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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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der ungarischen Sprache wurde die volle Zustimmung der Regierung genährt,
dafür konnte man die Anforderungen der Liberalen hinausschieben, und zugleich
Elemente in dem Laude wecken, die einst diesen Liberalen entgegengestellt werden
konnten n. s. w.

Sehr treffend ist in diesem Werkchen das Verhältniß der ungarischen Aristo¬
kratie zu der der übrigen Länder der Monarchie geschildert, und bei dem jetzigen
Staude der ungarischen Altconservativeu in Ungarn dürfte diese Schilderung im
Auszuge uicht ohne Interesse sein.

Im zweiten Heft, Seite 39, sagt der Versasser: "Die Aristokratie in diesen
Ländern (Oestreichs) ist dieselbe, wie in allen andern Europas. Derselbe Ur¬
sprung, dieselben Laster, dieselben Anmaßungen u. s. w. Der Freiherr von
Habenichts, Lcrueuichts oder Thunichtgut tritt mit 16 Jahren als Lieutenant
ein, mißhandelt den Soldaten, avancirt und wird, wenn er lange genug lebt und
sick durch Liederlichkeit nicht zu Grunde gerichtet, mit der Zeit General. Dies
jedoch erleidet Modifikationen. Hat er Geld, so kauft er dem vor ihm dienenden
Ossi.ier die Charge ab, und dieser läßt sich pensiouireu; diese Pension bezahlt
natürlich der Staat. Der größte Theil aber hat nicht die Mittel, dient daher
bis zum Rittmeister und läßt sich im besten Mannesalter pensivniren.

Zu den eigentlich hohen militärischen Chargen befördert man aber auch die
einheimischen Aristokraten nur sparsam. Da stammen noch ans dem seligen deut¬
schen Reiche die Nachkommen der edlen Wegelagerer, deren Söhne man recrntirt,
oder fürstliche Bastarde, die man versorgt. Diese Leute werden zu den höchsten
Graden verwendet, und aus ihnen die Aristokratie restaurirt. Dies sind als¬
dann die Männer, die zu Allem zu gebrauchen sind; die alten einheimischen,
reichen Geschlechter macht man zu Höflingen. So stammen die meisten hohen
Geschlechter, mit welchen man die ursprünglichen alten Geschleckter, die noch mit
der Nation einige Sympathie hatten, erhebt, von den Abenteurern des dreißig¬
jährigen Krieges ab, wie Clam, Gallus, Buttler, Thun, Buguoi, Mvntecncnli,
Heißer, Mac, Waldstein u. s. w. Die Melden, Hayuau, Heß n. s. w. werden
nun eine neue Lieferung bilden, da die alten endlich doch zu patriotisch sind. ES
liegt System in der Sache! Man sieht, nicht einmal ein Gyulai ist genügend
den Anforderungen Habsburgs, er scheidet aus u. s. w. Diejenigen, welche durch
Reichthum mächtig sind, werden als Höflinge geduldet und in Liederlichkeit und
Verschwendung der Hauptstadt zu Grunde gerichtet.

Der ungarische Adel, reich, mächtig, stolz, an Freiheit gewöhnt u. s. w.,
hat sich vou jeher weder zum Hofadel noch zum Schcrgendicnste recht schicken
wollen u. s. w.; daher entstand aber auch in der Gesmnmtmonarchie ein Zwie¬
spalt in der Aristokratie, der bis in den bittersten Haß ausartete. Die ungarische
Aristokratie ward von der östreichischen, worunter sich besonders die böhmische
und steierische hervorthat, niemals als rechtes Vollblut betrachtet. Längst hatten


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der ungarischen Sprache wurde die volle Zustimmung der Regierung genährt,
dafür konnte man die Anforderungen der Liberalen hinausschieben, und zugleich
Elemente in dem Laude wecken, die einst diesen Liberalen entgegengestellt werden
konnten n. s. w.

Sehr treffend ist in diesem Werkchen das Verhältniß der ungarischen Aristo¬
kratie zu der der übrigen Länder der Monarchie geschildert, und bei dem jetzigen
Staude der ungarischen Altconservativeu in Ungarn dürfte diese Schilderung im
Auszuge uicht ohne Interesse sein.

Im zweiten Heft, Seite 39, sagt der Versasser: „Die Aristokratie in diesen
Ländern (Oestreichs) ist dieselbe, wie in allen andern Europas. Derselbe Ur¬
sprung, dieselben Laster, dieselben Anmaßungen u. s. w. Der Freiherr von
Habenichts, Lcrueuichts oder Thunichtgut tritt mit 16 Jahren als Lieutenant
ein, mißhandelt den Soldaten, avancirt und wird, wenn er lange genug lebt und
sick durch Liederlichkeit nicht zu Grunde gerichtet, mit der Zeit General. Dies
jedoch erleidet Modifikationen. Hat er Geld, so kauft er dem vor ihm dienenden
Ossi.ier die Charge ab, und dieser läßt sich pensiouireu; diese Pension bezahlt
natürlich der Staat. Der größte Theil aber hat nicht die Mittel, dient daher
bis zum Rittmeister und läßt sich im besten Mannesalter pensivniren.

