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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Die Union und die Liga.
Preußischer Brief.

Die Krisis, in welcher die Sache der Union in diesem Augenblicke schwebt,
macht es für die Partei der Union unerläßlich, sich ans die verschiedenen Even¬
tualitäten zu rüsten, und sich ernstlich die Frage vorzulegen, wie weit der Ge¬
danke, mit dem sie steht und fällt, auch im schlimmsten Falle noch festzuhalten ist.
Eine Einigung darüber, was die Partei selbst will, und über den Weg, den sie
einzuschlagen hat, um dieses Ziel, wenn auch nicht zu erreichen, doch wenigstens
nicht aus den Augen zu verlieren, thut viel dringender Roth als die unausgesetzte
Polemik gegen Preußen, die doch Keinem etwas Neues lehrt, denn daß Preußen
nicht im Sinne unserer Partei gehandelt, daß es sich durch eigene Schuld die
für seiue Ehre und seine Macht höchst bedenkliche Wendung der deutschen Ange¬
legenheiten zugezogen hat, darüber ist schon seit lauger Zeit kein Mensch mehr
im Unklare". Gerade weil die Partei zu viel, und unberechtigte Hoffnungen auf
Männer wie Nadowitz und Manteuffel gesetzt hat, ist sie jetzt in Gefahr, sich selbst
zu verlieren. Schon sangen einige Blätter, die bisher treu zu ihr gehalten, an,
sich die Möglichkeit eiuer Regeneration Deutschlands auf einem andern Wege als
dem der Union zu denke".

Dieses schwanke" ist höchst gefährlich für u"fere E"twickelu"g, u"d man
kauu uicht häufig genug folgende Wahrheit, die einzige Errungenschaft unserer
Revolution, in's Gedächtniß rufen: die Regeneration Deutschlands in der
Weise, daß eine gemeinsame, durch ein Volksparlgment inflnencirte Regierung es
gegen Außen hin mit souveräner Machtvollkommenheit vertritt, und im Innern
die allgemeinen Angelegenheiten ordnet, ist so lange unmöglich, als innerhalb des
Landes zwei souveräne, europäische Mächte sich befinden. Denn weder die eine
noch die andere wird sich in ernsthaften Dingen einer Abstimmung fügen, wo die
Entscheidung bei den Kleinstaaten ruhen müßte, und wo keine einheitliche Regie¬
rung da ist, ist ein Parlament etwas sehr Ueberflüssiges.

Eine Regeneration Deutschlands in diesem Sinne ist, wenn man von einer
demokratischen Revolution, die das Unterste zu oberst kehrt, und bei der man nie


Grcnzvoten. III. Ü850. 46
Die Union und die Liga.
Preußischer Brief.

Die Krisis, in welcher die Sache der Union in diesem Augenblicke schwebt,
macht es für die Partei der Union unerläßlich, sich ans die verschiedenen Even¬
tualitäten zu rüsten, und sich ernstlich die Frage vorzulegen, wie weit der Ge¬
danke, mit dem sie steht und fällt, auch im schlimmsten Falle noch festzuhalten ist.
Eine Einigung darüber, was die Partei selbst will, und über den Weg, den sie
einzuschlagen hat, um dieses Ziel, wenn auch nicht zu erreichen, doch wenigstens
nicht aus den Augen zu verlieren, thut viel dringender Roth als die unausgesetzte
Polemik gegen Preußen, die doch Keinem etwas Neues lehrt, denn daß Preußen
nicht im Sinne unserer Partei gehandelt, daß es sich durch eigene Schuld die
für seiue Ehre und seine Macht höchst bedenkliche Wendung der deutschen Ange¬
legenheiten zugezogen hat, darüber ist schon seit lauger Zeit kein Mensch mehr
im Unklare». Gerade weil die Partei zu viel, und unberechtigte Hoffnungen auf
Männer wie Nadowitz und Manteuffel gesetzt hat, ist sie jetzt in Gefahr, sich selbst
zu verlieren. Schon sangen einige Blätter, die bisher treu zu ihr gehalten, an,
sich die Möglichkeit eiuer Regeneration Deutschlands auf einem andern Wege als
dem der Union zu denke».

