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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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dem wir siegten. Der Feind zog sich nach Raab zurück. Ein Moment war in
der Schlacht uns gefahrbringend; ein Corps ungarischer Husaren riß in wilder
Flucht, nachdem ihm ein Angriff mislungen war, unsere Reiterei unter PouiuSki
mit sich, und glücklicherweise hielt nur noch unsere Infanterie und Artillerie
den Choc aus. Großes Murren entstand hieraus in der polnischen Legion,
und ich hatte viele Mühe, die jungen Leute davon abzuhalten, die Dimission zu
nehmen. Obschon sich die polnischen Truppen bei Komorn ausgezeichnet hatten,
erhielten sie doch keine militärischen Ehrenzeichen, so daß selbst Klapka, Damian'ez
und Szandor den Görgey auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machten. Ich bat
anch, mir das Commando meiner Division zu nehmen, da ich blos die polnische
Legion befehligen wolle. Hierauf bat mich Gvrgey zu sich und dankte mir in
Gegenwart der Generale Klapka und Szandor für meine erfolgreichen Dienste,
lobte die Tapferkeit der polnischen Legion und entschuldigte die bisherige Unter¬
lassung eines offiziellen Anerkenntnisses durch politische Rücksichten, außerdem er¬
klärte er, der Moment wäre gekommen, daß die Polen allein an ihr Vaterland
würden denken können; alle polnische Legionen sollten unter meinem Oberbefehl
vereint werdeu und vielleicht in Pesth. Unterdessen sollte ich eine Division mit
Artillerie bilden und, um die Sache zu fordern, mit Klapka, der zum Kriegsmi¬
nister ernannt sei, nach Debreeyu sahren; übrigens hatte er mich zum General
vorgeschlagen. Auf dem Wege nach Pesth traf ich unser 2. Ulahnenregiment,
welches ich nach Pesth einführte, um sich später mit der ganzen Legion zu ver¬
einigen. In Dcbrcczyn erhielt ich meine Ernennung zum General, Hauptführer
aller Polen in Ungarn und der Vollmacht, eine Division in Miskolcz zu organi-
siren, in welcher ich alle östreichische Ueberläufer ans Galizien aufnehmen dürfte.
Allen Polen in ungarischen Regimentern sollte freistehen, in die polnische Legion
überzugehen, alle Vorschläge zu Ernennungen jedes Rangs sollten nur von mir
ausgehen, und uach Organisation der polnischen Division wurde ich zum Corps
des in Oberungarn commandirenden Dembinski gestellt. In einer Audienz,
die ich bei Kossuth hatte, schien dieser viel Zutrauen in mich zu setzen; wir
sprachen von unseru Verhältnissen, dem drohenden Einbruch der Russen, und end¬
lich eröffnete er mir, daß Dembinski in Galizien einrücken wolle, daß er aber
unter den bestehenden ganz entgegengesetzter Meinung sei, indem Dembinski nur
schwach sei und blos ungarische Truppen befestige; er wünsche, daß die Polen
zuerst in Galizien einrücken, wenn sie dazu stark genug sein möchten. Die ma¬
gyarischen Truppen wären noch in Ungarn sehr nöthig, später erst würden sie
helfen können. Schließlich ersuchte er mich, dieses dem General Dembinski münd¬
lich auseinander zu setzen.

Sogleich begab ich mich ins Dembinski'sche Hauptquartier; unterwegs traf ich
eine Abtheilung Polen unter dem Major Englert, der zum Bataillon Jdzikowski
gehörte und meist aus östreichischen unzuverlässigen Ueberlaufen bestand; ich gab


dem wir siegten. Der Feind zog sich nach Raab zurück. Ein Moment war in
der Schlacht uns gefahrbringend; ein Corps ungarischer Husaren riß in wilder
Flucht, nachdem ihm ein Angriff mislungen war, unsere Reiterei unter PouiuSki
mit sich, und glücklicherweise hielt nur noch unsere Infanterie und Artillerie
den Choc aus. Großes Murren entstand hieraus in der polnischen Legion,
und ich hatte viele Mühe, die jungen Leute davon abzuhalten, die Dimission zu
nehmen. Obschon sich die polnischen Truppen bei Komorn ausgezeichnet hatten,
erhielten sie doch keine militärischen Ehrenzeichen, so daß selbst Klapka, Damian'ez
und Szandor den Görgey auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machten. Ich bat
anch, mir das Commando meiner Division zu nehmen, da ich blos die polnische
Legion befehligen wolle. Hierauf bat mich Gvrgey zu sich und dankte mir in
Gegenwart der Generale Klapka und Szandor für meine erfolgreichen Dienste,
lobte die Tapferkeit der polnischen Legion und entschuldigte die bisherige Unter¬
lassung eines offiziellen Anerkenntnisses durch politische Rücksichten, außerdem er¬
klärte er, der Moment wäre gekommen, daß die Polen allein an ihr Vaterland
würden denken können; alle polnische Legionen sollten unter meinem Oberbefehl
vereint werdeu und vielleicht in Pesth. Unterdessen sollte ich eine Division mit
Artillerie bilden und, um die Sache zu fordern, mit Klapka, der zum Kriegsmi¬
nister ernannt sei, nach Debreeyu sahren; übrigens hatte er mich zum General
vorgeschlagen. Auf dem Wege nach Pesth traf ich unser 2. Ulahnenregiment,
welches ich nach Pesth einführte, um sich später mit der ganzen Legion zu ver¬
einigen. In Dcbrcczyn erhielt ich meine Ernennung zum General, Hauptführer
aller Polen in Ungarn und der Vollmacht, eine Division in Miskolcz zu organi-
siren, in welcher ich alle östreichische Ueberläufer ans Galizien aufnehmen dürfte.
Allen Polen in ungarischen Regimentern sollte freistehen, in die polnische Legion
überzugehen, alle Vorschläge zu Ernennungen jedes Rangs sollten nur von mir
ausgehen, und uach Organisation der polnischen Division wurde ich zum Corps
des in Oberungarn commandirenden Dembinski gestellt. In einer Audienz,
die ich bei Kossuth hatte, schien dieser viel Zutrauen in mich zu setzen; wir
sprachen von unseru Verhältnissen, dem drohenden Einbruch der Russen, und end¬
lich eröffnete er mir, daß Dembinski in Galizien einrücken wolle, daß er aber
unter den bestehenden ganz entgegengesetzter Meinung sei, indem Dembinski nur
schwach sei und blos ungarische Truppen befestige; er wünsche, daß die Polen
zuerst in Galizien einrücken, wenn sie dazu stark genug sein möchten. Die ma¬
gyarischen Truppen wären noch in Ungarn sehr nöthig, später erst würden sie
helfen können. Schließlich ersuchte er mich, dieses dem General Dembinski münd¬
lich auseinander zu setzen.

Sogleich begab ich mich ins Dembinski'sche Hauptquartier; unterwegs traf ich
eine Abtheilung Polen unter dem Major Englert, der zum Bataillon Jdzikowski
gehörte und meist aus östreichischen unzuverlässigen Ueberlaufen bestand; ich gab


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/38>, abgerufen am 19.05.2024.