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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Leipzig und die bildende Kunst.

Um die Ursachen erschöpfend zu beleuchten, weshalb die bildende Kunst in
Leipzigs Mauern bis jetzt ein Stiefkind geblieben ist, wäre es notwendig, eine
Charakteristik der Leipziger zu geben mit all ihrem äußerlichen Hange zum gro߬
städtischen Leben und ihrem doch ängstlichen Kleben an kleinstädtischen Familien-
gcwohnheiten und Vorurtheilen. Dies kann hier unsere Absicht nicht sein, und
wir halten' uns daher einfach an die Facta. Leipzig in seinem Verhältnis) zur
Kunst ist uus immer vorgekommen wie jener Schwätzer, der stets mit dem zu
glänzen suchte, was er ebeu im Convcrsatiouslexicon nachgelesen; es scheut keine
Mittel, durch die es hofft, von sich als Knnstbcschützcrin reden zu machen, wäh¬
rend es wenig oder nichts thut, um die Kunst wirklich in' seinen Mauern ein¬
heimisch zu machen. Leipzig hat eine Akademie der Künste, aber es keunt sie
kaum; es hat einen Kunstverein, aber keine Künstler, denn schwerlich wird es die¬
jenigen als sein eigen betrachten können, die sich längere oder kürzere Zeit hier
aufhalten, um es bald wieder zu verlassen. Wir werden später aus diese Insti¬
tute und ihre Mängel zurückkommen; vor Allein müssen wir eines Privatuntcr-
nehmcns erwähnen, dem es zuerst gelungen ist, eine regere und allgemeinere
Theilnahme für die Kunst in Leipzig zu erwecken.

Es ist die permanente Ausstellung von Del Becchio, vor etwa
3 Jahren durch den Besitzer der Del Vecchio'schen Kunsthandlung, Herrn Sü߬
milch, gegründet und dnrch den rastlosen Eifer und die unermüdetsten Bestrebungen
dieses Mannes schon zu einer Festigkeit und Wirksamkeit herangereift, die den
besten und segensreichsten Erfolg für die Zukunft erwarten lassen. Die Localität
ist in der bequemsten und vortheilhaftesten Lage, die Einrichtung ansprechend und
würdig. Eine fortwährende wöchentliche Ergänzung und theilweise Erneuerung
der ausgestellten Gegenstände dnrch die jedesmal in den letzten 8 Tagen ange¬
kommenen Gemälde erhält die Theilnahme des Publicums frisch und rege und
macht besonders am Sonntag die Ausstellung zum Sammelplatz der gebildeten
und schönen Welt.

ES ist Herrn Süßmilch gelungen, bedeutende Kräfte nnter den Künstlern
Deutschlands sür sein Institut zu interessiren, und so haben wir denn auch Ge¬
mälde vou großem Kunstwerth bewundern dürfen. Wir erwähnen nnter den früher
gesehenen nnr oberflächlich: das goldene Zeitalter von Professor Hübner, die
beiden italienischen Landschaften von Gurlitt, die Verurtheilung des Huß von
Martcrstcig u. a. in. Auch von den jetzt ausgestellten Bildern wollen wir um
einige andeuten, vielleicht ist es später gestattet, über manches Ausgezeichnetere
ausführlicher in diesen Blättern zu schreiben. Gedenken wir vor allem Andern
der Landschaft von Lindlaar in Düsseldorf: "das Wetterhorn in der Schweiz",


Grenzvotcn. III. 18S0. 48
Leipzig und die bildende Kunst.

Um die Ursachen erschöpfend zu beleuchten, weshalb die bildende Kunst in
Leipzigs Mauern bis jetzt ein Stiefkind geblieben ist, wäre es notwendig, eine
Charakteristik der Leipziger zu geben mit all ihrem äußerlichen Hange zum gro߬
städtischen Leben und ihrem doch ängstlichen Kleben an kleinstädtischen Familien-
gcwohnheiten und Vorurtheilen. Dies kann hier unsere Absicht nicht sein, und
wir halten' uns daher einfach an die Facta. Leipzig in seinem Verhältnis) zur
Kunst ist uus immer vorgekommen wie jener Schwätzer, der stets mit dem zu
glänzen suchte, was er ebeu im Convcrsatiouslexicon nachgelesen; es scheut keine
Mittel, durch die es hofft, von sich als Knnstbcschützcrin reden zu machen, wäh¬
rend es wenig oder nichts thut, um die Kunst wirklich in' seinen Mauern ein¬
heimisch zu machen. Leipzig hat eine Akademie der Künste, aber es keunt sie
kaum; es hat einen Kunstverein, aber keine Künstler, denn schwerlich wird es die¬
jenigen als sein eigen betrachten können, die sich längere oder kürzere Zeit hier
aufhalten, um es bald wieder zu verlassen. Wir werden später aus diese Insti¬
tute und ihre Mängel zurückkommen; vor Allein müssen wir eines Privatuntcr-
nehmcns erwähnen, dem es zuerst gelungen ist, eine regere und allgemeinere
Theilnahme für die Kunst in Leipzig zu erwecken.