Dieses schwanke» ist höchst gefährlich für u»fere E»twickelu»g, u»d man
kauu uicht häufig genug folgende Wahrheit, die einzige Errungenschaft unserer
Revolution, in's Gedächtniß rufen: die Regeneration Deutschlands in der
Weise, daß eine gemeinsame, durch ein Volksparlgment inflnencirte Regierung es
gegen Außen hin mit souveräner Machtvollkommenheit vertritt, und im Innern
die allgemeinen Angelegenheiten ordnet, ist so lange unmöglich, als innerhalb des
Landes zwei souveräne, europäische Mächte sich befinden. Denn weder die eine
noch die andere wird sich in ernsthaften Dingen einer Abstimmung fügen, wo die
Entscheidung bei den Kleinstaaten ruhen müßte, und wo keine einheitliche Regie¬
rung da ist, ist ein Parlament etwas sehr Ueberflüssiges.

Eine Regeneration Deutschlands in diesem Sinne ist, wenn man von einer
demokratischen Revolution, die das Unterste zu oberst kehrt, und bei der man nie


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[0369] Die Union und die Liga. Preußischer Brief. Die Krisis, in welcher die Sache der Union in diesem Augenblicke schwebt, macht es für die Partei der Union unerläßlich, sich ans die verschiedenen Even¬ tualitäten zu rüsten, und sich ernstlich die Frage vorzulegen, wie weit der Ge¬ danke, mit dem sie steht und fällt, auch im schlimmsten Falle noch festzuhalten ist. Eine Einigung darüber, was die Partei selbst will, und über den Weg, den sie einzuschlagen hat, um dieses Ziel, wenn auch nicht zu erreichen, doch wenigstens nicht aus den Augen zu verlieren, thut viel dringender Roth als die unausgesetzte Polemik gegen Preußen, die doch Keinem etwas Neues lehrt, denn daß Preußen nicht im Sinne unserer Partei gehandelt, daß es sich durch eigene Schuld die für seiue Ehre und seine Macht höchst bedenkliche Wendung der deutschen Ange¬ legenheiten zugezogen hat, darüber ist schon seit lauger Zeit kein Mensch mehr im Unklare». Gerade weil die Partei zu viel, und unberechtigte Hoffnungen auf Männer wie Nadowitz und Manteuffel gesetzt hat, ist sie jetzt in Gefahr, sich selbst zu verlieren. Schon sangen einige Blätter, die bisher treu zu ihr gehalten, an, sich die Möglichkeit eiuer Regeneration Deutschlands auf einem andern Wege als dem der Union zu denke». Dieses schwanke» ist höchst gefährlich für u»fere E»twickelu»g, u»d man kauu uicht häufig genug folgende Wahrheit, die einzige Errungenschaft unserer Revolution, in's Gedächtniß rufen: die Regeneration Deutschlands in der Weise, daß eine gemeinsame, durch ein Volksparlgment inflnencirte Regierung es gegen Außen hin mit souveräner Machtvollkommenheit vertritt, und im Innern die allgemeinen Angelegenheiten ordnet, ist so lange unmöglich, als innerhalb des Landes zwei souveräne, europäische Mächte sich befinden. Denn weder die eine noch die andere wird sich in ernsthaften Dingen einer Abstimmung fügen, wo die Entscheidung bei den Kleinstaaten ruhen müßte, und wo keine einheitliche Regie¬ rung da ist, ist ein Parlament etwas sehr Ueberflüssiges. Eine Regeneration Deutschlands in diesem Sinne ist, wenn man von einer demokratischen Revolution, die das Unterste zu oberst kehrt, und bei der man nie Grcnzvoten. III. Ü850. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/369>, abgerufen am 08.05.2024.