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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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reichs und Rußlands nicht im Stande sein wird, zu erschüttern. Dadurch allein
wird ein britischer Münster der unwillkommenen Notwendigkeit einer bewaffneten
Dazwischenkunft in den Händeln des Festlandes überhoben sein."
'

Es wird immer für jeden Deutschen ein schmerzliches Gefühl sein, die Sache
seines Vaterlandes von dem Minister einer fremden Macht plaidirt zu scheu; aber
man muß anerkennen, daß dies nicht mit mehr Feinheit, Würde und Schonung
des gerechten Selbstgefühls der Nation geschehen konnte, als es in dem Send¬
schreiben des (Zerm. V. geschehen ist.




Karl Gützlaff und das Missionswesen.

In der Domkirche von Marienwerder hatte ich Gelegenheit, den berühmten
Apostel der Chinesen zu hören. Dem Bilde, welches uns die gewöhnliche Roman-
lectüre von einem Heidenbekehrer snppeditirt, entspricht er keineswegs: ein kurzer,
starker Mann mit hochrothem Gesicht, großem und breitem Mund, nach chinesischer
Art schläfrig znsaumtengekniffeneu Augenlidern, heftigen Armbewegungen, einer
mehr robusten als wohlklingenden Stimme. Ein Biograph vou ihm sagt: "Man
hat häufig bemerkt, daß Leute, welche lange Zeit mit den Indianern Amerikas
zusammenleben, auch in der Gesichtsbildung ihnen ähnlich werden. Dieselbe Er¬
fahrung macht man im Orient. Die Gesichtszüge und das ganze Wesen Gützlaff's
haben in der Art das Gepräge des echten Sohnes des Jao und Schur erhalten,
daß ihn die Chinesen gewöhnlich als Landsmann begrüßen." -- Ich lasse diese
physiologische Bemerkung dahingestellt sein.

Karl Gützlaff ist 1803 zu Pyritz, einem pommerschen Dorfe, geboren. Seine
apostolische Wirksamkeit beginnt vorzüglich in den dreißiger Jahren. Er hatte sich
mit einer Engländerin verheirathet, die von der gleichen Begeisterung durchdrungen
war und ihn auf seiner Missionsreise begleitete. Seine großen Kenntnisse im
Chinesischen und den verwandten Mundarten imponirten schon damals dem Be¬
gründer, der evangelischen Mission in China, Robert Morrison, mit dem er
sich 1831 in Macao vereinigte, und machten ihn bei den englischen Kaufleuten
sehr gesucht. Er wurde in den Jahren 1832 lind 33 auf einigen Schmnggel-
schisscn, die mit Opium handelten, als Dolmetsch gebraucht und wußte auch
dieses an sich uicht eben ruhmvolle Unternehmen zu seinen heiligen Zwecken, zur
Verbreitung vou Bibeln und Tractaten zu benutzen. Eine Missionsreise nach
Japan im I. 1837 blieb ohne Erfolg. Nach Mvrrison's Tod wurde Gützlaff
als chinesischer Secretär des englischen Consulats in Canton angestellt und grün¬
dete im I. 18-40 eiuen christlichen Verein von Chineselt zur Ausbreitung des


reichs und Rußlands nicht im Stande sein wird, zu erschüttern. Dadurch allein
wird ein britischer Münster der unwillkommenen Notwendigkeit einer bewaffneten
Dazwischenkunft in den Händeln des Festlandes überhoben sein."
'

Es wird immer für jeden Deutschen ein schmerzliches Gefühl sein, die Sache
seines Vaterlandes von dem Minister einer fremden Macht plaidirt zu scheu; aber
man muß anerkennen, daß dies nicht mit mehr Feinheit, Würde und Schonung
des gerechten Selbstgefühls der Nation geschehen konnte, als es in dem Send¬
schreiben des (Zerm. V. geschehen ist.




Karl Gützlaff und das Missionswesen.

In der Domkirche von Marienwerder hatte ich Gelegenheit, den berühmten
Apostel der Chinesen zu hören. Dem Bilde, welches uns die gewöhnliche Roman-
lectüre von einem Heidenbekehrer snppeditirt, entspricht er keineswegs: ein kurzer,
starker Mann mit hochrothem Gesicht, großem und breitem Mund, nach chinesischer
Art schläfrig znsaumtengekniffeneu Augenlidern, heftigen Armbewegungen, einer
mehr robusten als wohlklingenden Stimme. Ein Biograph vou ihm sagt: „Man
hat häufig bemerkt, daß Leute, welche lange Zeit mit den Indianern Amerikas
zusammenleben, auch in der Gesichtsbildung ihnen ähnlich werden. Dieselbe Er¬
fahrung macht man im Orient. Die Gesichtszüge und das ganze Wesen Gützlaff's
haben in der Art das Gepräge des echten Sohnes des Jao und Schur erhalten,
daß ihn die Chinesen gewöhnlich als Landsmann begrüßen." — Ich lasse diese
physiologische Bemerkung dahingestellt sein.

