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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Natürlich fielen die erst so begünstigten Lehrer der Revolution in Un¬
gnade, in Neapel sowohl wie anderswo. Man verbot bald das Einbringen frem¬
der und namentlich französischer Schriften und Tageblätter, ja sogar das Lesen
derselben auch im Auslande den Unterthanen des Königs beider Sizilien, und
wenn eine Übertretung von Spionen hierher berichtet wurde, war harte Ahndung
die Folge. -- Es ist bekannt, wie der Hof nach Palermo flüchtete. Dort wurde
er- noch mit leidenschaftlicher Begeisterung aufgenommen. Es ist ferner bekannt, wie
das sizilianische Volk dnrch die Königin, damals gerade im höchsten Glänze ihrer
Schönheit, im Besitz der höchsten weiblichen Gaben, der Beredsamkeit und Ver¬
führungskunst, angefeuert, kein Opfer scheute und Alles hingab, um die Wieder¬
einnähme des jenseitigen Königreiches zu befördern. Wie diese von Messina ans
durch des Kirchenfürsten Ruffo's räuberische Calabreserhordcn ausgeführt wurde,
wird Neapel noch lauge nicht vergessen.

Allein wenn die Sizilier so unbedingt dem Dienste und dem Willen des
Hofes sich widmeten, so geschah eS nicht nur der Reize der Königin halber, sie
hofften Wesentlicheres. Sie rechnete" aus die Erkenntlichkeit ihrer Herrscher. --
Sie wollen, was ihre Voreltern so oft gesucht und zu erringen gestrebt haben
-- einen eignen König, und wer die Geschichte dieses Volkes dnrch und
durch kennt, der wird mit mir übereinstimmen, daß all der gräßliche Verfall, der
sittlichen sowohl als materiellen Wohlfahrt desselben, einzig und allein der Abwe¬
senheit des eignen Regenten zuzuschreiben ist. Nirgends ist vielleicht so viel mo¬
narchischer Geist, so viel Achtung und Ehrfurcht vor der Würde angestammter
Fürsten geblieben, wie bei diesem Volke -- einen König will es -- aber einen
eigenen, der hier mit ihm lebe, sein Schicksal, seine Leiden und Freuden theile-
es lenke, aufmuntere, richte, vor Allem aber belehre. Diese Sprache hört man
noch jetzt in den glänzenden Sälen der Großen, wie in den Osterien der
Handwerker. (Fortsetzung folgt.)




Kleine Correspondenzen.



I. Notturno aus Prag.

C"nu"h,le t"mit"in "dularv! wäre billig jener Cotcrie zuzurufen, welche heute aus
die socialen Zustände der böhmischen Hauptstadt den verderblichsten Einfluß nimmt und,
zwischen Volk und Regierung stehend, die Letztere durch Denunziationen aller Art zu
terroristischen Maßregeln, ja zu der Anstedt drängt, aus Böhmen könnte leicht ein zwei¬
tes Ungarn werden, wenn sich erst ein zweiter Kossuth dazu fände. Noch immer kran¬
ken die Zustände Prags an den Folgen jenes theils von fremden Sendungen, theils
von einheimischen Schwertmännern provozirten Jmnkampses, noch immer wurzelt in


Natürlich fielen die erst so begünstigten Lehrer der Revolution in Un¬
gnade, in Neapel sowohl wie anderswo. Man verbot bald das Einbringen frem¬
der und namentlich französischer Schriften und Tageblätter, ja sogar das Lesen
derselben auch im Auslande den Unterthanen des Königs beider Sizilien, und
wenn eine Übertretung von Spionen hierher berichtet wurde, war harte Ahndung
die Folge. — Es ist bekannt, wie der Hof nach Palermo flüchtete. Dort wurde
er- noch mit leidenschaftlicher Begeisterung aufgenommen. Es ist ferner bekannt, wie
das sizilianische Volk dnrch die Königin, damals gerade im höchsten Glänze ihrer
Schönheit, im Besitz der höchsten weiblichen Gaben, der Beredsamkeit und Ver¬
führungskunst, angefeuert, kein Opfer scheute und Alles hingab, um die Wieder¬
einnähme des jenseitigen Königreiches zu befördern. Wie diese von Messina ans
durch des Kirchenfürsten Ruffo's räuberische Calabreserhordcn ausgeführt wurde,
wird Neapel noch lauge nicht vergessen.

