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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Reaction über das stille, allmälige aber sichere Wachsthum der Idee, die sie ver¬
nichten muß, erbittert ist, läßt sie sich zu Schritten verleiten, die jene Psordtensche
"Unmäßigkeit" möglich machen sollen ; sie säugt an, ihrerseits zu revolutioniren.
Daß wir diesem Versuche" die ganze Zähigkeit der conservativen Gesinnung, des
Rechts und Gesetzes entgegensetzen, versteht sich von selbst, die Mittel dazu sind
so einfach, klar und bestimmt, daß mir dabei mit aller Ruhe und Gelassenheit
verfahren können. Von dem festen Boden des Rechts ist keine Gewalt im
Stande, uus hiuwegzudrängeu. -- Darauf aber haben wir unsere Aufmerksam¬
keit zu richten, daß in dem Augenblick, wo die Contrerevolution in sich selbst zu¬
sammenbricht, die Partei, welche das erschütterte Staatswesen wieder in seine
Fugen zu rücken haben wird, vor Allem die allgemeine" Verhältnisse Deutsch¬
lands berücksichtigt; daß sie ein vorübergehendes Opfer einzelner Freiheiten dann
nicht zu hoch anschlägt, wenn es gilt, jene Einigung möglich zu machen, auf
welcher allein die wahre Freiheit des Ganzen gedeihen kann.

Denn wenn es uns gelingt, die Widersprüche, an denen Deutschland kranke,
mit Schonung und Besonnenheit zu lösen, so wird später ein gewaltsamer Schnitt
nothwendig, und dieser führt zwar auch vielleicht zum Ziel, aber wie alle ge¬
waltsamen Maßregeln, langsamer und schmerzhafter.

Auch in dieser Frage wollen wir also, nach Herrn v. Pfordteus Ausdruck,
mit Glacehandschuhen operiren, und nus nicht mit den tölpelhaften Gesellen ver¬
binden, die zum zweitenmal in ihrem Uebermuth eine gute Sache und ein gutes
Spiel verderben würden, wie sie es im Jahre der Versuchung gethan.




No ,"ti sah e Z u se ä n d e.)



Die Darstellung der römischen Zustände, verbunden mit einer Geschichte der
letzten Jahre, von einem unbefangenen Beobachter, macht einen sehr peinlichen
Eindruck. Sie überzeugt uns praktisch von einer Wahrheit, die wir uns theoretisch
schon lauge festgestellt hatten: daß nämlich die Verwirrung der römischen Angelegen-
heiten nicht eine Sache des Zufalls ist, deren Schuld wir den Leidenschaften oder
dem Irrthum in die Schuhe schieben könnten, daß sie vielmehr in einer bösen
Rothweudig keit ber" de.

Die gewaltsame Revolution wird nur durch eine zeitgemäße Reform vermieden.
Eine Reform ist in Rom darum unvermeidlich, weil, ganz abgesehen vou allen
Verfassungsfragen, die Verwaltung unbeschreiblich elend ist, und weil die Kräfte
des Volks auf eine sinnlose Weise vergeudet werden.



Briefe aus Italie". Von Adolph Hclffcrich. II., Leipzig, Hinrichs.

Reaction über das stille, allmälige aber sichere Wachsthum der Idee, die sie ver¬
nichten muß, erbittert ist, läßt sie sich zu Schritten verleiten, die jene Psordtensche
„Unmäßigkeit" möglich machen sollen ; sie säugt an, ihrerseits zu revolutioniren.
Daß wir diesem Versuche« die ganze Zähigkeit der conservativen Gesinnung, des
Rechts und Gesetzes entgegensetzen, versteht sich von selbst, die Mittel dazu sind
so einfach, klar und bestimmt, daß mir dabei mit aller Ruhe und Gelassenheit
verfahren können. Von dem festen Boden des Rechts ist keine Gewalt im
Stande, uus hiuwegzudrängeu. — Darauf aber haben wir unsere Aufmerksam¬
keit zu richten, daß in dem Augenblick, wo die Contrerevolution in sich selbst zu¬
sammenbricht, die Partei, welche das erschütterte Staatswesen wieder in seine
Fugen zu rücken haben wird, vor Allem die allgemeine» Verhältnisse Deutsch¬
lands berücksichtigt; daß sie ein vorübergehendes Opfer einzelner Freiheiten dann
nicht zu hoch anschlägt, wenn es gilt, jene Einigung möglich zu machen, auf
welcher allein die wahre Freiheit des Ganzen gedeihen kann.

Denn wenn es uns gelingt, die Widersprüche, an denen Deutschland kranke,
mit Schonung und Besonnenheit zu lösen, so wird später ein gewaltsamer Schnitt
nothwendig, und dieser führt zwar auch vielleicht zum Ziel, aber wie alle ge¬
waltsamen Maßregeln, langsamer und schmerzhafter.

