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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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unterworfen gewesen sei, muß Wegener selbst zugeben, behauptet aber: "die ganze
Einrichtung der Justiz sei ohne alle staatsrechtliche Bedeutung. 11) Aber auch
die Laudstandschaft N. weist dasselbe nach Holstein hin, -- R. war auf den hol¬
steinischen Provinziallaudtagen vertreten. Endlich aber 12) führt N. das
holsteinische Nesselblatt im Stadtwappen, und 13) fand daselbst vordem regel¬
mäßig das Kirchengebet und Trauergeläute beim Ableben eines römischen Kaisers,
so wie die regelmäßige Verkündigung der Reichsgesetze in den Kirchen statt. Doch
genug der Beweise, denen Warnstedt zum Ueberfluß auch uoch topographische Aus-
führungen von gleicher Evidenz hinzugefügt! Eine interessante Episode mitten
unter dieser etwas trocknen Gelehrsamkeit bildet ein lebensvoller Abriß der Kämpfe,
welche die Grafen von Holstein bis zur Mitte des 15. Jahrh. mit dem Reiche
Dänemark um den Besitz von Schleswig führten. Sind auch diese Kämpfe neuer-
dings oftmals geschildert worden und daher wohl den meisten Lesern nicht unbe¬
kannt, so können wir uns doch nicht versagen, einige Züge daraus hier wieder¬
zugeben, welche besonders schlagend zu eiuer Verglcickung jener Zeit mit der
neusten auffordern. Zuerst folgende Stelle, die, neben dem rühmlichsten Zeugniß
für die altbewährte Tüchtigkeit der Schleswig-Holsteiner, zugleich für die Gegen¬
wart den Trost gewähren mag: daß bei gleicher Beharrlichkeit doch wohl anch
jetzt den Herzogthümern gelingen möge, was ihnen damals zum Theil unter noch
ungünstigem Verhältnissen gelang!

"Im Bewußtsein des Rechts und in Erkenntniß der Pflichten gegen das
Land verzagen die holsteinischen Grafen selbst dann nicht, als Kaiser Sigismund,
von wahrheitswidrigem Vorgeben getäuscht, ihnen das Herzogthum ab - und deu
Königen vou Dänemark zuspricht und Fürsten, Städte, Märkte und Dörfer des
römischen Reichs deutscher Nation gegen die Grafen von H. aufruft. Fünfzehn
Jahre nach diesem kaiserl. Schiedsspruch war trotz Kaiser und Reich, und aller
dänischen Gegenstrebungen unerachtet, die innige Verbindung beider Her-
zogthümer unter einander und ihre Unabhängigkeit von Dänemark
nicht allein auf's Neue errungen, sondern anch mehr als früher sichergestellt und
von Dänemark anerkannt.

An einer andern Stelle werden die Friedensunterhandlungen zwischen Däne¬
mark und dem deutschen Reiche zu Anfange des 15. Jahrh. charakterisier. Die
Schilderung könnte anch heut als richtig gelten. "Bei den Verhandlungen that
sich die ganze Schlauheit oder, wird der gleichzeitige Ausdruck vorgezogen, ""eine
große Listigkeit"" der Dänen kund, mit welcher damals eine ausfallend geringe
Gewissenhaftigkeit in der Darstellung von Thatsachen gepaart ist. Die deutschen
Unterhändler zeigen dagegen eine Gutmüthigkeit, eine Ehrlichkeit und eine Ge¬
neigtheit, je öfter sie getäuscht werden, desto williger Vorspiegelungen zu trauen,
welche nicht übertroffen werden kann."

Der Kaiser Sigismund hatte durch einen kaiserl. Commissär dem Grafen


unterworfen gewesen sei, muß Wegener selbst zugeben, behauptet aber: „die ganze
Einrichtung der Justiz sei ohne alle staatsrechtliche Bedeutung. 11) Aber auch
die Laudstandschaft N. weist dasselbe nach Holstein hin, — R. war auf den hol¬
steinischen Provinziallaudtagen vertreten. Endlich aber 12) führt N. das
holsteinische Nesselblatt im Stadtwappen, und 13) fand daselbst vordem regel¬
mäßig das Kirchengebet und Trauergeläute beim Ableben eines römischen Kaisers,
so wie die regelmäßige Verkündigung der Reichsgesetze in den Kirchen statt. Doch
genug der Beweise, denen Warnstedt zum Ueberfluß auch uoch topographische Aus-
führungen von gleicher Evidenz hinzugefügt! Eine interessante Episode mitten
unter dieser etwas trocknen Gelehrsamkeit bildet ein lebensvoller Abriß der Kämpfe,
welche die Grafen von Holstein bis zur Mitte des 15. Jahrh. mit dem Reiche
Dänemark um den Besitz von Schleswig führten. Sind auch diese Kämpfe neuer-
dings oftmals geschildert worden und daher wohl den meisten Lesern nicht unbe¬
kannt, so können wir uns doch nicht versagen, einige Züge daraus hier wieder¬
zugeben, welche besonders schlagend zu eiuer Verglcickung jener Zeit mit der
neusten auffordern. Zuerst folgende Stelle, die, neben dem rühmlichsten Zeugniß
für die altbewährte Tüchtigkeit der Schleswig-Holsteiner, zugleich für die Gegen¬
wart den Trost gewähren mag: daß bei gleicher Beharrlichkeit doch wohl anch
jetzt den Herzogthümern gelingen möge, was ihnen damals zum Theil unter noch
ungünstigem Verhältnissen gelang!

