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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Armee nicht hinterrücks die Hände gebunden werden, und daß die Bundesdiplo¬
matie mit der bekannten christlichen Feüidesliebc nicht einen Waffenstillstand er¬
schleiche, ehe ein gnädiger Winterfrost Eisbrücken über die Belte schlägt oder we¬
nigstens den Danebrog von der Küste scheucht.

Am 17. sollen die Neutralen und Preußen das künftige Schlachtfeld geräumt
haben, am 18. dürften die ersten Schüsse fallen. Darüber darf man sich aber
nicht täuschen: der Krieg wird diesmal nicht mit Glacvhandschnhen geführt werden.
Die Erbitterung, die in der Armee gegen die Dänen herrscht, kann nur begreifen,
wer die schamlosen Gewalttaten der Landeszerspaltuug im Norden Schleswigs
mit ansah. Aus Apeurade, Hadersleben, Flensburg und andern Städten jenseits
der Demarkationslinie flüchten täglich waffenfähige Männer ans nächtlichen Schleich¬
wegen nach Rendsburg, um sich unter die Fahne Williscus zu stellen. Invalide,
Familienväter und bartlose Knaben, noch in drei Jahren nicht militärpflichtig,
ziehen haufenweise die Uniform an. Auch siud alle Altersclassen, vom 18. bis
40. Jahr ausgeschrieben und Niemand entzieht sich dem Ruf des Vaterlandes.
Die Friedeusprotokolle mögen ausgelegt werden, wie sie wollen, gewiß ist, daß
die Dänen ihre Gegner als Rebellen zu behandeln denken. Man ist darauf ge¬
faßt und brennt mit Ungeduld nach der feindlichen Umarmung. Ganze Bataillone
sollen geschworen haben, Pardon weder zu geben noch zu nehmen. Allen Strei¬
tern flüstert eine Ahnung in's Herz, daß sie berufen sind, die Schmach von ganz
Deutschland zu rächen, und daß der letzte Donner dieses Krieges nicht eher ver¬
hallen wird, als bis die Volker vom Rhein bis zur Donan in Freiheit und Ehre
geeinigt sind.




Dorfschulen in Rußland.

In neuer Zeit ist in Rußland Lie Aufmerksamkeit auf das Schulwesen für
den Bauernstand gerichtet worden. Die Veranlassung gab in den Ostseeprovin¬
zen die Berührung mit Preußen, in Südrußland die deutschen Ansiedler, beson¬
ders in den Districten zwischen der Steppenflächen und den Gestaden des schwarzen
Meeres, wo sich im Verlaufe der letzten 7l1 Jahre gegen fünftausend deutsche
Bauern niedergelassen haben und noch fortwährend Ansiedelungen stattfinden.
Die Einwanderung hat -- beiläufig bemerkt -- seit fünf bis sechs- Jahren sehr
abgenommen, obschon hier die Landwirthschaft, vorzüglich Schafzucht und Weinbau,
ungeheuren Gewinn bringen kann. Der Grund liegt darin, daß das drückende
Verhältnis der russischen Untertänigkeit, welches zwar der Einwanderer nicht,


Armee nicht hinterrücks die Hände gebunden werden, und daß die Bundesdiplo¬
matie mit der bekannten christlichen Feüidesliebc nicht einen Waffenstillstand er¬
schleiche, ehe ein gnädiger Winterfrost Eisbrücken über die Belte schlägt oder we¬
nigstens den Danebrog von der Küste scheucht.

Am 17. sollen die Neutralen und Preußen das künftige Schlachtfeld geräumt
haben, am 18. dürften die ersten Schüsse fallen. Darüber darf man sich aber
nicht täuschen: der Krieg wird diesmal nicht mit Glacvhandschnhen geführt werden.
Die Erbitterung, die in der Armee gegen die Dänen herrscht, kann nur begreifen,
wer die schamlosen Gewalttaten der Landeszerspaltuug im Norden Schleswigs
mit ansah. Aus Apeurade, Hadersleben, Flensburg und andern Städten jenseits
der Demarkationslinie flüchten täglich waffenfähige Männer ans nächtlichen Schleich¬
wegen nach Rendsburg, um sich unter die Fahne Williscus zu stellen. Invalide,
Familienväter und bartlose Knaben, noch in drei Jahren nicht militärpflichtig,
ziehen haufenweise die Uniform an. Auch siud alle Altersclassen, vom 18. bis
40. Jahr ausgeschrieben und Niemand entzieht sich dem Ruf des Vaterlandes.
Die Friedeusprotokolle mögen ausgelegt werden, wie sie wollen, gewiß ist, daß
die Dänen ihre Gegner als Rebellen zu behandeln denken. Man ist darauf ge¬
faßt und brennt mit Ungeduld nach der feindlichen Umarmung. Ganze Bataillone
sollen geschworen haben, Pardon weder zu geben noch zu nehmen. Allen Strei¬
tern flüstert eine Ahnung in's Herz, daß sie berufen sind, die Schmach von ganz
Deutschland zu rächen, und daß der letzte Donner dieses Krieges nicht eher ver¬
hallen wird, als bis die Volker vom Rhein bis zur Donan in Freiheit und Ehre
geeinigt sind.




