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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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die Aristokraten der Erdtaube ihre Rechte mit der Freiheit ihres Vaterlandes
verloren. Dabei verarmt, waren die Hochmütigsten oft genöthigt, sich mit der
Bureaukratie zu encanailliren, und man sah die ganze Menagerie der Greifen,
Löwen, Adler, Rinder u. s. w. in den Kanzleien jahrelang Schreiberdienste ver¬
richten!, um endlich an der Tafel, wo das Mark des Landes verpraßt wird,
Platz nehmen zu können.

Der ungarische Adel lebte dagegen frei auf seinen Gütern, und kam in die
Hauptstadt uur, um seine Renten in Pferden, Maitressen und Spielen zu ver¬
prassen, während der böhmische, steierische n. s. w. mitunter sogar etwas lernen
mnßre, um sich nur in anständiger Kleidung uuter deu Leuten zeigen zu könne".
Dabei zahlte selbst der hohe, reiche Adel Oestreichs Abgabe", mußte sich Polizei-,
Stempel- und Bureaukrateuschikaue gefallen lassen, worüber er vom Ungar ge¬
neckt wurde. Da entbrannte denn ein Haß auf Tod und Leben zwischen der
Aristokratie der knirsch enden Erdtaube und derjenigen Ungarns u. s. w.




Ans G a l i z i e n.



Die neuen Verordnungen über die Stellung der Kirche zum Staate haben
hier bei fast allen Parteien große Unzufriedenheit erregt.

Unsere Konservativen, fast insgesammt getreue Anhänger des alten Polizei¬
staates, die da glauben, daß das abstracte Ding, Staat genannt, ausschließlich
im Besitze aller Weisheit sei, und daß alle anderen Korporationen und Einzel-
personen mit ihrem beschränkten UnterthanSverstande durchaus nicht im Stande
sind einzusehen, was ihnen zuträglich ist, und nur großes Unheil anrichten, wenn
man sie frei gewähren läßt, find natürlich sehr übellaunig darüber, daß man da
ein schönes Stück Regierungsgewalt so mir nichts dir nichts aus den Händen
gegeben, und vollkommen überzeugt, daß die üblen Folgen nicht ausbleiben könne",
wenn künftig ans dem ganzen weiten Gebiete der Kirche nicht mehr gebührend
beaufsichtigt, controlirt und gemaßregelt werden wird.

Aber selbst unsere Liberalen und Radicalen, die doch sonst nie genng Freiheit
und Freiheiten haben konnten, finden, daß man ihnen da etwas mehr davon be-
scheert, als ihnen eigentlich lieb ist, und blicken mit besorgten Mienen auf die
jüngsten Errungenschaften.

Die guten Leute fürchten die Kirche, deu Fanatismus und die Herrschsucht
der Priester, deu Einfluß Roms, die Ränke der Jesuiten, die päpstlichen Bullen,
Breven, Allocutionen, Hirtenbriefe n. tgi. Nun, meinen sie, werde sich die
Geistlichkeit des öffentlichen Unterrichts bemächtigen, um das Volk im Aberglauben
und Dummheit zu erhalten. Aengstliche Gewissen werden durch Auslegung von


die Aristokraten der Erdtaube ihre Rechte mit der Freiheit ihres Vaterlandes
verloren. Dabei verarmt, waren die Hochmütigsten oft genöthigt, sich mit der
Bureaukratie zu encanailliren, und man sah die ganze Menagerie der Greifen,
Löwen, Adler, Rinder u. s. w. in den Kanzleien jahrelang Schreiberdienste ver¬
richten!, um endlich an der Tafel, wo das Mark des Landes verpraßt wird,
Platz nehmen zu können.

Der ungarische Adel lebte dagegen frei auf seinen Gütern, und kam in die
Hauptstadt uur, um seine Renten in Pferden, Maitressen und Spielen zu ver¬
prassen, während der böhmische, steierische n. s. w. mitunter sogar etwas lernen
mnßre, um sich nur in anständiger Kleidung uuter deu Leuten zeigen zu könne».
Dabei zahlte selbst der hohe, reiche Adel Oestreichs Abgabe», mußte sich Polizei-,
Stempel- und Bureaukrateuschikaue gefallen lassen, worüber er vom Ungar ge¬
neckt wurde. Da entbrannte denn ein Haß auf Tod und Leben zwischen der
Aristokratie der knirsch enden Erdtaube und derjenigen Ungarns u. s. w.




Ans G a l i z i e n.



Die neuen Verordnungen über die Stellung der Kirche zum Staate haben
hier bei fast allen Parteien große Unzufriedenheit erregt.

Unsere Konservativen, fast insgesammt getreue Anhänger des alten Polizei¬
staates, die da glauben, daß das abstracte Ding, Staat genannt, ausschließlich
im Besitze aller Weisheit sei, und daß alle anderen Korporationen und Einzel-
personen mit ihrem beschränkten UnterthanSverstande durchaus nicht im Stande
sind einzusehen, was ihnen zuträglich ist, und nur großes Unheil anrichten, wenn
man sie frei gewähren läßt, find natürlich sehr übellaunig darüber, daß man da
ein schönes Stück Regierungsgewalt so mir nichts dir nichts aus den Händen
gegeben, und vollkommen überzeugt, daß die üblen Folgen nicht ausbleiben könne»,
wenn künftig ans dem ganzen weiten Gebiete der Kirche nicht mehr gebührend
beaufsichtigt, controlirt und gemaßregelt werden wird.

Aber selbst unsere Liberalen und Radicalen, die doch sonst nie genng Freiheit
und Freiheiten haben konnten, finden, daß man ihnen da etwas mehr davon be-
scheert, als ihnen eigentlich lieb ist, und blicken mit besorgten Mienen auf die
jüngsten Errungenschaften.

Die guten Leute fürchten die Kirche, deu Fanatismus und die Herrschsucht
der Priester, deu Einfluß Roms, die Ränke der Jesuiten, die päpstlichen Bullen,
Breven, Allocutionen, Hirtenbriefe n. tgi. Nun, meinen sie, werde sich die
Geistlichkeit des öffentlichen Unterrichts bemächtigen, um das Volk im Aberglauben
und Dummheit zu erhalten. Aengstliche Gewissen werden durch Auslegung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/468>, abgerufen am 06.05.2024.