„Im Bewußtsein des Rechts und in Erkenntniß der Pflichten gegen das
Land verzagen die holsteinischen Grafen selbst dann nicht, als Kaiser Sigismund,
von wahrheitswidrigem Vorgeben getäuscht, ihnen das Herzogthum ab - und deu
Königen vou Dänemark zuspricht und Fürsten, Städte, Märkte und Dörfer des
römischen Reichs deutscher Nation gegen die Grafen von H. aufruft. Fünfzehn
Jahre nach diesem kaiserl. Schiedsspruch war trotz Kaiser und Reich, und aller
dänischen Gegenstrebungen unerachtet, die innige Verbindung beider Her-
zogthümer unter einander und ihre Unabhängigkeit von Dänemark
nicht allein auf's Neue errungen, sondern anch mehr als früher sichergestellt und
von Dänemark anerkannt.

An einer andern Stelle werden die Friedensunterhandlungen zwischen Däne¬
mark und dem deutschen Reiche zu Anfange des 15. Jahrh. charakterisier. Die
Schilderung könnte anch heut als richtig gelten. „Bei den Verhandlungen that
sich die ganze Schlauheit oder, wird der gleichzeitige Ausdruck vorgezogen, „„eine
große Listigkeit"" der Dänen kund, mit welcher damals eine ausfallend geringe
Gewissenhaftigkeit in der Darstellung von Thatsachen gepaart ist. Die deutschen
Unterhändler zeigen dagegen eine Gutmüthigkeit, eine Ehrlichkeit und eine Ge¬
neigtheit, je öfter sie getäuscht werden, desto williger Vorspiegelungen zu trauen,
welche nicht übertroffen werden kann."

Der Kaiser Sigismund hatte durch einen kaiserl. Commissär dem Grafen


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[0213] unterworfen gewesen sei, muß Wegener selbst zugeben, behauptet aber: „die ganze Einrichtung der Justiz sei ohne alle staatsrechtliche Bedeutung. 11) Aber auch die Laudstandschaft N. weist dasselbe nach Holstein hin, — R. war auf den hol¬ steinischen Provinziallaudtagen vertreten. Endlich aber 12) führt N. das holsteinische Nesselblatt im Stadtwappen, und 13) fand daselbst vordem regel¬ mäßig das Kirchengebet und Trauergeläute beim Ableben eines römischen Kaisers, so wie die regelmäßige Verkündigung der Reichsgesetze in den Kirchen statt. Doch genug der Beweise, denen Warnstedt zum Ueberfluß auch uoch topographische Aus- führungen von gleicher Evidenz hinzugefügt! Eine interessante Episode mitten unter dieser etwas trocknen Gelehrsamkeit bildet ein lebensvoller Abriß der Kämpfe, welche die Grafen von Holstein bis zur Mitte des 15. Jahrh. mit dem Reiche Dänemark um den Besitz von Schleswig führten. Sind auch diese Kämpfe neuer- dings oftmals geschildert worden und daher wohl den meisten Lesern nicht unbe¬ kannt, so können wir uns doch nicht versagen, einige Züge daraus hier wieder¬ zugeben, welche besonders schlagend zu eiuer Verglcickung jener Zeit mit der neusten auffordern. Zuerst folgende Stelle, die, neben dem rühmlichsten Zeugniß für die altbewährte Tüchtigkeit der Schleswig-Holsteiner, zugleich für die Gegen¬ wart den Trost gewähren mag: daß bei gleicher Beharrlichkeit doch wohl anch jetzt den Herzogthümern gelingen möge, was ihnen damals zum Theil unter noch ungünstigem Verhältnissen gelang! „Im Bewußtsein des Rechts und in Erkenntniß der Pflichten gegen das Land verzagen die holsteinischen Grafen selbst dann nicht, als Kaiser Sigismund, von wahrheitswidrigem Vorgeben getäuscht, ihnen das Herzogthum ab - und deu Königen vou Dänemark zuspricht und Fürsten, Städte, Märkte und Dörfer des römischen Reichs deutscher Nation gegen die Grafen von H. aufruft. Fünfzehn Jahre nach diesem kaiserl. Schiedsspruch war trotz Kaiser und Reich, und aller dänischen Gegenstrebungen unerachtet, die innige Verbindung beider Her- zogthümer unter einander und ihre Unabhängigkeit von Dänemark nicht allein auf's Neue errungen, sondern anch mehr als früher sichergestellt und von Dänemark anerkannt. An einer andern Stelle werden die Friedensunterhandlungen zwischen Däne¬ mark und dem deutschen Reiche zu Anfange des 15. Jahrh. charakterisier. Die Schilderung könnte anch heut als richtig gelten. „Bei den Verhandlungen that sich die ganze Schlauheit oder, wird der gleichzeitige Ausdruck vorgezogen, „„eine große Listigkeit"" der Dänen kund, mit welcher damals eine ausfallend geringe Gewissenhaftigkeit in der Darstellung von Thatsachen gepaart ist. Die deutschen Unterhändler zeigen dagegen eine Gutmüthigkeit, eine Ehrlichkeit und eine Ge¬ neigtheit, je öfter sie getäuscht werden, desto williger Vorspiegelungen zu trauen, welche nicht übertroffen werden kann." Der Kaiser Sigismund hatte durch einen kaiserl. Commissär dem Grafen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/213>, abgerufen am 19.05.2024.