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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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von Holstein "geloben" lassen, "er wolle dem Krieg ein gutes Ende machen,"
und dadurch diesen sogar zum Aufgeben bereits errungener Waffeuvortheilc ver¬
mocht. Aber mit schneidender Trockenheit berichtet Warnstedt bald darauf:

"Dies war das von deutscher- Seite in Aussicht gestellte "gute Ende" des
Kriegs; dies die Lösung des Wortes: mau solle ja nicht daran zweifeln, daß
das gegebene Gelübde werde gehalten werden."

"Nur ein Doppeltes schien unbeachtet geblieben zu sein. Das Eine war,
daß die Meinung, "deu Herrschern der Erde sei vom Himmel auch die Macht
verliehen, die Thatsachen der Vergangenheit nach Belieben zu streichen," trotz
aller Versicherungen "daß das Urtheil (der schiedsrichterliche Spruch des Kaisers)
auf Recht und Wahrheit begründet sei," in einem Lande, dessen Bevölkerung vor
Allem eine sprüchwörtlich gewordene Wahrhaftigkeit auszeichnet, nur auf wenige
gläubige Anhänger Rechnung machen durfte. Das Andere war, daß, so dunkel
auch die nächste Zukunft war, das Vertraue": auf die Kraft einer gerechten Sache
und die Zuversicht auf eine höhere Lenkung der Geschicke unsres Volks vou deu
heldenmüthigen Fürsten trotz Kaiser und Reich nicht aufgegeben ward, selbst
dann uicht, als Waffen gegen die wegen Ungehorsams gegen den kaiserl. Spruch
der beleidigten Majestät schuldigen Haufen aufgerufen wurden."

Hoffentlich wird das Volk von Schleswig-Holstein an Muth und Beharr¬
lichkeit nicht zurückstehen hinter jenen "Fürsten", und andrerseits wird doch
wohl unsre Schmach nicht so weit gehen, daß deutsche Fürsten es versuchen
sollten, Holstein "pacificirt" dem Däncnköuige zu Füßen zu legen!


II.

Schon einige Male hat sich, wenn wir nicht irren, bei entscheidenden Wen¬
dungen der deutschen Angelegenheiten, wo solche in den weitern Umkreis der
europäischen Politik hinauörückten, in englischen Blättern die kraftvolle patriotische
Stimme des Kermamoug Vwä-zx vernehmen lassen, ein Name, unter welchem sich
ein bekannter und auch sonst für unsre wichtigsten nationalen Belange vielfach
thätiger deutscher Publicist verbergen soll. Auch dieses neueste "Sendschreiben"
desselben an deu britischen Staatssccretär der auswärtige!: Angelegenheiten ist
zuerst englisch in den lines erschienen, sodann in's Deutsche übertragen worden.
Die Form und der Styl dieses Schreibens würden uns Veranlassung geben, viel
Lobendes zu sagen über die darin enthaltene glückliche Vereinigung von diploma¬
tischer Feinheit und patriotischer Wärme, englischem Blick und deutschem Herzen,
kühnem Freimut!) und kluger Zurückhaltung, müßten nicht Betrachtungen dieser
Art in dem gegenwärtigen Moment gänzlich in deu Hintergrund treten vor dem
Gewicht des Gegenstandes, den das Sendschreiben behandelt und der kein ge¬
ringerer ist, als die Zukunft Deutschlands, die vielleicht ans dem Spiele steht,
damit zugleich aber der Friede und das Gleichgewicht Europa's.


von Holstein „geloben" lassen, „er wolle dem Krieg ein gutes Ende machen,"
und dadurch diesen sogar zum Aufgeben bereits errungener Waffeuvortheilc ver¬
mocht. Aber mit schneidender Trockenheit berichtet Warnstedt bald darauf:

„Dies war das von deutscher- Seite in Aussicht gestellte „gute Ende" des
Kriegs; dies die Lösung des Wortes: mau solle ja nicht daran zweifeln, daß
das gegebene Gelübde werde gehalten werden."

„Nur ein Doppeltes schien unbeachtet geblieben zu sein. Das Eine war,
daß die Meinung, „deu Herrschern der Erde sei vom Himmel auch die Macht
verliehen, die Thatsachen der Vergangenheit nach Belieben zu streichen," trotz
aller Versicherungen „daß das Urtheil (der schiedsrichterliche Spruch des Kaisers)
auf Recht und Wahrheit begründet sei," in einem Lande, dessen Bevölkerung vor
Allem eine sprüchwörtlich gewordene Wahrhaftigkeit auszeichnet, nur auf wenige
gläubige Anhänger Rechnung machen durfte. Das Andere war, daß, so dunkel
auch die nächste Zukunft war, das Vertraue«: auf die Kraft einer gerechten Sache
und die Zuversicht auf eine höhere Lenkung der Geschicke unsres Volks vou deu
heldenmüthigen Fürsten trotz Kaiser und Reich nicht aufgegeben ward, selbst
dann uicht, als Waffen gegen die wegen Ungehorsams gegen den kaiserl. Spruch
der beleidigten Majestät schuldigen Haufen aufgerufen wurden."

Hoffentlich wird das Volk von Schleswig-Holstein an Muth und Beharr¬
lichkeit nicht zurückstehen hinter jenen „Fürsten", und andrerseits wird doch
wohl unsre Schmach nicht so weit gehen, daß deutsche Fürsten es versuchen
sollten, Holstein „pacificirt" dem Däncnköuige zu Füßen zu legen!


II.

Schon einige Male hat sich, wenn wir nicht irren, bei entscheidenden Wen¬
dungen der deutschen Angelegenheiten, wo solche in den weitern Umkreis der
europäischen Politik hinauörückten, in englischen Blättern die kraftvolle patriotische
Stimme des Kermamoug Vwä-zx vernehmen lassen, ein Name, unter welchem sich
ein bekannter und auch sonst für unsre wichtigsten nationalen Belange vielfach
thätiger deutscher Publicist verbergen soll. Auch dieses neueste „Sendschreiben"
desselben an deu britischen Staatssccretär der auswärtige!: Angelegenheiten ist
zuerst englisch in den lines erschienen, sodann in's Deutsche übertragen worden.
Die Form und der Styl dieses Schreibens würden uns Veranlassung geben, viel
Lobendes zu sagen über die darin enthaltene glückliche Vereinigung von diploma¬
tischer Feinheit und patriotischer Wärme, englischem Blick und deutschem Herzen,
kühnem Freimut!) und kluger Zurückhaltung, müßten nicht Betrachtungen dieser
Art in dem gegenwärtigen Moment gänzlich in deu Hintergrund treten vor dem
Gewicht des Gegenstandes, den das Sendschreiben behandelt und der kein ge¬
ringerer ist, als die Zukunft Deutschlands, die vielleicht ans dem Spiele steht,
damit zugleich aber der Friede und das Gleichgewicht Europa's.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/214>, abgerufen am 07.05.2024.