Auch in dieser Frage wollen wir also, nach Herrn v. Pfordteus Ausdruck,
mit Glacehandschuhen operiren, und nus nicht mit den tölpelhaften Gesellen ver¬
binden, die zum zweitenmal in ihrem Uebermuth eine gute Sache und ein gutes
Spiel verderben würden, wie sie es im Jahre der Versuchung gethan.




No ,»ti sah e Z u se ä n d e.)



Die Darstellung der römischen Zustände, verbunden mit einer Geschichte der
letzten Jahre, von einem unbefangenen Beobachter, macht einen sehr peinlichen
Eindruck. Sie überzeugt uns praktisch von einer Wahrheit, die wir uns theoretisch
schon lauge festgestellt hatten: daß nämlich die Verwirrung der römischen Angelegen-
heiten nicht eine Sache des Zufalls ist, deren Schuld wir den Leidenschaften oder
dem Irrthum in die Schuhe schieben könnten, daß sie vielmehr in einer bösen
Rothweudig keit ber» de.

Die gewaltsame Revolution wird nur durch eine zeitgemäße Reform vermieden.
Eine Reform ist in Rom darum unvermeidlich, weil, ganz abgesehen vou allen
Verfassungsfragen, die Verwaltung unbeschreiblich elend ist, und weil die Kräfte
des Volks auf eine sinnlose Weise vergeudet werden.



Briefe aus Italie». Von Adolph Hclffcrich. II., Leipzig, Hinrichs.
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[0492] Reaction über das stille, allmälige aber sichere Wachsthum der Idee, die sie ver¬ nichten muß, erbittert ist, läßt sie sich zu Schritten verleiten, die jene Psordtensche „Unmäßigkeit" möglich machen sollen ; sie säugt an, ihrerseits zu revolutioniren. Daß wir diesem Versuche« die ganze Zähigkeit der conservativen Gesinnung, des Rechts und Gesetzes entgegensetzen, versteht sich von selbst, die Mittel dazu sind so einfach, klar und bestimmt, daß mir dabei mit aller Ruhe und Gelassenheit verfahren können. Von dem festen Boden des Rechts ist keine Gewalt im Stande, uus hiuwegzudrängeu. — Darauf aber haben wir unsere Aufmerksam¬ keit zu richten, daß in dem Augenblick, wo die Contrerevolution in sich selbst zu¬ sammenbricht, die Partei, welche das erschütterte Staatswesen wieder in seine Fugen zu rücken haben wird, vor Allem die allgemeine» Verhältnisse Deutsch¬ lands berücksichtigt; daß sie ein vorübergehendes Opfer einzelner Freiheiten dann nicht zu hoch anschlägt, wenn es gilt, jene Einigung möglich zu machen, auf welcher allein die wahre Freiheit des Ganzen gedeihen kann. Denn wenn es uns gelingt, die Widersprüche, an denen Deutschland kranke, mit Schonung und Besonnenheit zu lösen, so wird später ein gewaltsamer Schnitt nothwendig, und dieser führt zwar auch vielleicht zum Ziel, aber wie alle ge¬ waltsamen Maßregeln, langsamer und schmerzhafter. Auch in dieser Frage wollen wir also, nach Herrn v. Pfordteus Ausdruck, mit Glacehandschuhen operiren, und nus nicht mit den tölpelhaften Gesellen ver¬ binden, die zum zweitenmal in ihrem Uebermuth eine gute Sache und ein gutes Spiel verderben würden, wie sie es im Jahre der Versuchung gethan. No ,»ti sah e Z u se ä n d e.) Die Darstellung der römischen Zustände, verbunden mit einer Geschichte der letzten Jahre, von einem unbefangenen Beobachter, macht einen sehr peinlichen Eindruck. Sie überzeugt uns praktisch von einer Wahrheit, die wir uns theoretisch schon lauge festgestellt hatten: daß nämlich die Verwirrung der römischen Angelegen- heiten nicht eine Sache des Zufalls ist, deren Schuld wir den Leidenschaften oder dem Irrthum in die Schuhe schieben könnten, daß sie vielmehr in einer bösen Rothweudig keit ber» de. Die gewaltsame Revolution wird nur durch eine zeitgemäße Reform vermieden. Eine Reform ist in Rom darum unvermeidlich, weil, ganz abgesehen vou allen Verfassungsfragen, die Verwaltung unbeschreiblich elend ist, und weil die Kräfte des Volks auf eine sinnlose Weise vergeudet werden. Briefe aus Italie». Von Adolph Hclffcrich. II., Leipzig, Hinrichs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/492>, abgerufen am 06.05.2024.