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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Nun meine Mus in ferne Zeiten
Sich schwingt, zwei Wandrer zu begleiten
Durch dieses Thal, das fclsumglänzte,
Bon Erz durchblinkte, waldbekränzte, --
Welch finstre Oedniß noch ! Sie findet
Kein Sicdlcrhauö, sie zu bewirthen u. s. w.

Man bemerke die Abkürzung "Mus'", die Inversion "sich schwingt", die
Concession an den Nein "fclsumglänzte" (ein waldbekränzteö Thal können Felsen
nicht gut umgläuzcn, denn offenbar sind sie mit Holz bewachsen und glänzen uicht;
aber auch abgesehen davon glänzen Felsen um das Thal uur selten, etwa Kalk-
formation auf der Sonnenseite, und auch dann ist "umglänzcn" noch ein etwas
gezierter Ausdruck); die harte Apposition "(das) von Erz durchblinkte", wobei
das Particip des Passivs eine kühne Bildung genannt werden darf; die neue Form
"Oedniß"; die Härte deö wiederholten "Sie," das erste ist auf Muse zu be¬
ziehen, nicht aber, wie mau versucht ist, auf Oeduiß u. f. w. -- Zuweilen geht
Pegasus eine Seite lang in den Versen ziemlich glatt vorwärts, dann aber kehrt
sicher der harte Oppositionstrab gegen Grammatik und Verskunst mit verdop¬
pelter Schnelligkeit der Stöße wieder. Das geht nicht länger so; eine respectable,
dem deutschen Volke theure Dichterkraft ist in dringender Gefahr durch solche
Nachlässigkeiten ungenießbar zu werden und zu verkommen; noch ist es bei einiger
Anstrengung dem Dichter möglich, die Sprache seiner Dichtungen zu verbessern;
aber freilich ist's auch die höchste Zeit. -- Das herrschende Versmaß des Gedichtes
der gereimte Jaub ans vier Hebungen, ist für das Deutsch des 19. Jahrhunderts
in langen Gedichten zu monoton. Die deutsche Sprache zur Zeit Gottfrieds von
Straßburg und des Strickers war sehr viel melodischer und sinnlich schöner, als
unser Deutsch ist, damals klapperte das kurze Metrum noch nicht, was jetzt nicht
zu vermeiden ist; und doch ist es auch in den alten Gedichten schon ermüdend.

Und so zieh in die Welt, Pfaff vom Kahlenberg, die Grünen in Leipzig
haben nach ihrer groben Art auch dir einige Schläge' auf die Kapuze gegeben,
du wirst dich deshalb dem deutschen Publicum doch als das gemächliche/launige
Kerlchen erweisen, das du von Haus aus bist.




Mtemoiren des Generals Wysoeki*).

Nach dem Polnischen.

(Fortsetzung und Schluß.)

Von Nagy Szarlo marschirte meine Brigade die ganze, Nacht bis an die
Knie im Koth und Wasser nach Komorn, später kam der Nest der Görgeyschcn
Armee. Wir ruheten einige Tage, während der eine Brücke über die Donau
geschlagen wurde. Deu 26. April ging die Brigade Knesycz hinüber und griff
mit dem Bayonnet die östreichischen Schanzen an, Klapka ging nach mit seinem
Corps und auch meine Division, und nun kam es zu einem heftigen Kampf, in



*) Diese Memoiren, vom General selbst niedergeschrieben, etwa S0 Bogen Manuscript,
erschienen im Feuilleton der polnischen Zeitung in Posen. Wir theilen di ichtist Ab¬
ewgen
Die Red. schnitte in wörtlicher Übertragung hier mit.

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Nun meine Mus in ferne Zeiten
Sich schwingt, zwei Wandrer zu begleiten
Durch dieses Thal, das fclsumglänzte,
Bon Erz durchblinkte, waldbekränzte, —
Welch finstre Oedniß noch ! Sie findet
Kein Sicdlcrhauö, sie zu bewirthen u. s. w.

Man bemerke die Abkürzung „Mus'", die Inversion „sich schwingt", die
Concession an den Nein „fclsumglänzte" (ein waldbekränzteö Thal können Felsen
nicht gut umgläuzcn, denn offenbar sind sie mit Holz bewachsen und glänzen uicht;
aber auch abgesehen davon glänzen Felsen um das Thal uur selten, etwa Kalk-
formation auf der Sonnenseite, und auch dann ist „umglänzcn" noch ein etwas
gezierter Ausdruck); die harte Apposition „(das) von Erz durchblinkte", wobei
das Particip des Passivs eine kühne Bildung genannt werden darf; die neue Form
„Oedniß"; die Härte deö wiederholten „Sie," das erste ist auf Muse zu be¬
ziehen, nicht aber, wie mau versucht ist, auf Oeduiß u. f. w. — Zuweilen geht
Pegasus eine Seite lang in den Versen ziemlich glatt vorwärts, dann aber kehrt
sicher der harte Oppositionstrab gegen Grammatik und Verskunst mit verdop¬
pelter Schnelligkeit der Stöße wieder. Das geht nicht länger so; eine respectable,
dem deutschen Volke theure Dichterkraft ist in dringender Gefahr durch solche
Nachlässigkeiten ungenießbar zu werden und zu verkommen; noch ist es bei einiger
Anstrengung dem Dichter möglich, die Sprache seiner Dichtungen zu verbessern;
aber freilich ist's auch die höchste Zeit. — Das herrschende Versmaß des Gedichtes
der gereimte Jaub ans vier Hebungen, ist für das Deutsch des 19. Jahrhunderts
in langen Gedichten zu monoton. Die deutsche Sprache zur Zeit Gottfrieds von
Straßburg und des Strickers war sehr viel melodischer und sinnlich schöner, als
unser Deutsch ist, damals klapperte das kurze Metrum noch nicht, was jetzt nicht
zu vermeiden ist; und doch ist es auch in den alten Gedichten schon ermüdend.

