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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Eine durchgreifende Reform ist aber unmöglich, so lange die weltliche Herr¬
schaft deö Papstes fortbesteht. Auch der beste Wille eines liberalen Papstes scheitert
an dem Widerstande des Instituts, dessen Träger er ist, und an der innern Un¬
möglichkeit.

Die Säcularisation deö Kirchenstaats hängt aber so sehr von den Conjunctureu
der allgemeinen europäischen Politik ab, daß auch sie unmöglich ist, so lauge das
bisherige System des Gleichgewichts in Kraft bleibt. -- Aus diesem Kreise können
wir nicht heraus.

Die Staate" von Oberitalien, Toskana mitgerechnet, konnten eine Partei der
Reform in sich hervorbringen, die ähnlich der kleindentschcn, nach der Selbst-
regierung "ud Freiheit des Volks, wie nach der Einheit Italiens auf dem Wege
des allmäligen Fortschritts streben konnte. Ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß
konstitutioneller Staaten, an ihrer Spitze der am "leisten kriegerisch gestimmte;
allmälige Abschüttelung des östreichischen Einflusses, so wie Entfernung der schwarzen
Kutten, nud allmälige Verwandlung deö Föderativstaateö in einen Einheitsstaat,
das waren Ideen, an deren Durchführung besonnene Mäuner wie Azeglio und
Giobcrti den unverdrossenen Eifer einer unmittelbaren Thätigkeit setzen konnten.
Aber auch für sie ist Rom der nicht zu überwindende Stein des Anstoßes; von
Rom aus verbreitet sich zu Zeiten einer gewaltigen Bewegung augenblicklich die
republikanische Partei über ganz Italien, wie in Zeiten der Reaction die Jesuiten,
denn in Rom gibt es keine Mittelpartei, kann es keine geben. Wohlgesinnte
und geistvolle Männer, wie Pellegriuo, Rossi, stehen vereinzelt, und haben von
Glück zu sagen, wenn der Dolch eines Meuchelmörders sie trifft, denn er enthebt
sie einer unmöglichen Aufgabe.

In Rom muß man Jakobiner sein, wenn man überhaupt liberal ist. Die
Ciceruacchio, die Pater Ventura, die Mazzini u. s. w. sind uicht nnr populäre
Figuren, sie haben uicht nur ein historisches Relief durch die Traditionen von
Brutus, Eassius, den Gracchen, Cota Rienzi, "ut durch die lebendigen Monumente,
welche von der Große und Herrlichkeit der römischen Republik zeugen: ihre Rich¬
tung ist durch das Wesen der Sache bedingt.

Und nun steife sich die sogenannte conservative Partei in Frankreich, in Oestreich,
in Spanien, selbst in den italienischen Staaten, dieses Centrum der fortdauernden
fieberhaften Agitation zu verstärken, und dadurch die Revolution für Italien und
für Enropa permanent zu machen. Auf den Fels Petri wollen sie aufs Neue ihre
wankenden Staaten bauen. Aber der Fels ist ein Vulkan geworden, der sie und
ihre Schöpfungen mit glühender Lava überschütten wird.

Wir müssen uns diese Lage der Dinge wiederholt vor die Seele führen, wir
müssen uns an den Gedanken gewöhnen, daß ohne eine radicale Umgestaltung des
Papstthums der politische Fortschritt Italiens, und ohne die politische Wieder-


Eine durchgreifende Reform ist aber unmöglich, so lange die weltliche Herr¬
schaft deö Papstes fortbesteht. Auch der beste Wille eines liberalen Papstes scheitert
an dem Widerstande des Instituts, dessen Träger er ist, und an der innern Un¬
möglichkeit.

Die Säcularisation deö Kirchenstaats hängt aber so sehr von den Conjunctureu
der allgemeinen europäischen Politik ab, daß auch sie unmöglich ist, so lauge das
bisherige System des Gleichgewichts in Kraft bleibt. — Aus diesem Kreise können
wir nicht heraus.

Die Staate« von Oberitalien, Toskana mitgerechnet, konnten eine Partei der
Reform in sich hervorbringen, die ähnlich der kleindentschcn, nach der Selbst-
regierung »ud Freiheit des Volks, wie nach der Einheit Italiens auf dem Wege
des allmäligen Fortschritts streben konnte. Ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß
konstitutioneller Staaten, an ihrer Spitze der am »leisten kriegerisch gestimmte;
allmälige Abschüttelung des östreichischen Einflusses, so wie Entfernung der schwarzen
Kutten, nud allmälige Verwandlung deö Föderativstaateö in einen Einheitsstaat,
das waren Ideen, an deren Durchführung besonnene Mäuner wie Azeglio und
Giobcrti den unverdrossenen Eifer einer unmittelbaren Thätigkeit setzen konnten.
Aber auch für sie ist Rom der nicht zu überwindende Stein des Anstoßes; von
Rom aus verbreitet sich zu Zeiten einer gewaltigen Bewegung augenblicklich die
republikanische Partei über ganz Italien, wie in Zeiten der Reaction die Jesuiten,
denn in Rom gibt es keine Mittelpartei, kann es keine geben. Wohlgesinnte
und geistvolle Männer, wie Pellegriuo, Rossi, stehen vereinzelt, und haben von
Glück zu sagen, wenn der Dolch eines Meuchelmörders sie trifft, denn er enthebt
sie einer unmöglichen Aufgabe.

