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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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wissen könnte, was zuletzt daraus werden soll, abstrahirt, nnr auf zwei Wegen
denkbar.

Entweder verliert die eine der beiden Mächte ihre Souveränetät, und wird
ein Vasall der andern -- ein Fall, der uicht im Reich der Wahrscheinlichkei¬
ten liegt.

Oder die beiden Mächte trennen sich von einander, jede von ihnen zieht
diejenigen Kleinstaaten, die in ihr Rayon gehören, in ihren politischen Organismus,
und so ergänzt, treten sie dann mit einander in ein völkerrechtliches Bündniß.

Die letztere Form ist, abgesehen von ihrer leichtern Durchführung, auch darum
der ersten vorzuziehen, weil die Macht, welche die andere unterdrückt, bei der
Lage der Dinge doch uur Oestreich sein könnte; Oestreich darf aber in Deutsch¬
land darum die Hegemonie uicht führen, weil seine eigenthümlichen Bildungs¬
elemente von deu Deutschen wesentlich verschieden sind.

Es bleibt also die Bildung einer Union mit Preußen an der Spitze, wie die
Verhältnisse auch immer sich gestalte" mögen, der einzige rationelle Weg, uus
unserm eigentlichen Ziel zu nähern. Sehen wir zu, auf welche Weise sich auch sür
den schlimmsten Fall dieser Weg festhalten läßt.

Im Anfange, wo das Princip rein hervortrat, im Programm Gagern (mehr
als in der Verfassung vom 28. März, die sich den sehr bedenklichen Anschein gab,
als sollte das Gesammtgebiet des Bundes zum Reich gehören), und allenfalls auch
uoch in dem Dreiköuigsbünduiß, handelte es sich allerdings um eine unmittelbare
staatsrechtliche Trennung des deutschen Bundes in die Union einerseits, Oestreich
andererseits, und um die Anknüpfung eines neuen, völkerrechtlichen Verhältnisses
zwischen beiden Staatsgebieten.

Als aber durch den Abfall Hannovers die geographische Basis der Union
durchlöchert wurde, konnte von eiuer solchen Scheidung nicht mehr die Rede sei",
um so mehr, da die eigenthümliche Verwickelung der Schleswig-holsteinschen
Rechtsfrage einen völkerrechtlich anerkannten Rechtsboden nothwendig machte, und
da dieser kein anderer sein konnte, als die Bundesacte.

Sobald mau die Nothwendigkeit einer Reorganisation des alten Bundes an¬
erkennt, handelt es sich nur um die Modalität derselben. Hier ist -- abgesehen
von dem Streit über den Vorsitz, den man als eine bloße Frage der Etikette
füglich bei Seite setzen kann -- der wesentlichste Differenzpnnkt zwischen den
beiden Heerlagern ein doppelter gewesen.

Einmal bestreitet Oestreich die Möglichkeit, eine Reform der Bundesverfassung,
gegen die es an sich nichts einzuwenden hat, auf einem andern, als dem in der
alten Bundesverfassung vorgesehenen Wege eintreten zu lassen.

Sodann bestreitet es Preußen das Recht, mit der Bildung eines Separat-
bnndes vorschreiten zu dürfen, bevor auf buudeSrechtlichcm Wege darüber ent¬
schieden, ob derselbe mit dem weiteren Bund überhaupt in Einklang zu bringen


wissen könnte, was zuletzt daraus werden soll, abstrahirt, nnr auf zwei Wegen
denkbar.

Entweder verliert die eine der beiden Mächte ihre Souveränetät, und wird
ein Vasall der andern — ein Fall, der uicht im Reich der Wahrscheinlichkei¬
ten liegt.

Oder die beiden Mächte trennen sich von einander, jede von ihnen zieht
diejenigen Kleinstaaten, die in ihr Rayon gehören, in ihren politischen Organismus,
und so ergänzt, treten sie dann mit einander in ein völkerrechtliches Bündniß.

Die letztere Form ist, abgesehen von ihrer leichtern Durchführung, auch darum
der ersten vorzuziehen, weil die Macht, welche die andere unterdrückt, bei der
Lage der Dinge doch uur Oestreich sein könnte; Oestreich darf aber in Deutsch¬
land darum die Hegemonie uicht führen, weil seine eigenthümlichen Bildungs¬
elemente von deu Deutschen wesentlich verschieden sind.

Es bleibt also die Bildung einer Union mit Preußen an der Spitze, wie die
Verhältnisse auch immer sich gestalte» mögen, der einzige rationelle Weg, uus
unserm eigentlichen Ziel zu nähern. Sehen wir zu, auf welche Weise sich auch sür
den schlimmsten Fall dieser Weg festhalten läßt.

Im Anfange, wo das Princip rein hervortrat, im Programm Gagern (mehr
als in der Verfassung vom 28. März, die sich den sehr bedenklichen Anschein gab,
als sollte das Gesammtgebiet des Bundes zum Reich gehören), und allenfalls auch
uoch in dem Dreiköuigsbünduiß, handelte es sich allerdings um eine unmittelbare
staatsrechtliche Trennung des deutschen Bundes in die Union einerseits, Oestreich
andererseits, und um die Anknüpfung eines neuen, völkerrechtlichen Verhältnisses
zwischen beiden Staatsgebieten.

Als aber durch den Abfall Hannovers die geographische Basis der Union
durchlöchert wurde, konnte von eiuer solchen Scheidung nicht mehr die Rede sei»,
um so mehr, da die eigenthümliche Verwickelung der Schleswig-holsteinschen
Rechtsfrage einen völkerrechtlich anerkannten Rechtsboden nothwendig machte, und
da dieser kein anderer sein konnte, als die Bundesacte.

Sobald mau die Nothwendigkeit einer Reorganisation des alten Bundes an¬
erkennt, handelt es sich nur um die Modalität derselben. Hier ist — abgesehen
von dem Streit über den Vorsitz, den man als eine bloße Frage der Etikette
füglich bei Seite setzen kann — der wesentlichste Differenzpnnkt zwischen den
beiden Heerlagern ein doppelter gewesen.

Einmal bestreitet Oestreich die Möglichkeit, eine Reform der Bundesverfassung,
gegen die es an sich nichts einzuwenden hat, auf einem andern, als dem in der
alten Bundesverfassung vorgesehenen Wege eintreten zu lassen.

Sodann bestreitet es Preußen das Recht, mit der Bildung eines Separat-
bnndes vorschreiten zu dürfen, bevor auf buudeSrechtlichcm Wege darüber ent¬
schieden, ob derselbe mit dem weiteren Bund überhaupt in Einklang zu bringen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/370>, abgerufen am 19.05.2024.