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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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zu einer so schreienden Verletzung ihrer heiligsten Rechte sich hatte verleiten lassen.
Aber sie kennen kein Band, das sie mit Dänemark verbinden könnte, als nur so
laug und so sein der Mannsstamm der gegenwärtigen Dynastie herrscht, in
welchem sie jederzeit ihre rechtmäßigen Landesherren anerkannt haben. Kein Pro¬
tokoll wird sie jemals zu willigen Unterthanen eines russischen Vasallen bekehren,
und wenn jemals die europäische Diplomatie verblendet genug sein könnte, um
einen so nichtswürdigen Pact ihnen aufzudringen, daun erlauben Sie mir, My-
lord, herauSzusageu, was die Diplomatie nicht vermag: sie kann nicht verhin¬
dern, daß das nächste Geschlecht jene Ihre Protokolle in Stücke reiße. Die
Sache ist diese: Die Herzogthümer werden nicht dulden, daß man
ihnen sür alle Folgezeit die Aussicht verschließe, die gemeinsame
Geschichte Deutschlands zu theilen."

Es ist bekannt, wie gerade die Erwartung eines engern Zusammenschlusses der
verschiedenen deutschen Staaten an einander, also auch Holsteins an das übrige
Deutschland, vom rechtlichen sowohl als namentlich vom politischen Gesichtspunkte
aus ein den Ansprüche" der Herzogthümer ans ungestörtes Bcisammenbleiben
günstiges Arrangement verhindert. Die Antipathien Englands gegen dies
Beisammenbleiben der Herzogthümer müßten in demselben Grade sich mindern,
als es nicht zu befürchten hat, daß dadurch im Augenblicke die Macht, und
besonders die erstehende Seegeltuug, eines buudesstaatlich geeinten Deutsch¬
lands verstärkt werden möchte. Wie schwer daher auch dem Fürsprecher
Deutschlands das Bekenntniß fallen mochte, es mußte ausgesprochen werden, was
ja leider auch nur zu sehr in der Wahrheit beruht: "daß für jetzt die Herzog¬
thümer von Deutschland nichts zu hoffen haben." "Das jüngste Ringen der
Deutschen nach Freiheit und Einheit ist in der einen wie in der andern Rich¬
tung erfolglos gewesen. Diese Thatsache läßt sich nicht verbergen. Nur der
Feind des europäischen Staatensystems könnte über dies Ereigniß triumphiren
wollen, und immer uoch würde sein Triumph ein sehr kurzsichtiger sein." --
"Wir haben im Laufe eines Jahres nicht erreichen können, was Andere nur in
Jahrhuuderien zu Stande gebracht. In dieser Thatsache kann ich mindestens
keinen Grund erblicken, um an der Sache zu verzweifeln. -- Aber ich gehe weiter
und behaupte: die endliche Lösung der jetzt verfehlten Aufgabe betrifft sehr nahe
den Frieden nud das Gleichgewicht Europa's. Ew. Herrl. in Ihrer hohen Stel¬
lung ist den Ereignissen viel zu aufmerksam gefolgt, um mit Gleichgültigkeit das
Mißlingen des Plans gesehen zu haben, der auf die Bahn gebracht war, einer
beständigen Defcnsiv-Allianz zwischen Oestreich und der Gesammtheit der übrigen
'deutschen Staaten, die letzteren dnrch eine einheitliche Vollzichnngsgcwalt und ein
Bnudcsparlamcnt unter einander verbunden. Ist ein solcher Stand der Dinge
erst einmal befestigt, so wird er in hohem Maße dazu beitragen, den Frieden
des Festlandes auf einer Grundlage zu sichern, welche der vereinte Ehrgeiz Frank-


Grenzvotc". III. I8Z1. 27

zu einer so schreienden Verletzung ihrer heiligsten Rechte sich hatte verleiten lassen.
Aber sie kennen kein Band, das sie mit Dänemark verbinden könnte, als nur so
laug und so sein der Mannsstamm der gegenwärtigen Dynastie herrscht, in
welchem sie jederzeit ihre rechtmäßigen Landesherren anerkannt haben. Kein Pro¬
tokoll wird sie jemals zu willigen Unterthanen eines russischen Vasallen bekehren,
und wenn jemals die europäische Diplomatie verblendet genug sein könnte, um
einen so nichtswürdigen Pact ihnen aufzudringen, daun erlauben Sie mir, My-
lord, herauSzusageu, was die Diplomatie nicht vermag: sie kann nicht verhin¬
dern, daß das nächste Geschlecht jene Ihre Protokolle in Stücke reiße. Die
Sache ist diese: Die Herzogthümer werden nicht dulden, daß man
ihnen sür alle Folgezeit die Aussicht verschließe, die gemeinsame
Geschichte Deutschlands zu theilen."

Es ist bekannt, wie gerade die Erwartung eines engern Zusammenschlusses der
verschiedenen deutschen Staaten an einander, also auch Holsteins an das übrige
Deutschland, vom rechtlichen sowohl als namentlich vom politischen Gesichtspunkte
aus ein den Ansprüche» der Herzogthümer ans ungestörtes Bcisammenbleiben
günstiges Arrangement verhindert. Die Antipathien Englands gegen dies
Beisammenbleiben der Herzogthümer müßten in demselben Grade sich mindern,
als es nicht zu befürchten hat, daß dadurch im Augenblicke die Macht, und
besonders die erstehende Seegeltuug, eines buudesstaatlich geeinten Deutsch¬
lands verstärkt werden möchte. Wie schwer daher auch dem Fürsprecher
Deutschlands das Bekenntniß fallen mochte, es mußte ausgesprochen werden, was
ja leider auch nur zu sehr in der Wahrheit beruht: „daß für jetzt die Herzog¬
thümer von Deutschland nichts zu hoffen haben." „Das jüngste Ringen der
Deutschen nach Freiheit und Einheit ist in der einen wie in der andern Rich¬
tung erfolglos gewesen. Diese Thatsache läßt sich nicht verbergen. Nur der
Feind des europäischen Staatensystems könnte über dies Ereigniß triumphiren
wollen, und immer uoch würde sein Triumph ein sehr kurzsichtiger sein." —
„Wir haben im Laufe eines Jahres nicht erreichen können, was Andere nur in
Jahrhuuderien zu Stande gebracht. In dieser Thatsache kann ich mindestens
keinen Grund erblicken, um an der Sache zu verzweifeln. — Aber ich gehe weiter
und behaupte: die endliche Lösung der jetzt verfehlten Aufgabe betrifft sehr nahe
den Frieden nud das Gleichgewicht Europa's. Ew. Herrl. in Ihrer hohen Stel¬
lung ist den Ereignissen viel zu aufmerksam gefolgt, um mit Gleichgültigkeit das
Mißlingen des Plans gesehen zu haben, der auf die Bahn gebracht war, einer
beständigen Defcnsiv-Allianz zwischen Oestreich und der Gesammtheit der übrigen
'deutschen Staaten, die letzteren dnrch eine einheitliche Vollzichnngsgcwalt und ein
Bnudcsparlamcnt unter einander verbunden. Ist ein solcher Stand der Dinge
erst einmal befestigt, so wird er in hohem Maße dazu beitragen, den Frieden
des Festlandes auf einer Grundlage zu sichern, welche der vereinte Ehrgeiz Frank-


Grenzvotc». III. I8Z1. 27
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/217>, abgerufen am 27.05.2024.