d Muskete meilenweit zu marschiren,
sie hätten es vorgezogen, in ungarischen Städten sich behaglich zu warmen, und
zahlreiche Frachtwagen mit wohlfeil gewonnenen Gütern nach Hanse zu senden.
Prvtestu ten doch später einmal diese Vaterlandsvertheidiger, als man ihnen zumuthete,
den Krieg wirklich mitzumachen, nämlich wie das reguläre Militär in die Schlacht
zu gehen. Auch ließen sich die sächsischen Nationalgarten — ich meine nicht die
„Hmrahjäger" gewöhnlich vom östreichischen Militär dazu benutzen, dem Feinde
Verachtung zu beweisen, indem sie ihm ausdauernd den Rucke» zukehrten. Jene
„Hurrahjäger" zeigte» mehr Lust am Pulvcrgeruche, und wen» es auch uicht
wahr ist, was einmal der alte siebenbürger Bote sagte, daß diese „helden-
müthigen Sachseujungliuge" zur Elite der Puchner'schen Truppen gehörten, —


Grenzvotcn II. -52
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[0337] Geschichten aus Siebenbürgen. Eine Familie zu Nagy Enyed. 0. In den folgende» Tagen bewiesen zahlreiche Truppendurchzüge von Thorda her, daß die Ungarn wirklich Klausenburg eingenommen hatten. General Wardener bezog mit der Hauptmacht seines Corps Quartiere in Enyed, so das; jetzt eine bedeutende Truppenmasse in der Stadt sich gesammelt hatte. Die Einwohnerschaft betrachtete sie frohlockend als „die Vorboten der Ungarn, und wenn auch keine öffentlichen Manifestationen kalte wurden, so konnte daS Militär doch leicht die ungünstige Stimmung der Einwohner wahrnehmen, was ans die Behandlung derselben von seiner Seite uicht ohne Einfluß war. Unterdeß war der Neujahrstag herangekommen. Gegen Mittag verließ das gesammte Militär die Stadt und trat seinen Marsch in die Festung KarlSburg an. Bem hatte nämlich sein Corps getheilt, und eine Brigade unter Oberst Czeez bis Thorda vorgeschoben, woraus der östreichische General den Schluß ziehen mochte, der alte Feldherr werde selbst mit der Hauptmacht nachrücken. Ich habe aber bereits erwähnt, daß Bem eine andere Direction einschlug. — Diese Schutzlosigkeit der Stadt führte ihr Verderben herbei. Hätten die Oest¬ reicher eine Garnison in Cnyed gelassen, so würde der Ort wahrscheinlich heute noch stehen; bald darauf — leider zu spät — erhielten einige Compagnien Hon- vedS den. Befehl, die Stadt zu besetzen. — Die Einwohner sahen dem Abzüge der Kaiserlichen mit stillem Jnbel.zu. Kein Ruf der Freude ließ sich hören, es erhob sich keine Hand gegen einzelne Nachzügler. Wenig Menschen waren ans den Straßen, während die Truppen mit einförmigen Schritte, gesenkten Hauptes den Ort verließen. Den sächsischen Nationalgarten sah das Volk ans den Fenstern mit spöttischem Wort und Mienen nach. Die Armen froren entsetzlich. Waren sie doch nicht gewohnt, bei einer Kalte von 10—12 Graden mit Sack und Pack u»d Muskete meilenweit zu marschiren, sie hätten es vorgezogen, in ungarischen Städten sich behaglich zu warmen, und zahlreiche Frachtwagen mit wohlfeil gewonnenen Gütern nach Hanse zu senden. Prvtestu ten doch später einmal diese Vaterlandsvertheidiger, als man ihnen zumuthete, den Krieg wirklich mitzumachen, nämlich wie das reguläre Militär in die Schlacht zu gehen. Auch ließen sich die sächsischen Nationalgarten — ich meine nicht die „Hmrahjäger" gewöhnlich vom östreichischen Militär dazu benutzen, dem Feinde Verachtung zu beweisen, indem sie ihm ausdauernd den Rucke» zukehrten. Jene „Hurrahjäger" zeigte» mehr Lust am Pulvcrgeruche, und wen» es auch uicht wahr ist, was einmal der alte siebenbürger Bote sagte, daß diese „helden- müthigen Sachseujungliuge" zur Elite der Puchner'schen Truppen gehörten, — Grenzvotcn II. -52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/337>, abgerufen am 06.05.2024.