Dorfschulen in Rußland.

In neuer Zeit ist in Rußland Lie Aufmerksamkeit auf das Schulwesen für
den Bauernstand gerichtet worden. Die Veranlassung gab in den Ostseeprovin¬
zen die Berührung mit Preußen, in Südrußland die deutschen Ansiedler, beson¬
ders in den Districten zwischen der Steppenflächen und den Gestaden des schwarzen
Meeres, wo sich im Verlaufe der letzten 7l1 Jahre gegen fünftausend deutsche
Bauern niedergelassen haben und noch fortwährend Ansiedelungen stattfinden.
Die Einwanderung hat — beiläufig bemerkt — seit fünf bis sechs- Jahren sehr
abgenommen, obschon hier die Landwirthschaft, vorzüglich Schafzucht und Weinbau,
ungeheuren Gewinn bringen kann. Der Grund liegt darin, daß das drückende
Verhältnis der russischen Untertänigkeit, welches zwar der Einwanderer nicht,


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[0151] Armee nicht hinterrücks die Hände gebunden werden, und daß die Bundesdiplo¬ matie mit der bekannten christlichen Feüidesliebc nicht einen Waffenstillstand er¬ schleiche, ehe ein gnädiger Winterfrost Eisbrücken über die Belte schlägt oder we¬ nigstens den Danebrog von der Küste scheucht. Am 17. sollen die Neutralen und Preußen das künftige Schlachtfeld geräumt haben, am 18. dürften die ersten Schüsse fallen. Darüber darf man sich aber nicht täuschen: der Krieg wird diesmal nicht mit Glacvhandschnhen geführt werden. Die Erbitterung, die in der Armee gegen die Dänen herrscht, kann nur begreifen, wer die schamlosen Gewalttaten der Landeszerspaltuug im Norden Schleswigs mit ansah. Aus Apeurade, Hadersleben, Flensburg und andern Städten jenseits der Demarkationslinie flüchten täglich waffenfähige Männer ans nächtlichen Schleich¬ wegen nach Rendsburg, um sich unter die Fahne Williscus zu stellen. Invalide, Familienväter und bartlose Knaben, noch in drei Jahren nicht militärpflichtig, ziehen haufenweise die Uniform an. Auch siud alle Altersclassen, vom 18. bis 40. Jahr ausgeschrieben und Niemand entzieht sich dem Ruf des Vaterlandes. Die Friedeusprotokolle mögen ausgelegt werden, wie sie wollen, gewiß ist, daß die Dänen ihre Gegner als Rebellen zu behandeln denken. Man ist darauf ge¬ faßt und brennt mit Ungeduld nach der feindlichen Umarmung. Ganze Bataillone sollen geschworen haben, Pardon weder zu geben noch zu nehmen. Allen Strei¬ tern flüstert eine Ahnung in's Herz, daß sie berufen sind, die Schmach von ganz Deutschland zu rächen, und daß der letzte Donner dieses Krieges nicht eher ver¬ hallen wird, als bis die Volker vom Rhein bis zur Donan in Freiheit und Ehre geeinigt sind. Dorfschulen in Rußland. In neuer Zeit ist in Rußland Lie Aufmerksamkeit auf das Schulwesen für den Bauernstand gerichtet worden. Die Veranlassung gab in den Ostseeprovin¬ zen die Berührung mit Preußen, in Südrußland die deutschen Ansiedler, beson¬ ders in den Districten zwischen der Steppenflächen und den Gestaden des schwarzen Meeres, wo sich im Verlaufe der letzten 7l1 Jahre gegen fünftausend deutsche Bauern niedergelassen haben und noch fortwährend Ansiedelungen stattfinden. Die Einwanderung hat — beiläufig bemerkt — seit fünf bis sechs- Jahren sehr abgenommen, obschon hier die Landwirthschaft, vorzüglich Schafzucht und Weinbau, ungeheuren Gewinn bringen kann. Der Grund liegt darin, daß das drückende Verhältnis der russischen Untertänigkeit, welches zwar der Einwanderer nicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/151>, abgerufen am 07.05.2024.