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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Der Kampf um die Verfassung in Kurhessen und in
Sachsen.

Mit Recht wenden sich die Sympathien Aller, die noch an eine friedliche
Lösung unserer trostlosen politischen Verhältnisse glauben, dem wackern kurhessischen
Volke und seinen ehrenhaften Behörden zu, welche, in seltener Eintracht mit dem
Volke, diesem zum Schutz der Verfassung die Hand reichen, während sie ander¬
wärts gegen das Volk und die Verfassung sich gebrauchen lassen. Die Konsti¬
tutionellen so gut wie die Absolutisten wissen recht wohl, daß dort die Sache des
Constitutionalismus sür Deutschland entschieden wird. Gelingt es dort der Willkür
eines Ministers, eine Verfassung, die so viele Garantien zu ihrem eigenen Schutze
in sich birgt, umzustürzen, den vereinigten Widerstand einer ganzen Bevölkerung,
einer verfassuugstreuen Beamtenschaft und eines unabhängigen Richterstandes zu
brechen, so ist damit der Beweis geliefert, daß ein dauernder Rechtszustand sür
Deutschland unmöglich sei. Und wird der Umsturz jener Verfassung von den
größern deutschen Mächten unterstützt oder doch nicht verhindert, so ist dies ein
Zeichen, daß in jenen Regionen durch die Bewegung des Jahres 1848 ebenso¬
wenig das Bewußtsein der Notwendigkeit fester Rechtszustände für Deutschland
aufgegangen ist, wie in den vormärzlichen Zeiten des Bundestags. Was daraus
weiter folgt, ist unschwer zu sagen: zunächst wird der Absolutismus, wenn er sieht,
daß keine Schranke ihm unübersteiglich ist, alle Scham von sich werfen und bis
an die äußerste Grenze gehen. Aber, während er seine Orgien feiert, stehen vor
der Thür schon die Füße derer, die ihn hinaustragen sollen, mit ihm aber auch
die Monarchie in Deutschland.

Auch in Sachsen kämpft eine, wenn schon vereinzelte, verfassungstreue Opposi¬
tion gegen die absolutistischen Gelüste eines Systems, welches zugleich eines der Haupt¬
räder in der Maschine des nen aufgerichteten Bundestags ist. Wenn man aber die
Energie des Widerstandes, der in Kurhessen dem verfassungswidrigen Beginnen
des Herrn Hasseupflug von allen Seiten entgegengesetzt wird, mit der Krastlosig-


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Der Kampf um die Verfassung in Kurhessen und in
Sachsen.

Mit Recht wenden sich die Sympathien Aller, die noch an eine friedliche
Lösung unserer trostlosen politischen Verhältnisse glauben, dem wackern kurhessischen
Volke und seinen ehrenhaften Behörden zu, welche, in seltener Eintracht mit dem
Volke, diesem zum Schutz der Verfassung die Hand reichen, während sie ander¬
wärts gegen das Volk und die Verfassung sich gebrauchen lassen. Die Konsti¬
tutionellen so gut wie die Absolutisten wissen recht wohl, daß dort die Sache des
Constitutionalismus sür Deutschland entschieden wird. Gelingt es dort der Willkür
eines Ministers, eine Verfassung, die so viele Garantien zu ihrem eigenen Schutze
in sich birgt, umzustürzen, den vereinigten Widerstand einer ganzen Bevölkerung,
einer verfassuugstreuen Beamtenschaft und eines unabhängigen Richterstandes zu
brechen, so ist damit der Beweis geliefert, daß ein dauernder Rechtszustand sür
Deutschland unmöglich sei. Und wird der Umsturz jener Verfassung von den
größern deutschen Mächten unterstützt oder doch nicht verhindert, so ist dies ein
Zeichen, daß in jenen Regionen durch die Bewegung des Jahres 1848 ebenso¬
wenig das Bewußtsein der Notwendigkeit fester Rechtszustände für Deutschland
aufgegangen ist, wie in den vormärzlichen Zeiten des Bundestags. Was daraus
weiter folgt, ist unschwer zu sagen: zunächst wird der Absolutismus, wenn er sieht,
daß keine Schranke ihm unübersteiglich ist, alle Scham von sich werfen und bis
an die äußerste Grenze gehen. Aber, während er seine Orgien feiert, stehen vor
der Thür schon die Füße derer, die ihn hinaustragen sollen, mit ihm aber auch
die Monarchie in Deutschland.

Auch in Sachsen kämpft eine, wenn schon vereinzelte, verfassungstreue Opposi¬
tion gegen die absolutistischen Gelüste eines Systems, welches zugleich eines der Haupt¬
räder in der Maschine des nen aufgerichteten Bundestags ist. Wenn man aber die
Energie des Widerstandes, der in Kurhessen dem verfassungswidrigen Beginnen
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[0489] Der Kampf um die Verfassung in Kurhessen und in Sachsen. Mit Recht wenden sich die Sympathien Aller, die noch an eine friedliche Lösung unserer trostlosen politischen Verhältnisse glauben, dem wackern kurhessischen Volke und seinen ehrenhaften Behörden zu, welche, in seltener Eintracht mit dem Volke, diesem zum Schutz der Verfassung die Hand reichen, während sie ander¬ wärts gegen das Volk und die Verfassung sich gebrauchen lassen. Die Konsti¬ tutionellen so gut wie die Absolutisten wissen recht wohl, daß dort die Sache des Constitutionalismus sür Deutschland entschieden wird. Gelingt es dort der Willkür eines Ministers, eine Verfassung, die so viele Garantien zu ihrem eigenen Schutze in sich birgt, umzustürzen, den vereinigten Widerstand einer ganzen Bevölkerung, einer verfassuugstreuen Beamtenschaft und eines unabhängigen Richterstandes zu brechen, so ist damit der Beweis geliefert, daß ein dauernder Rechtszustand sür Deutschland unmöglich sei. Und wird der Umsturz jener Verfassung von den größern deutschen Mächten unterstützt oder doch nicht verhindert, so ist dies ein Zeichen, daß in jenen Regionen durch die Bewegung des Jahres 1848 ebenso¬ wenig das Bewußtsein der Notwendigkeit fester Rechtszustände für Deutschland aufgegangen ist, wie in den vormärzlichen Zeiten des Bundestags. Was daraus weiter folgt, ist unschwer zu sagen: zunächst wird der Absolutismus, wenn er sieht, daß keine Schranke ihm unübersteiglich ist, alle Scham von sich werfen und bis an die äußerste Grenze gehen. Aber, während er seine Orgien feiert, stehen vor der Thür schon die Füße derer, die ihn hinaustragen sollen, mit ihm aber auch die Monarchie in Deutschland. Auch in Sachsen kämpft eine, wenn schon vereinzelte, verfassungstreue Opposi¬ tion gegen die absolutistischen Gelüste eines Systems, welches zugleich eines der Haupt¬ räder in der Maschine des nen aufgerichteten Bundestags ist. Wenn man aber die Energie des Widerstandes, der in Kurhessen dem verfassungswidrigen Beginnen des Herrn Hasseupflug von allen Seiten entgegengesetzt wird, mit der Krastlosig- Grcnzvoten. III. I8S0. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/489>, abgerufen am 07.05.2024.