Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rechenbaren Wohlstand verbreitende Industrie, welche einem Himmelsstrich, der keine
die menschliche" Kräfte zu sehr anstrengende Arbeit verträgt, am angemessensten
ist, geriet!) unter ihre Leitung, sie betrieb die Vervollkommnung der Verarbeitung
des Urstvffes in der für ihre Rechnung angelegten Fabrik in S. Leucio so, daß die
Zeuge höher zu steheu kamen als die Gesammtkosten der aus Frankreich bezogenen,
trotz des hohen Einfuhrzolles der die königliche Anstalt schützen sollte; sie ließ dann,
immer im Interesse des königlichen Unternehmens, im ganzen Reiche die Maulbeer¬
bäume ausrotten und die von den Blättern genährten kunstreichen Insekten ver¬
nichten oder nach der Anstalt bringen, um den ganzen Gewerbszweig zur Bereiche¬
rung des Laubes und zur Ernährung der beraubten Einwohner dort zu centrali-
siren; eine Maßregel, welche nicht ganz geeignet war, dem Volke einen hohen Be¬
griff von des Königs Ansichten über Staatsökvnomie oder von seiner Achtung vor
Eigenthumsrechten beizubringen.

Karl's unmündiger Sohn Ferdinand blieb -- zuerst unter Vormundschaft des
Janncci, der selbst unter der Leitung des Hofes von Madrid stand, welcher ihn
vom Lehrerstuhl an der Universität zum Minister erhoben hatte -- und dann für
einen großen Theil seines langen Lebens unter Führung der östreichischen herrsch¬
süchtigen Gattin, ihrer Günstlinge und der Wiener Politik. Durch seine Erzie-
hung allem Regieren abgeneigt, hätte er besser zum gemeinen Bürger oder gar
zum Lazzaroni getaugt. -- Wenn er sich den LcizzaroniS und dem Hofe in den
Straßen Neapels als Maccaroni-Garkoch oder Verkäufer von Fischen zeigte, die
er in einem gewissen Bezirk, von dem Andere bei harter Strafe fern bleiben mu߬
ten, gefangen hatte, da strömten freilich die Damen des Hofes und der Straße
zusammen und freuten sich über die gesunden kräftigen Gliedmaßen des schönen
Jünglings, die sich in der Lazzaronitracht sehr unverhüllt zeigten, und über die
freundlichen Redensarten des Königs, der ihnen seine Fische zu verkaufen so be¬
flissen war. Eine andere ihn zuletzt ausschließlich beherrschende Leidenschaft, die
Jagd, war nebst seinem beschränkten Glauben, seinem Aberglauben an Amulette
u. s. w. der Gattin sehr willkommen, die ihn bald von den Geschäften ent¬
fernte -- ihr fiel dafür anheim, was sie suchte, die Lenkenu des Geschickes dieser
Völker zu sein.

Damen sind bekanntlich -- die gefälligen Gatten erfahren es im gemeinen
Leben -- für alles Neue fehr empfänglich: Maria Karoline wechselte gern ihren
Schmuck, ihre Kleidung und ihre Miguons. Sie begünstigte auch die Anfänge
der französischen Revolution. Sie zeigte sich in Neapel als des Neuerers Joseph
Il> würdige Schwester. Auch hier wurden die Jesuiten aufgehoben -- Ferdinand
selbst rief sie später zurück und gab ihnen ihre Güter wieder. -- Sein Pfiffiger
Enkel vertrieb sie wieder, der öffentlichen Meinung sich schmiegend. Aber die jun¬
gen Loyalas gingen zur Thüre hinaus und zu den weitgeöffneten Fenstern wieder herein.
'


, 35*

rechenbaren Wohlstand verbreitende Industrie, welche einem Himmelsstrich, der keine
die menschliche» Kräfte zu sehr anstrengende Arbeit verträgt, am angemessensten
ist, geriet!) unter ihre Leitung, sie betrieb die Vervollkommnung der Verarbeitung
des Urstvffes in der für ihre Rechnung angelegten Fabrik in S. Leucio so, daß die
Zeuge höher zu steheu kamen als die Gesammtkosten der aus Frankreich bezogenen,
trotz des hohen Einfuhrzolles der die königliche Anstalt schützen sollte; sie ließ dann,
immer im Interesse des königlichen Unternehmens, im ganzen Reiche die Maulbeer¬
bäume ausrotten und die von den Blättern genährten kunstreichen Insekten ver¬
nichten oder nach der Anstalt bringen, um den ganzen Gewerbszweig zur Bereiche¬
rung des Laubes und zur Ernährung der beraubten Einwohner dort zu centrali-
siren; eine Maßregel, welche nicht ganz geeignet war, dem Volke einen hohen Be¬
griff von des Königs Ansichten über Staatsökvnomie oder von seiner Achtung vor
Eigenthumsrechten beizubringen.

