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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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maßliche Anmuth und Schönheit, und mit langen Erkundigungen über das Befinden
der weiblichen Angehörigen meines Hauses ein. . ."

Der General wurde plötzlich dnrch einen von der Festung ans abgefeuerten
und in den Bergen rings donnernd wiederhallenden Kanonenschuß unterbrochen
"Was ist das?" scholl es von allen Seiten. Die Tscherkessen sprangen ans und
wollten sich der Waffen bemächtigen, die Soldaten widersetzten sich. Allgemeine
Verwirrung. Der General trat auf den ältesten Häuptling zu und rief in ernstem
Tone: "Ich mache Dich verantwortlich für das Betragen Deiner Leute; ich werde
nachforschen lassen, was es mit dem Kanonenschuß ans sich hat, und nachher sprechen
wir weiter." Der Dolmetsch wiederholte sofort die Worte des Generals, aber
es dauerte doch einige Zeit, bevor die stolzen Bergsöhne sich zur Ruhe bringen
ließen, denn militärische Disciplin ist bei den Tscherkessen vollständig unbekannt.

Inzwischen kehrten die Offiziere zurück, welche in die Festung entsendet
waren, um Kunde über die Veranlassung des Fcucrus einzuziehen.

Der Bericht lautete: es hätte sich ein Trupp tscherkessischer Reiter in der
Nähe der Festung gezeigt, und der Commandant hätte sogleich mit Kartätschen
dazwischen schießen lassen, nach der vereinbarten Bestimmung, daß sich während
der Verhandlungen keine Tscherkessen in der Gegend blicken lassen sollten.

"Sind Verwundungen vorgekommen?" fragte der General.

"So viel man wahrnehmen konnte, sind zwei Reiter gestürzt" -- erwiderte
der Gefragte.

Wiederum entstand eine gewaltige Aufregung unter den Tscherkessen, und
die wortführeudcn Häuptlinge hatten große Mühe, den Kriegern auseinander-
zusetzen, daß der Kommandant der Festung nur der getroffenen Vereinbarung
gemäß gehandelt habe.

Dem General selbst war der Vorfall sehr unangenehm. Er kannte die
Tscherkessen zu gut, um uicht zu wissen, daß bei ihnen nichts ungerächt bleibt.
Es gelang ihm zwar, die Unterhandlungen noch einmal anzuknüpfen, aber man
kam dabei ebenso wenig zu einem Resultate wie'vorher.

Mit anbrechendem Abend wurde die Zusammenknifft ausgehoben und der
Abschied trug jedenfalls ein minder freundliches Gepräge als die erste Begrü¬
ßung. Die Blicke der stolzen Krieger verhießen nichts Gries, als sie ihre Waf¬
fen wieder umgürteten und sich auf ihre Rosse schwangen, um davon zu eilen in
die heimathlichen Berge.




maßliche Anmuth und Schönheit, und mit langen Erkundigungen über das Befinden
der weiblichen Angehörigen meines Hauses ein. . ."

Der General wurde plötzlich dnrch einen von der Festung ans abgefeuerten
und in den Bergen rings donnernd wiederhallenden Kanonenschuß unterbrochen
„Was ist das?" scholl es von allen Seiten. Die Tscherkessen sprangen ans und
wollten sich der Waffen bemächtigen, die Soldaten widersetzten sich. Allgemeine
Verwirrung. Der General trat auf den ältesten Häuptling zu und rief in ernstem
Tone: „Ich mache Dich verantwortlich für das Betragen Deiner Leute; ich werde
nachforschen lassen, was es mit dem Kanonenschuß ans sich hat, und nachher sprechen
wir weiter." Der Dolmetsch wiederholte sofort die Worte des Generals, aber
es dauerte doch einige Zeit, bevor die stolzen Bergsöhne sich zur Ruhe bringen
ließen, denn militärische Disciplin ist bei den Tscherkessen vollständig unbekannt.

Inzwischen kehrten die Offiziere zurück, welche in die Festung entsendet
waren, um Kunde über die Veranlassung des Fcucrus einzuziehen.