Karl Gützlaff ist 1803 zu Pyritz, einem pommerschen Dorfe, geboren. Seine
apostolische Wirksamkeit beginnt vorzüglich in den dreißiger Jahren. Er hatte sich
mit einer Engländerin verheirathet, die von der gleichen Begeisterung durchdrungen
war und ihn auf seiner Missionsreise begleitete. Seine großen Kenntnisse im
Chinesischen und den verwandten Mundarten imponirten schon damals dem Be¬
gründer, der evangelischen Mission in China, Robert Morrison, mit dem er
sich 1831 in Macao vereinigte, und machten ihn bei den englischen Kaufleuten
sehr gesucht. Er wurde in den Jahren 1832 lind 33 auf einigen Schmnggel-
schisscn, die mit Opium handelten, als Dolmetsch gebraucht und wußte auch
dieses an sich uicht eben ruhmvolle Unternehmen zu seinen heiligen Zwecken, zur
Verbreitung vou Bibeln und Tractaten zu benutzen. Eine Missionsreise nach
Japan im I. 1837 blieb ohne Erfolg. Nach Mvrrison's Tod wurde Gützlaff
als chinesischer Secretär des englischen Consulats in Canton angestellt und grün¬
dete im I. 18-40 eiuen christlichen Verein von Chineselt zur Ausbreitung des


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[0218] reichs und Rußlands nicht im Stande sein wird, zu erschüttern. Dadurch allein wird ein britischer Münster der unwillkommenen Notwendigkeit einer bewaffneten Dazwischenkunft in den Händeln des Festlandes überhoben sein." ' Es wird immer für jeden Deutschen ein schmerzliches Gefühl sein, die Sache seines Vaterlandes von dem Minister einer fremden Macht plaidirt zu scheu; aber man muß anerkennen, daß dies nicht mit mehr Feinheit, Würde und Schonung des gerechten Selbstgefühls der Nation geschehen konnte, als es in dem Send¬ schreiben des (Zerm. V. geschehen ist. Karl Gützlaff und das Missionswesen. In der Domkirche von Marienwerder hatte ich Gelegenheit, den berühmten Apostel der Chinesen zu hören. Dem Bilde, welches uns die gewöhnliche Roman- lectüre von einem Heidenbekehrer snppeditirt, entspricht er keineswegs: ein kurzer, starker Mann mit hochrothem Gesicht, großem und breitem Mund, nach chinesischer Art schläfrig znsaumtengekniffeneu Augenlidern, heftigen Armbewegungen, einer mehr robusten als wohlklingenden Stimme. Ein Biograph vou ihm sagt: „Man hat häufig bemerkt, daß Leute, welche lange Zeit mit den Indianern Amerikas zusammenleben, auch in der Gesichtsbildung ihnen ähnlich werden. Dieselbe Er¬ fahrung macht man im Orient. Die Gesichtszüge und das ganze Wesen Gützlaff's haben in der Art das Gepräge des echten Sohnes des Jao und Schur erhalten, daß ihn die Chinesen gewöhnlich als Landsmann begrüßen." — Ich lasse diese physiologische Bemerkung dahingestellt sein. Karl Gützlaff ist 1803 zu Pyritz, einem pommerschen Dorfe, geboren. Seine apostolische Wirksamkeit beginnt vorzüglich in den dreißiger Jahren. Er hatte sich mit einer Engländerin verheirathet, die von der gleichen Begeisterung durchdrungen war und ihn auf seiner Missionsreise begleitete. Seine großen Kenntnisse im Chinesischen und den verwandten Mundarten imponirten schon damals dem Be¬ gründer, der evangelischen Mission in China, Robert Morrison, mit dem er sich 1831 in Macao vereinigte, und machten ihn bei den englischen Kaufleuten sehr gesucht. Er wurde in den Jahren 1832 lind 33 auf einigen Schmnggel- schisscn, die mit Opium handelten, als Dolmetsch gebraucht und wußte auch dieses an sich uicht eben ruhmvolle Unternehmen zu seinen heiligen Zwecken, zur Verbreitung vou Bibeln und Tractaten zu benutzen. Eine Missionsreise nach Japan im I. 1837 blieb ohne Erfolg. Nach Mvrrison's Tod wurde Gützlaff als chinesischer Secretär des englischen Consulats in Canton angestellt und grün¬ dete im I. 18-40 eiuen christlichen Verein von Chineselt zur Ausbreitung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/218>, abgerufen am 07.05.2024.