Es ist die permanente Ausstellung von Del Becchio, vor etwa
3 Jahren durch den Besitzer der Del Vecchio'schen Kunsthandlung, Herrn Sü߬
milch, gegründet und dnrch den rastlosen Eifer und die unermüdetsten Bestrebungen
dieses Mannes schon zu einer Festigkeit und Wirksamkeit herangereift, die den
besten und segensreichsten Erfolg für die Zukunft erwarten lassen. Die Localität
ist in der bequemsten und vortheilhaftesten Lage, die Einrichtung ansprechend und
würdig. Eine fortwährende wöchentliche Ergänzung und theilweise Erneuerung
der ausgestellten Gegenstände dnrch die jedesmal in den letzten 8 Tagen ange¬
kommenen Gemälde erhält die Theilnahme des Publicums frisch und rege und
macht besonders am Sonntag die Ausstellung zum Sammelplatz der gebildeten
und schönen Welt.

ES ist Herrn Süßmilch gelungen, bedeutende Kräfte nnter den Künstlern
Deutschlands sür sein Institut zu interessiren, und so haben wir denn auch Ge¬
mälde vou großem Kunstwerth bewundern dürfen. Wir erwähnen nnter den früher
gesehenen nnr oberflächlich: das goldene Zeitalter von Professor Hübner, die
beiden italienischen Landschaften von Gurlitt, die Verurtheilung des Huß von
Martcrstcig u. a. in. Auch von den jetzt ausgestellten Bildern wollen wir um
einige andeuten, vielleicht ist es später gestattet, über manches Ausgezeichnetere
ausführlicher in diesen Blättern zu schreiben. Gedenken wir vor allem Andern
der Landschaft von Lindlaar in Düsseldorf: „das Wetterhorn in der Schweiz",


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[0385] Leipzig und die bildende Kunst. Um die Ursachen erschöpfend zu beleuchten, weshalb die bildende Kunst in Leipzigs Mauern bis jetzt ein Stiefkind geblieben ist, wäre es notwendig, eine Charakteristik der Leipziger zu geben mit all ihrem äußerlichen Hange zum gro߬ städtischen Leben und ihrem doch ängstlichen Kleben an kleinstädtischen Familien- gcwohnheiten und Vorurtheilen. Dies kann hier unsere Absicht nicht sein, und wir halten' uns daher einfach an die Facta. Leipzig in seinem Verhältnis) zur Kunst ist uus immer vorgekommen wie jener Schwätzer, der stets mit dem zu glänzen suchte, was er ebeu im Convcrsatiouslexicon nachgelesen; es scheut keine Mittel, durch die es hofft, von sich als Knnstbcschützcrin reden zu machen, wäh¬ rend es wenig oder nichts thut, um die Kunst wirklich in' seinen Mauern ein¬ heimisch zu machen. Leipzig hat eine Akademie der Künste, aber es keunt sie kaum; es hat einen Kunstverein, aber keine Künstler, denn schwerlich wird es die¬ jenigen als sein eigen betrachten können, die sich längere oder kürzere Zeit hier aufhalten, um es bald wieder zu verlassen. Wir werden später aus diese Insti¬ tute und ihre Mängel zurückkommen; vor Allein müssen wir eines Privatuntcr- nehmcns erwähnen, dem es zuerst gelungen ist, eine regere und allgemeinere Theilnahme für die Kunst in Leipzig zu erwecken. Es ist die permanente Ausstellung von Del Becchio, vor etwa 3 Jahren durch den Besitzer der Del Vecchio'schen Kunsthandlung, Herrn Sü߬ milch, gegründet und dnrch den rastlosen Eifer und die unermüdetsten Bestrebungen dieses Mannes schon zu einer Festigkeit und Wirksamkeit herangereift, die den besten und segensreichsten Erfolg für die Zukunft erwarten lassen. Die Localität ist in der bequemsten und vortheilhaftesten Lage, die Einrichtung ansprechend und würdig. Eine fortwährende wöchentliche Ergänzung und theilweise Erneuerung der ausgestellten Gegenstände dnrch die jedesmal in den letzten 8 Tagen ange¬ kommenen Gemälde erhält die Theilnahme des Publicums frisch und rege und macht besonders am Sonntag die Ausstellung zum Sammelplatz der gebildeten und schönen Welt. ES ist Herrn Süßmilch gelungen, bedeutende Kräfte nnter den Künstlern Deutschlands sür sein Institut zu interessiren, und so haben wir denn auch Ge¬ mälde vou großem Kunstwerth bewundern dürfen. Wir erwähnen nnter den früher gesehenen nnr oberflächlich: das goldene Zeitalter von Professor Hübner, die beiden italienischen Landschaften von Gurlitt, die Verurtheilung des Huß von Martcrstcig u. a. in. Auch von den jetzt ausgestellten Bildern wollen wir um einige andeuten, vielleicht ist es später gestattet, über manches Ausgezeichnetere ausführlicher in diesen Blättern zu schreiben. Gedenken wir vor allem Andern der Landschaft von Lindlaar in Düsseldorf: „das Wetterhorn in der Schweiz", Grenzvotcn. III. 18S0. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/385>, abgerufen am 07.05.2024.