Der Bericht lautete: es hätte sich ein Trupp tscherkessischer Reiter in der
Nähe der Festung gezeigt, und der Commandant hätte sogleich mit Kartätschen
dazwischen schießen lassen, nach der vereinbarten Bestimmung, daß sich während
der Verhandlungen keine Tscherkessen in der Gegend blicken lassen sollten.

„Sind Verwundungen vorgekommen?" fragte der General.

„So viel man wahrnehmen konnte, sind zwei Reiter gestürzt" — erwiderte
der Gefragte.

Wiederum entstand eine gewaltige Aufregung unter den Tscherkessen, und
die wortführeudcn Häuptlinge hatten große Mühe, den Kriegern auseinander-
zusetzen, daß der Kommandant der Festung nur der getroffenen Vereinbarung
gemäß gehandelt habe.

Dem General selbst war der Vorfall sehr unangenehm. Er kannte die
Tscherkessen zu gut, um uicht zu wissen, daß bei ihnen nichts ungerächt bleibt.
Es gelang ihm zwar, die Unterhandlungen noch einmal anzuknüpfen, aber man
kam dabei ebenso wenig zu einem Resultate wie'vorher.

Mit anbrechendem Abend wurde die Zusammenknifft ausgehoben und der
Abschied trug jedenfalls ein minder freundliches Gepräge als die erste Begrü¬
ßung. Die Blicke der stolzen Krieger verhießen nichts Gries, als sie ihre Waf¬
fen wieder umgürteten und sich auf ihre Rosse schwangen, um davon zu eilen in
die heimathlichen Berge.




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[0384] maßliche Anmuth und Schönheit, und mit langen Erkundigungen über das Befinden der weiblichen Angehörigen meines Hauses ein. . ." Der General wurde plötzlich dnrch einen von der Festung ans abgefeuerten und in den Bergen rings donnernd wiederhallenden Kanonenschuß unterbrochen „Was ist das?" scholl es von allen Seiten. Die Tscherkessen sprangen ans und wollten sich der Waffen bemächtigen, die Soldaten widersetzten sich. Allgemeine Verwirrung. Der General trat auf den ältesten Häuptling zu und rief in ernstem Tone: „Ich mache Dich verantwortlich für das Betragen Deiner Leute; ich werde nachforschen lassen, was es mit dem Kanonenschuß ans sich hat, und nachher sprechen wir weiter." Der Dolmetsch wiederholte sofort die Worte des Generals, aber es dauerte doch einige Zeit, bevor die stolzen Bergsöhne sich zur Ruhe bringen ließen, denn militärische Disciplin ist bei den Tscherkessen vollständig unbekannt. Inzwischen kehrten die Offiziere zurück, welche in die Festung entsendet waren, um Kunde über die Veranlassung des Fcucrus einzuziehen. Der Bericht lautete: es hätte sich ein Trupp tscherkessischer Reiter in der Nähe der Festung gezeigt, und der Commandant hätte sogleich mit Kartätschen dazwischen schießen lassen, nach der vereinbarten Bestimmung, daß sich während der Verhandlungen keine Tscherkessen in der Gegend blicken lassen sollten. „Sind Verwundungen vorgekommen?" fragte der General. „So viel man wahrnehmen konnte, sind zwei Reiter gestürzt" — erwiderte der Gefragte. Wiederum entstand eine gewaltige Aufregung unter den Tscherkessen, und die wortführeudcn Häuptlinge hatten große Mühe, den Kriegern auseinander- zusetzen, daß der Kommandant der Festung nur der getroffenen Vereinbarung gemäß gehandelt habe. Dem General selbst war der Vorfall sehr unangenehm. Er kannte die Tscherkessen zu gut, um uicht zu wissen, daß bei ihnen nichts ungerächt bleibt. Es gelang ihm zwar, die Unterhandlungen noch einmal anzuknüpfen, aber man kam dabei ebenso wenig zu einem Resultate wie'vorher. Mit anbrechendem Abend wurde die Zusammenknifft ausgehoben und der Abschied trug jedenfalls ein minder freundliches Gepräge als die erste Begrü¬ ßung. Die Blicke der stolzen Krieger verhießen nichts Gries, als sie ihre Waf¬ fen wieder umgürteten und sich auf ihre Rosse schwangen, um davon zu eilen in die heimathlichen Berge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/384>, abgerufen am 19.05.2024.