Karl's unmündiger Sohn Ferdinand blieb — zuerst unter Vormundschaft des
Janncci, der selbst unter der Leitung des Hofes von Madrid stand, welcher ihn
vom Lehrerstuhl an der Universität zum Minister erhoben hatte — und dann für
einen großen Theil seines langen Lebens unter Führung der östreichischen herrsch¬
süchtigen Gattin, ihrer Günstlinge und der Wiener Politik. Durch seine Erzie-
hung allem Regieren abgeneigt, hätte er besser zum gemeinen Bürger oder gar
zum Lazzaroni getaugt. — Wenn er sich den LcizzaroniS und dem Hofe in den
Straßen Neapels als Maccaroni-Garkoch oder Verkäufer von Fischen zeigte, die
er in einem gewissen Bezirk, von dem Andere bei harter Strafe fern bleiben mu߬
ten, gefangen hatte, da strömten freilich die Damen des Hofes und der Straße
zusammen und freuten sich über die gesunden kräftigen Gliedmaßen des schönen
Jünglings, die sich in der Lazzaronitracht sehr unverhüllt zeigten, und über die
freundlichen Redensarten des Königs, der ihnen seine Fische zu verkaufen so be¬
flissen war. Eine andere ihn zuletzt ausschließlich beherrschende Leidenschaft, die
Jagd, war nebst seinem beschränkten Glauben, seinem Aberglauben an Amulette
u. s. w. der Gattin sehr willkommen, die ihn bald von den Geschäften ent¬
fernte — ihr fiel dafür anheim, was sie suchte, die Lenkenu des Geschickes dieser
Völker zu sein.

Damen sind bekanntlich — die gefälligen Gatten erfahren es im gemeinen
Leben — für alles Neue fehr empfänglich: Maria Karoline wechselte gern ihren
Schmuck, ihre Kleidung und ihre Miguons. Sie begünstigte auch die Anfänge
der französischen Revolution. Sie zeigte sich in Neapel als des Neuerers Joseph
Il> würdige Schwester. Auch hier wurden die Jesuiten aufgehoben — Ferdinand
selbst rief sie später zurück und gab ihnen ihre Güter wieder. — Sein Pfiffiger
Enkel vertrieb sie wieder, der öffentlichen Meinung sich schmiegend. Aber die jun¬
gen Loyalas gingen zur Thüre hinaus und zu den weitgeöffneten Fenstern wieder herein.
'