Und so zieh in die Welt, Pfaff vom Kahlenberg, die Grünen in Leipzig
haben nach ihrer groben Art auch dir einige Schläge' auf die Kapuze gegeben,
du wirst dich deshalb dem deutschen Publicum doch als das gemächliche/launige
Kerlchen erweisen, das du von Haus aus bist.




Mtemoiren des Generals Wysoeki*).

Nach dem Polnischen.

(Fortsetzung und Schluß.)

Von Nagy Szarlo marschirte meine Brigade die ganze, Nacht bis an die
Knie im Koth und Wasser nach Komorn, später kam der Nest der Görgeyschcn
Armee. Wir ruheten einige Tage, während der eine Brücke über die Donau
geschlagen wurde. Deu 26. April ging die Brigade Knesycz hinüber und griff
mit dem Bayonnet die östreichischen Schanzen an, Klapka ging nach mit seinem
Corps und auch meine Division, und nun kam es zu einem heftigen Kampf, in



*) Diese Memoiren, vom General selbst niedergeschrieben, etwa S0 Bogen Manuscript,
erschienen im Feuilleton der polnischen Zeitung in Posen. Wir theilen di ichtist Ab¬
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Die Red. schnitte in wörtlicher Übertragung hier mit.
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[0037] Wörtern oder Sätzen; ungenirtes Bilden höchst neuer Zusammensetzungen kommt auf jeder Seite vor. Z. B:' Nun meine Mus in ferne Zeiten Sich schwingt, zwei Wandrer zu begleiten Durch dieses Thal, das fclsumglänzte, Bon Erz durchblinkte, waldbekränzte, — Welch finstre Oedniß noch ! Sie findet Kein Sicdlcrhauö, sie zu bewirthen u. s. w. Man bemerke die Abkürzung „Mus'", die Inversion „sich schwingt", die Concession an den Nein „fclsumglänzte" (ein waldbekränzteö Thal können Felsen nicht gut umgläuzcn, denn offenbar sind sie mit Holz bewachsen und glänzen uicht; aber auch abgesehen davon glänzen Felsen um das Thal uur selten, etwa Kalk- formation auf der Sonnenseite, und auch dann ist „umglänzcn" noch ein etwas gezierter Ausdruck); die harte Apposition „(das) von Erz durchblinkte", wobei das Particip des Passivs eine kühne Bildung genannt werden darf; die neue Form „Oedniß"; die Härte deö wiederholten „Sie," das erste ist auf Muse zu be¬ ziehen, nicht aber, wie mau versucht ist, auf Oeduiß u. f. w. — Zuweilen geht Pegasus eine Seite lang in den Versen ziemlich glatt vorwärts, dann aber kehrt sicher der harte Oppositionstrab gegen Grammatik und Verskunst mit verdop¬ pelter Schnelligkeit der Stöße wieder. Das geht nicht länger so; eine respectable, dem deutschen Volke theure Dichterkraft ist in dringender Gefahr durch solche Nachlässigkeiten ungenießbar zu werden und zu verkommen; noch ist es bei einiger Anstrengung dem Dichter möglich, die Sprache seiner Dichtungen zu verbessern; aber freilich ist's auch die höchste Zeit. — Das herrschende Versmaß des Gedichtes der gereimte Jaub ans vier Hebungen, ist für das Deutsch des 19. Jahrhunderts in langen Gedichten zu monoton. Die deutsche Sprache zur Zeit Gottfrieds von Straßburg und des Strickers war sehr viel melodischer und sinnlich schöner, als unser Deutsch ist, damals klapperte das kurze Metrum noch nicht, was jetzt nicht zu vermeiden ist; und doch ist es auch in den alten Gedichten schon ermüdend. Und so zieh in die Welt, Pfaff vom Kahlenberg, die Grünen in Leipzig haben nach ihrer groben Art auch dir einige Schläge' auf die Kapuze gegeben, du wirst dich deshalb dem deutschen Publicum doch als das gemächliche/launige Kerlchen erweisen, das du von Haus aus bist. Mtemoiren des Generals Wysoeki*). Nach dem Polnischen. (Fortsetzung und Schluß.) Von Nagy Szarlo marschirte meine Brigade die ganze, Nacht bis an die Knie im Koth und Wasser nach Komorn, später kam der Nest der Görgeyschcn Armee. Wir ruheten einige Tage, während der eine Brücke über die Donau geschlagen wurde. Deu 26. April ging die Brigade Knesycz hinüber und griff mit dem Bayonnet die östreichischen Schanzen an, Klapka ging nach mit seinem Corps und auch meine Division, und nun kam es zu einem heftigen Kampf, in *) Diese Memoiren, vom General selbst niedergeschrieben, etwa S0 Bogen Manuscript, erschienen im Feuilleton der polnischen Zeitung in Posen. Wir theilen di ichtist Ab¬ ewgen Die Red. schnitte in wörtlicher Übertragung hier mit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/37>, abgerufen am 07.05.2024.