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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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herausgelesen haben. -- Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß sich die Ränder
noch immer auf den Brettern erhalten, von denen so manches bessere Stück ver¬
schwunden ist; noch merkwürdiger, daß sie in der abscheulichen Schröder'scheu
Bearbeitung z"r Ausführung kommen, die uns den Todeskampf des Franz doppelt
vorführt, um die Gerechtigkeit des "Auge um Auge, Zahn um Zahn" durchzu¬
setzen. Ich weiß auch keine andere Erklärung, als daß das Stück für Cvulissen-
reißer ein guter Vorwurf ist.

Diejenigen Rollen, welche eigentlich dem Drama seine Bedeutung gegeben
haben, der freche Cynismus des Franz und Spicgclberg (Aus Einer Pistole ge¬
schossen u. s. w.) und die studentische Renommage des Helden (Mir ekelt vor diesem
tiutenklecksenden Säculum u. s. w. -- Gebt mir hundert Mann wie ich, und ich
will aus Deurschland eine Republik machen, gegen welche Rom und Sparta Nonnen-
klöster gewesen sein sollen) -- das alles wird ausgelassen, ebenso das Gespräch
mit Moser, das als psychologische Einleitung zur Tranmgeschichte nothwendig ist,
und es bleibt nichts übrig, als plumpe Intrigue, unnöthige, zweckwidrige Grau¬
samkeit und rohes Studcntentreiben mit einiger Weinerlichkeit gemischt. Zum
Ueberfluß hat mau die Geschichte in die Zeit des Mathias Corvinus (!) verlegt,
und dadurch jenem Aufathmen von der dumpfen Luft einer unseligen Convenienz
alle Berechtigung genommen.

Damit will ich freilich nicht sagen, daß das Stück sich besser ausnehmen
würde, wenn das mittelalterliche Waunns sich in deu modernen Frack verwandelte.
Es ist eben nichts mehr damit zu machen. Die Räuber haben ihre große cultur-
historische Bedeutung; für ein Kunstwerk muß mau sie aber nicht mehr ausgeben
wollen.




Kleine Correspondenzen.

Der Kampf zwischen deu liberale" Puritanern und deu mit den Altconservativeu
föderirten Altliberalcn wird noch immer in den Wiener Blättern fortgesetzt. Ein Kor¬
respondent der Ostdeutschen Post "von der ungarischen Grenze" sieht in dem Bünd-
niß, welches die Altliberalcn mit der Partei Somsich einzugehen bereit sind, um gegen
die Centralisation anzukämpfen, das unverkennbare Spiel des Teufels, der die alten
Kämpen des Liberalismus durch die "Jntriguen und gleißnerischen Reden der Konser¬
vativen bethört und umgarnt hat," und auch schon seine Krallen gegen das Volk aus¬
streckt, um dies zu "ködern" und den "Klauen der Altconservativeu zu überliefern";
"aber", ruft der Korrespondent von der ungarischen Grenze ans, "fehl geschossen!
Das Volk besitzt in vielen Punkten mehr Takt und Ueberzeugung, als viele seiner Füh¬
rer" u. s. w. Als Gegner dieses Gespenstersehers tritt ebenfalls in der Ostdeutschen


herausgelesen haben. — Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß sich die Ränder
noch immer auf den Brettern erhalten, von denen so manches bessere Stück ver¬
schwunden ist; noch merkwürdiger, daß sie in der abscheulichen Schröder'scheu
Bearbeitung z»r Ausführung kommen, die uns den Todeskampf des Franz doppelt
vorführt, um die Gerechtigkeit des „Auge um Auge, Zahn um Zahn" durchzu¬
setzen. Ich weiß auch keine andere Erklärung, als daß das Stück für Cvulissen-
reißer ein guter Vorwurf ist.

Diejenigen Rollen, welche eigentlich dem Drama seine Bedeutung gegeben
haben, der freche Cynismus des Franz und Spicgclberg (Aus Einer Pistole ge¬
schossen u. s. w.) und die studentische Renommage des Helden (Mir ekelt vor diesem
tiutenklecksenden Säculum u. s. w. — Gebt mir hundert Mann wie ich, und ich
will aus Deurschland eine Republik machen, gegen welche Rom und Sparta Nonnen-
klöster gewesen sein sollen) — das alles wird ausgelassen, ebenso das Gespräch
mit Moser, das als psychologische Einleitung zur Tranmgeschichte nothwendig ist,
und es bleibt nichts übrig, als plumpe Intrigue, unnöthige, zweckwidrige Grau¬
samkeit und rohes Studcntentreiben mit einiger Weinerlichkeit gemischt. Zum
Ueberfluß hat mau die Geschichte in die Zeit des Mathias Corvinus (!) verlegt,
und dadurch jenem Aufathmen von der dumpfen Luft einer unseligen Convenienz
alle Berechtigung genommen.

Damit will ich freilich nicht sagen, daß das Stück sich besser ausnehmen
würde, wenn das mittelalterliche Waunns sich in deu modernen Frack verwandelte.
Es ist eben nichts mehr damit zu machen. Die Räuber haben ihre große cultur-
historische Bedeutung; für ein Kunstwerk muß mau sie aber nicht mehr ausgeben
wollen.




Kleine Correspondenzen.

Der Kampf zwischen deu liberale» Puritanern und deu mit den Altconservativeu
föderirten Altliberalcn wird noch immer in den Wiener Blättern fortgesetzt. Ein Kor¬
respondent der Ostdeutschen Post „von der ungarischen Grenze" sieht in dem Bünd-
niß, welches die Altliberalcn mit der Partei Somsich einzugehen bereit sind, um gegen
die Centralisation anzukämpfen, das unverkennbare Spiel des Teufels, der die alten
Kämpen des Liberalismus durch die „Jntriguen und gleißnerischen Reden der Konser¬
vativen bethört und umgarnt hat," und auch schon seine Krallen gegen das Volk aus¬
streckt, um dies zu „ködern" und den „Klauen der Altconservativeu zu überliefern";
„aber", ruft der Korrespondent von der ungarischen Grenze ans, „fehl geschossen!
Das Volk besitzt in vielen Punkten mehr Takt und Ueberzeugung, als viele seiner Füh¬
rer" u. s. w. Als Gegner dieses Gespenstersehers tritt ebenfalls in der Ostdeutschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/517>, abgerufen am 07.05.2024.