, 35*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93106"/>
            <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> rechenbaren Wohlstand verbreitende Industrie, welche einem Himmelsstrich, der keine<lb/>
die menschliche» Kräfte zu sehr anstrengende Arbeit verträgt, am angemessensten<lb/>
ist, geriet!) unter ihre Leitung, sie betrieb die Vervollkommnung der Verarbeitung<lb/>
des Urstvffes in der für ihre Rechnung angelegten Fabrik in S. Leucio so, daß die<lb/>
Zeuge höher zu steheu kamen als die Gesammtkosten der aus Frankreich bezogenen,<lb/>
trotz des hohen Einfuhrzolles der die königliche Anstalt schützen sollte; sie ließ dann,<lb/>
immer im Interesse des königlichen Unternehmens, im ganzen Reiche die Maulbeer¬<lb/>
bäume ausrotten und die von den Blättern genährten kunstreichen Insekten ver¬<lb/>
nichten oder nach der Anstalt bringen, um den ganzen Gewerbszweig zur Bereiche¬<lb/>
rung des Laubes und zur Ernährung der beraubten Einwohner dort zu centrali-<lb/>
siren; eine Maßregel, welche nicht ganz geeignet war, dem Volke einen hohen Be¬<lb/>
griff von des Königs Ansichten über Staatsökvnomie oder von seiner Achtung vor<lb/>
Eigenthumsrechten beizubringen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_974"> Karl's unmündiger Sohn Ferdinand blieb &#x2014; zuerst unter Vormundschaft des<lb/>
Janncci, der selbst unter der Leitung des Hofes von Madrid stand, welcher ihn<lb/>
vom Lehrerstuhl an der Universität zum Minister erhoben hatte &#x2014; und dann für<lb/>
einen großen Theil seines langen Lebens unter Führung der östreichischen herrsch¬<lb/>
süchtigen Gattin, ihrer Günstlinge und der Wiener Politik. Durch seine Erzie-<lb/>
hung allem Regieren abgeneigt, hätte er besser zum gemeinen Bürger oder gar<lb/>
zum Lazzaroni getaugt. &#x2014; Wenn er sich den LcizzaroniS und dem Hofe in den<lb/>
Straßen Neapels als Maccaroni-Garkoch oder Verkäufer von Fischen zeigte, die<lb/>
er in einem gewissen Bezirk, von dem Andere bei harter Strafe fern bleiben mu߬<lb/>
ten, gefangen hatte, da strömten freilich die Damen des Hofes und der Straße<lb/>
zusammen und freuten sich über die gesunden kräftigen Gliedmaßen des schönen<lb/>
Jünglings, die sich in der Lazzaronitracht sehr unverhüllt zeigten, und über die<lb/>
freundlichen Redensarten des Königs, der ihnen seine Fische zu verkaufen so be¬<lb/>
flissen war. Eine andere ihn zuletzt ausschließlich beherrschende Leidenschaft, die<lb/>
Jagd, war nebst seinem beschränkten Glauben, seinem Aberglauben an Amulette<lb/>
u. s. w. der Gattin sehr willkommen, die ihn bald von den Geschäften ent¬<lb/>
fernte &#x2014; ihr fiel dafür anheim, was sie suchte, die Lenkenu des Geschickes dieser<lb/>
Völker zu sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_975"> Damen sind bekanntlich &#x2014; die gefälligen Gatten erfahren es im gemeinen<lb/>
Leben &#x2014; für alles Neue fehr empfänglich: Maria Karoline wechselte gern ihren<lb/>
Schmuck, ihre Kleidung und ihre Miguons. Sie begünstigte auch die Anfänge<lb/>
der französischen Revolution. Sie zeigte sich in Neapel als des Neuerers Joseph<lb/>
Il&gt; würdige Schwester. Auch hier wurden die Jesuiten aufgehoben &#x2014; Ferdinand<lb/>
selbst rief sie später zurück und gab ihnen ihre Güter wieder. &#x2014; Sein Pfiffiger<lb/>
Enkel vertrieb sie wieder, der öffentlichen Meinung sich schmiegend. Aber die jun¬<lb/>
gen Loyalas gingen zur Thüre hinaus und zu den weitgeöffneten Fenstern wieder herein.<lb/>
'</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> , 35*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0283] rechenbaren Wohlstand verbreitende Industrie, welche einem Himmelsstrich, der keine die menschliche» Kräfte zu sehr anstrengende Arbeit verträgt, am angemessensten ist, geriet!) unter ihre Leitung, sie betrieb die Vervollkommnung der Verarbeitung des Urstvffes in der für ihre Rechnung angelegten Fabrik in S. Leucio so, daß die Zeuge höher zu steheu kamen als die Gesammtkosten der aus Frankreich bezogenen, trotz des hohen Einfuhrzolles der die königliche Anstalt schützen sollte; sie ließ dann, immer im Interesse des königlichen Unternehmens, im ganzen Reiche die Maulbeer¬ bäume ausrotten und die von den Blättern genährten kunstreichen Insekten ver¬ nichten oder nach der Anstalt bringen, um den ganzen Gewerbszweig zur Bereiche¬ rung des Laubes und zur Ernährung der beraubten Einwohner dort zu centrali- siren; eine Maßregel, welche nicht ganz geeignet war, dem Volke einen hohen Be¬ griff von des Königs Ansichten über Staatsökvnomie oder von seiner Achtung vor Eigenthumsrechten beizubringen. Karl's unmündiger Sohn Ferdinand blieb — zuerst unter Vormundschaft des Janncci, der selbst unter der Leitung des Hofes von Madrid stand, welcher ihn vom Lehrerstuhl an der Universität zum Minister erhoben hatte — und dann für einen großen Theil seines langen Lebens unter Führung der östreichischen herrsch¬ süchtigen Gattin, ihrer Günstlinge und der Wiener Politik. Durch seine Erzie- hung allem Regieren abgeneigt, hätte er besser zum gemeinen Bürger oder gar zum Lazzaroni getaugt. — Wenn er sich den LcizzaroniS und dem Hofe in den Straßen Neapels als Maccaroni-Garkoch oder Verkäufer von Fischen zeigte, die er in einem gewissen Bezirk, von dem Andere bei harter Strafe fern bleiben mu߬ ten, gefangen hatte, da strömten freilich die Damen des Hofes und der Straße zusammen und freuten sich über die gesunden kräftigen Gliedmaßen des schönen Jünglings, die sich in der Lazzaronitracht sehr unverhüllt zeigten, und über die freundlichen Redensarten des Königs, der ihnen seine Fische zu verkaufen so be¬ flissen war. Eine andere ihn zuletzt ausschließlich beherrschende Leidenschaft, die Jagd, war nebst seinem beschränkten Glauben, seinem Aberglauben an Amulette u. s. w. der Gattin sehr willkommen, die ihn bald von den Geschäften ent¬ fernte — ihr fiel dafür anheim, was sie suchte, die Lenkenu des Geschickes dieser Völker zu sein. Damen sind bekanntlich — die gefälligen Gatten erfahren es im gemeinen Leben — für alles Neue fehr empfänglich: Maria Karoline wechselte gern ihren Schmuck, ihre Kleidung und ihre Miguons. Sie begünstigte auch die Anfänge der französischen Revolution. Sie zeigte sich in Neapel als des Neuerers Joseph Il> würdige Schwester. Auch hier wurden die Jesuiten aufgehoben — Ferdinand selbst rief sie später zurück und gab ihnen ihre Güter wieder. — Sein Pfiffiger Enkel vertrieb sie wieder, der öffentlichen Meinung sich schmiegend. Aber die jun¬ gen Loyalas gingen zur Thüre hinaus und zu den weitgeöffneten Fenstern wieder herein. ' , 35*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/283
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/283>, abgerufen am 22.05.2024.