Allein wenn die Sizilier so unbedingt dem Dienste und dem Willen des
Hofes sich widmeten, so geschah eS nicht nur der Reize der Königin halber, sie
hofften Wesentlicheres. Sie rechnete» aus die Erkenntlichkeit ihrer Herrscher. —
Sie wollen, was ihre Voreltern so oft gesucht und zu erringen gestrebt haben
— einen eignen König, und wer die Geschichte dieses Volkes dnrch und
durch kennt, der wird mit mir übereinstimmen, daß all der gräßliche Verfall, der
sittlichen sowohl als materiellen Wohlfahrt desselben, einzig und allein der Abwe¬
senheit des eignen Regenten zuzuschreiben ist. Nirgends ist vielleicht so viel mo¬
narchischer Geist, so viel Achtung und Ehrfurcht vor der Würde angestammter
Fürsten geblieben, wie bei diesem Volke — einen König will es — aber einen
eigenen, der hier mit ihm lebe, sein Schicksal, seine Leiden und Freuden theile-
es lenke, aufmuntere, richte, vor Allem aber belehre. Diese Sprache hört man
noch jetzt in den glänzenden Sälen der Großen, wie in den Osterien der
Handwerker. (Fortsetzung folgt.)




Kleine Correspondenzen.



I. Notturno aus Prag.

C»nu«h,le t»mit«in »dularv! wäre billig jener Cotcrie zuzurufen, welche heute aus
die socialen Zustände der böhmischen Hauptstadt den verderblichsten Einfluß nimmt und,
zwischen Volk und Regierung stehend, die Letztere durch Denunziationen aller Art zu
terroristischen Maßregeln, ja zu der Anstedt drängt, aus Böhmen könnte leicht ein zwei¬
tes Ungarn werden, wenn sich erst ein zweiter Kossuth dazu fände. Noch immer kran¬
ken die Zustände Prags an den Folgen jenes theils von fremden Sendungen, theils
von einheimischen Schwertmännern provozirten Jmnkampses, noch immer wurzelt in


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[0284] Natürlich fielen die erst so begünstigten Lehrer der Revolution in Un¬ gnade, in Neapel sowohl wie anderswo. Man verbot bald das Einbringen frem¬ der und namentlich französischer Schriften und Tageblätter, ja sogar das Lesen derselben auch im Auslande den Unterthanen des Königs beider Sizilien, und wenn eine Übertretung von Spionen hierher berichtet wurde, war harte Ahndung die Folge. — Es ist bekannt, wie der Hof nach Palermo flüchtete. Dort wurde er- noch mit leidenschaftlicher Begeisterung aufgenommen. Es ist ferner bekannt, wie das sizilianische Volk dnrch die Königin, damals gerade im höchsten Glänze ihrer Schönheit, im Besitz der höchsten weiblichen Gaben, der Beredsamkeit und Ver¬ führungskunst, angefeuert, kein Opfer scheute und Alles hingab, um die Wieder¬ einnähme des jenseitigen Königreiches zu befördern. Wie diese von Messina ans durch des Kirchenfürsten Ruffo's räuberische Calabreserhordcn ausgeführt wurde, wird Neapel noch lauge nicht vergessen. Allein wenn die Sizilier so unbedingt dem Dienste und dem Willen des Hofes sich widmeten, so geschah eS nicht nur der Reize der Königin halber, sie hofften Wesentlicheres. Sie rechnete» aus die Erkenntlichkeit ihrer Herrscher. — Sie wollen, was ihre Voreltern so oft gesucht und zu erringen gestrebt haben — einen eignen König, und wer die Geschichte dieses Volkes dnrch und durch kennt, der wird mit mir übereinstimmen, daß all der gräßliche Verfall, der sittlichen sowohl als materiellen Wohlfahrt desselben, einzig und allein der Abwe¬ senheit des eignen Regenten zuzuschreiben ist. Nirgends ist vielleicht so viel mo¬ narchischer Geist, so viel Achtung und Ehrfurcht vor der Würde angestammter Fürsten geblieben, wie bei diesem Volke — einen König will es — aber einen eigenen, der hier mit ihm lebe, sein Schicksal, seine Leiden und Freuden theile- es lenke, aufmuntere, richte, vor Allem aber belehre. Diese Sprache hört man noch jetzt in den glänzenden Sälen der Großen, wie in den Osterien der Handwerker. (Fortsetzung folgt.) Kleine Correspondenzen. I. Notturno aus Prag. C»nu«h,le t»mit«in »dularv! wäre billig jener Cotcrie zuzurufen, welche heute aus die socialen Zustände der böhmischen Hauptstadt den verderblichsten Einfluß nimmt und, zwischen Volk und Regierung stehend, die Letztere durch Denunziationen aller Art zu terroristischen Maßregeln, ja zu der Anstedt drängt, aus Böhmen könnte leicht ein zwei¬ tes Ungarn werden, wenn sich erst ein zweiter Kossuth dazu fände. Noch immer kran¬ ken die Zustände Prags an den Folgen jenes theils von fremden Sendungen, theils von einheimischen Schwertmännern provozirten Jmnkampses, noch immer wurzelt in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/284>, abgerufen am 04.05.2024.