Zu den eigentlich hohen militärischen Chargen befördert man aber auch die
einheimischen Aristokraten nur sparsam. Da stammen noch ans dem seligen deut¬
schen Reiche die Nachkommen der edlen Wegelagerer, deren Söhne man recrntirt,
oder fürstliche Bastarde, die man versorgt. Diese Leute werden zu den höchsten
Graden verwendet, und aus ihnen die Aristokratie restaurirt. Dies sind als¬
dann die Männer, die zu Allem zu gebrauchen sind; die alten einheimischen,
reichen Geschlechter macht man zu Höflingen. So stammen die meisten hohen
Geschlechter, mit welchen man die ursprünglichen alten Geschleckter, die noch mit
der Nation einige Sympathie hatten, erhebt, von den Abenteurern des dreißig¬
jährigen Krieges ab, wie Clam, Gallus, Buttler, Thun, Buguoi, Mvntecncnli,
Heißer, Mac, Waldstein u. s. w. Die Melden, Hayuau, Heß n. s. w. werden
nun eine neue Lieferung bilden, da die alten endlich doch zu patriotisch sind. ES
liegt System in der Sache! Man sieht, nicht einmal ein Gyulai ist genügend
den Anforderungen Habsburgs, er scheidet aus u. s. w. Diejenigen, welche durch
Reichthum mächtig sind, werden als Höflinge geduldet und in Liederlichkeit und
Verschwendung der Hauptstadt zu Grunde gerichtet.

Der ungarische Adel, reich, mächtig, stolz, an Freiheit gewöhnt u. s. w.,
hat sich vou jeher weder zum Hofadel noch zum Schcrgendicnste recht schicken
wollen u. s. w.; daher entstand aber auch in der Gesmnmtmonarchie ein Zwie¬
spalt in der Aristokratie, der bis in den bittersten Haß ausartete. Die ungarische
Aristokratie ward von der östreichischen, worunter sich besonders die böhmische
und steierische hervorthat, niemals als rechtes Vollblut betrachtet. Längst hatten


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[0467] der ungarischen Sprache wurde die volle Zustimmung der Regierung genährt, dafür konnte man die Anforderungen der Liberalen hinausschieben, und zugleich Elemente in dem Laude wecken, die einst diesen Liberalen entgegengestellt werden konnten n. s. w. Sehr treffend ist in diesem Werkchen das Verhältniß der ungarischen Aristo¬ kratie zu der der übrigen Länder der Monarchie geschildert, und bei dem jetzigen Staude der ungarischen Altconservativeu in Ungarn dürfte diese Schilderung im Auszuge uicht ohne Interesse sein. Im zweiten Heft, Seite 39, sagt der Versasser: „Die Aristokratie in diesen Ländern (Oestreichs) ist dieselbe, wie in allen andern Europas. Derselbe Ur¬ sprung, dieselben Laster, dieselben Anmaßungen u. s. w. Der Freiherr von Habenichts, Lcrueuichts oder Thunichtgut tritt mit 16 Jahren als Lieutenant ein, mißhandelt den Soldaten, avancirt und wird, wenn er lange genug lebt und sick durch Liederlichkeit nicht zu Grunde gerichtet, mit der Zeit General. Dies jedoch erleidet Modifikationen. Hat er Geld, so kauft er dem vor ihm dienenden Ossi.ier die Charge ab, und dieser läßt sich pensiouireu; diese Pension bezahlt natürlich der Staat. Der größte Theil aber hat nicht die Mittel, dient daher bis zum Rittmeister und läßt sich im besten Mannesalter pensivniren. Zu den eigentlich hohen militärischen Chargen befördert man aber auch die einheimischen Aristokraten nur sparsam. Da stammen noch ans dem seligen deut¬ schen Reiche die Nachkommen der edlen Wegelagerer, deren Söhne man recrntirt, oder fürstliche Bastarde, die man versorgt. Diese Leute werden zu den höchsten Graden verwendet, und aus ihnen die Aristokratie restaurirt. Dies sind als¬ dann die Männer, die zu Allem zu gebrauchen sind; die alten einheimischen, reichen Geschlechter macht man zu Höflingen. So stammen die meisten hohen Geschlechter, mit welchen man die ursprünglichen alten Geschleckter, die noch mit der Nation einige Sympathie hatten, erhebt, von den Abenteurern des dreißig¬ jährigen Krieges ab, wie Clam, Gallus, Buttler, Thun, Buguoi, Mvntecncnli, Heißer, Mac, Waldstein u. s. w. Die Melden, Hayuau, Heß n. s. w. werden nun eine neue Lieferung bilden, da die alten endlich doch zu patriotisch sind. ES liegt System in der Sache! Man sieht, nicht einmal ein Gyulai ist genügend den Anforderungen Habsburgs, er scheidet aus u. s. w. Diejenigen, welche durch Reichthum mächtig sind, werden als Höflinge geduldet und in Liederlichkeit und Verschwendung der Hauptstadt zu Grunde gerichtet. Der ungarische Adel, reich, mächtig, stolz, an Freiheit gewöhnt u. s. w., hat sich vou jeher weder zum Hofadel noch zum Schcrgendicnste recht schicken wollen u. s. w.; daher entstand aber auch in der Gesmnmtmonarchie ein Zwie¬ spalt in der Aristokratie, der bis in den bittersten Haß ausartete. Die ungarische Aristokratie ward von der östreichischen, worunter sich besonders die böhmische und steierische hervorthat, niemals als rechtes Vollblut betrachtet. Längst hatten 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/467>, abgerufen am 26.05.2024.