In Rom muß man Jakobiner sein, wenn man überhaupt liberal ist. Die
Ciceruacchio, die Pater Ventura, die Mazzini u. s. w. sind uicht nnr populäre
Figuren, sie haben uicht nur ein historisches Relief durch die Traditionen von
Brutus, Eassius, den Gracchen, Cota Rienzi, »ut durch die lebendigen Monumente,
welche von der Große und Herrlichkeit der römischen Republik zeugen: ihre Rich¬
tung ist durch das Wesen der Sache bedingt.

Und nun steife sich die sogenannte conservative Partei in Frankreich, in Oestreich,
in Spanien, selbst in den italienischen Staaten, dieses Centrum der fortdauernden
fieberhaften Agitation zu verstärken, und dadurch die Revolution für Italien und
für Enropa permanent zu machen. Auf den Fels Petri wollen sie aufs Neue ihre
wankenden Staaten bauen. Aber der Fels ist ein Vulkan geworden, der sie und
ihre Schöpfungen mit glühender Lava überschütten wird.

Wir müssen uns diese Lage der Dinge wiederholt vor die Seele führen, wir
müssen uns an den Gedanken gewöhnen, daß ohne eine radicale Umgestaltung des
Papstthums der politische Fortschritt Italiens, und ohne die politische Wieder-


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[0493] Eine durchgreifende Reform ist aber unmöglich, so lange die weltliche Herr¬ schaft deö Papstes fortbesteht. Auch der beste Wille eines liberalen Papstes scheitert an dem Widerstande des Instituts, dessen Träger er ist, und an der innern Un¬ möglichkeit. Die Säcularisation deö Kirchenstaats hängt aber so sehr von den Conjunctureu der allgemeinen europäischen Politik ab, daß auch sie unmöglich ist, so lauge das bisherige System des Gleichgewichts in Kraft bleibt. — Aus diesem Kreise können wir nicht heraus. Die Staate« von Oberitalien, Toskana mitgerechnet, konnten eine Partei der Reform in sich hervorbringen, die ähnlich der kleindentschcn, nach der Selbst- regierung »ud Freiheit des Volks, wie nach der Einheit Italiens auf dem Wege des allmäligen Fortschritts streben konnte. Ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß konstitutioneller Staaten, an ihrer Spitze der am »leisten kriegerisch gestimmte; allmälige Abschüttelung des östreichischen Einflusses, so wie Entfernung der schwarzen Kutten, nud allmälige Verwandlung deö Föderativstaateö in einen Einheitsstaat, das waren Ideen, an deren Durchführung besonnene Mäuner wie Azeglio und Giobcrti den unverdrossenen Eifer einer unmittelbaren Thätigkeit setzen konnten. Aber auch für sie ist Rom der nicht zu überwindende Stein des Anstoßes; von Rom aus verbreitet sich zu Zeiten einer gewaltigen Bewegung augenblicklich die republikanische Partei über ganz Italien, wie in Zeiten der Reaction die Jesuiten, denn in Rom gibt es keine Mittelpartei, kann es keine geben. Wohlgesinnte und geistvolle Männer, wie Pellegriuo, Rossi, stehen vereinzelt, und haben von Glück zu sagen, wenn der Dolch eines Meuchelmörders sie trifft, denn er enthebt sie einer unmöglichen Aufgabe. In Rom muß man Jakobiner sein, wenn man überhaupt liberal ist. Die Ciceruacchio, die Pater Ventura, die Mazzini u. s. w. sind uicht nnr populäre Figuren, sie haben uicht nur ein historisches Relief durch die Traditionen von Brutus, Eassius, den Gracchen, Cota Rienzi, »ut durch die lebendigen Monumente, welche von der Große und Herrlichkeit der römischen Republik zeugen: ihre Rich¬ tung ist durch das Wesen der Sache bedingt. Und nun steife sich die sogenannte conservative Partei in Frankreich, in Oestreich, in Spanien, selbst in den italienischen Staaten, dieses Centrum der fortdauernden fieberhaften Agitation zu verstärken, und dadurch die Revolution für Italien und für Enropa permanent zu machen. Auf den Fels Petri wollen sie aufs Neue ihre wankenden Staaten bauen. Aber der Fels ist ein Vulkan geworden, der sie und ihre Schöpfungen mit glühender Lava überschütten wird. Wir müssen uns diese Lage der Dinge wiederholt vor die Seele führen, wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, daß ohne eine radicale Umgestaltung des Papstthums der politische Fortschritt Italiens, und ohne die politische Wieder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/493>, abgerufen am 26.05.2024.