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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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angedeuteten Mangel immer noch eine gute; sie ist wenigstens besser, als das für
unsere Zeiten unzweckmäßige Verharren in den alttestamentlichen Texten.

Clavierwerke lieferte Schumann in dieser Zeit wenig; das Instrument bot dem
hohen Schwunge seiner Phantasie jetzt zu wenig Spielraum. Daher erscheint jetzt
das Pianoforte in Verbindung mit Streichinstrumenten (ox>. 44, -47) oder in Ver¬
bindung mit dem Pedal. Für diesen Zweck schrieb er zwei Werke: ox. 56, Stu-
dien für den Pedalflugel, und c>p. 58, Skizzen für Pcdalflügel, in contrapuuk-
tischcm Style, dem er sich jetzt mit allem Eifer zuwendet. Diese beiden Werke
lassen sich gewissermaßen als Einführung in die folgende Periode betrachten,
wo der Ernst, man mochte sagen die Grübelei, leider manchen guten Gedanken
zum Besten des Coutrapuukts niederdrückt. Als reines Clavierwerk dieser Periode
sind nur zu betrachten die drei Romanzen, ox>. 28.

(Schluß im nächsten Heft.) "




Deutsche Staatsmänner*).
i.
Heinrich Freiherr von Arnim.

Die tüchtige Gesinnung in der Rede, welche Heinrich v. Arnim nenerdings in Kiel
gehalten, hat die Aufmerksamkeit Deutschlands von Neuem aus ihn gezogen. Der
edle Freiherr ist vor den schärfer ausgeprägten Charakteren, welche die März-
revolution entweder hervorbrachte oder in eine neue Phase der EntWickelung leitete,
in den Hintergrund getreten; sonst wäre die eigenthümliche Mischung widerstreben¬
der Momente in seinem politischen Verhalten wohl geeignet, Diejenigen zu sesseln,
bei denen das Interesse sür eine psychologische Studie das objective Interesse an
der politischen Entwickelung überwiegt.

Heinrich von Arnim, der unter den preußischen Staatsmännern des Jahres
1848 in deutscher Gestuuuug nud auch in der Neigung zu liberalen Concessionen
vielleicht am weitesten ging, ist nicht ans der liberalen Opposition der vierziger
Jahre hervorgegangen; seine Bildung stammt vielmehr aus dem Centrum der
romantischen Reaction, jener Gesellschaft geistreicher Männer in der Wilhelms¬
straße, die sich um den gegenwärtigen König geschaart hatte, zu gleichmäßigem
Widerstand gegen den bürgerlichen Geist der Neuerung wie gegen die altpreußischen
Traditionen des bureaukratisch-nnlitärischen Systems. In dieser Gesellschaft scheint
er sogar zu der äußersten Rechten gehört zu haben, wenn wir wenigstens der



') Nadowltz Heft Il. Manteuffel Is. Vincke 18.
Grenzvotcn. III. 1850. 63

angedeuteten Mangel immer noch eine gute; sie ist wenigstens besser, als das für
unsere Zeiten unzweckmäßige Verharren in den alttestamentlichen Texten.

Clavierwerke lieferte Schumann in dieser Zeit wenig; das Instrument bot dem
hohen Schwunge seiner Phantasie jetzt zu wenig Spielraum. Daher erscheint jetzt
das Pianoforte in Verbindung mit Streichinstrumenten (ox>. 44, -47) oder in Ver¬
bindung mit dem Pedal. Für diesen Zweck schrieb er zwei Werke: ox. 56, Stu-
dien für den Pedalflugel, und c>p. 58, Skizzen für Pcdalflügel, in contrapuuk-
tischcm Style, dem er sich jetzt mit allem Eifer zuwendet. Diese beiden Werke
lassen sich gewissermaßen als Einführung in die folgende Periode betrachten,
wo der Ernst, man mochte sagen die Grübelei, leider manchen guten Gedanken
zum Besten des Coutrapuukts niederdrückt. Als reines Clavierwerk dieser Periode
sind nur zu betrachten die drei Romanzen, ox>. 28.

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Deutsche Staatsmänner*).
i.
Heinrich Freiherr von Arnim.

Die tüchtige Gesinnung in der Rede, welche Heinrich v. Arnim nenerdings in Kiel
gehalten, hat die Aufmerksamkeit Deutschlands von Neuem aus ihn gezogen. Der
edle Freiherr ist vor den schärfer ausgeprägten Charakteren, welche die März-
revolution entweder hervorbrachte oder in eine neue Phase der EntWickelung leitete,
in den Hintergrund getreten; sonst wäre die eigenthümliche Mischung widerstreben¬
der Momente in seinem politischen Verhalten wohl geeignet, Diejenigen zu sesseln,
bei denen das Interesse sür eine psychologische Studie das objective Interesse an
der politischen Entwickelung überwiegt.

Heinrich von Arnim, der unter den preußischen Staatsmännern des Jahres
1848 in deutscher Gestuuuug nud auch in der Neigung zu liberalen Concessionen
vielleicht am weitesten ging, ist nicht ans der liberalen Opposition der vierziger
Jahre hervorgegangen; seine Bildung stammt vielmehr aus dem Centrum der
romantischen Reaction, jener Gesellschaft geistreicher Männer in der Wilhelms¬
straße, die sich um den gegenwärtigen König geschaart hatte, zu gleichmäßigem
Widerstand gegen den bürgerlichen Geist der Neuerung wie gegen die altpreußischen
Traditionen des bureaukratisch-nnlitärischen Systems. In dieser Gesellschaft scheint
er sogar zu der äußersten Rechten gehört zu haben, wenn wir wenigstens der



') Nadowltz Heft Il. Manteuffel Is. Vincke 18.
Grenzvotcn. III. 1850. 63
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/505>, abgerufen am 07.05.2024.