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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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eine Geschichte der ungarischen "Revolution. Chownitz nennt seine Arbeiten für die
Gewalthaber Oestreichs: Noth behelfe eines in der Gewalt der Militärherr¬
schaft befindlichen Schriftstellers, und setzt dann hinzu: "Eine Reihe von ganz
entgegengesetzten Kämpfen und die Schule der Erfahrung in ihrem vollen
Umfang ließen mich endlich auf jenen klaren Standpunkt gelangen, von wo aus
Man die Dinge ohne Leidenschaft und wenigstens ohne grobe Täuschung betrachten
kann. Der gewöhnliche Mensch hat eine alltägliche Laufbahn und begreift eben
deshalb ein Leben nicht, das durch Widersprüche zur Einheit gelangt. Der ge¬
wöhnliche Mensch begreift nicht die Kämpfe und Rückfälle einer strebenden Natur,
wodurch sich diese gleichsam selbst läutert, ihre Schlacken und gemeineren Stoffe
abwirft. Er nennt das Inconsequenz, was aus einem höhern (?!) Gesichtspunkte
die reinste (?) Consequenz ist."

Diese naive Characterisirung genügt wohl für die Gesinnung des Herrn
Chownitz, welcher sich früher auch Professor nannte, weil er als Unteroffizier den
gemeinen Soldaten Unterricht im Lesen und Schreiben ertheilte; eben so naiv
sagt er in einer Anmerkung, eS sei ihm die Concession zur Fortsetzung seines
Blattes in Wien nicht ertheilt worden, obwohl er eine gemäßigt freisinnige
Richtung (im Belagerungszustande) zu halten versprach. "Man sieht, ruft Chow¬
nitz aus, ich konnte es Niemand recht machen"!

In dem gauzeu, 10 Capitel enthaltenden Hefte ist nichts von Bedeutung;
weder eine Gruppirung der Thatsachen, noch eine Aufklärung über die bewegen¬
den Hände. Aus der ältern und neuesten Geschichte werden einige Blätter
heraufgeschrieben, und die wenigen Ereignisse im Sommeranfang 1848 in Pesth-
Ofen schildert Chownitz als Augenzeuge, meist Schnitzel der Zeitung: die Oppo¬
sition, wie Arthur Frey den Studentenconrier benutzt.

Den vorgenannten demokratischen Darstellungen gegenüber erschien eine schwarz¬
gelbe uuter dem Titel:


Die magyarische Revolution. Vou einem Augenzeugen.
Pesth 184U.

Unter Haynau'scher Belagerung eine Geschichte der magyarischen Revolution
zu schreiben, ist ein kühnes Vermessen; der Autor (Szilagyi?) hielt sich zumeist
an die Daten der östreichischen Journale, schimpft weidlich auf die Insurgenten, und
streicht die Tapferkeit der kaiserlichen Truppen heraus. Der Verfasser will jedoch nnr
"durch eine kurzgefaßte Schilderung der nackten Thatsachen den Mantel lüften,"
und als solcher Beitrag ist dieses Büchelchen uicht zu verwerfen.

In Grimma erschien eine Biographie des

Grasen Ludwig Batthyany. -- Ein aus Zeitungsnotizen zusammen¬
gestoppeltes Heft. -- Wir übergehen viele andere Flugschriften, als nicht einmal
nennenswert!). Szalay's, Telcky's, Szarvady's, und andere Brochüren sind als
die Mittheilungen eingeweihter, wenn auch parteiischer Männer zu würdigen.


eine Geschichte der ungarischen »Revolution. Chownitz nennt seine Arbeiten für die
Gewalthaber Oestreichs: Noth behelfe eines in der Gewalt der Militärherr¬
schaft befindlichen Schriftstellers, und setzt dann hinzu: „Eine Reihe von ganz
entgegengesetzten Kämpfen und die Schule der Erfahrung in ihrem vollen
Umfang ließen mich endlich auf jenen klaren Standpunkt gelangen, von wo aus
Man die Dinge ohne Leidenschaft und wenigstens ohne grobe Täuschung betrachten
kann. Der gewöhnliche Mensch hat eine alltägliche Laufbahn und begreift eben
deshalb ein Leben nicht, das durch Widersprüche zur Einheit gelangt. Der ge¬
wöhnliche Mensch begreift nicht die Kämpfe und Rückfälle einer strebenden Natur,
wodurch sich diese gleichsam selbst läutert, ihre Schlacken und gemeineren Stoffe
abwirft. Er nennt das Inconsequenz, was aus einem höhern (?!) Gesichtspunkte
die reinste (?) Consequenz ist."

Diese naive Characterisirung genügt wohl für die Gesinnung des Herrn
Chownitz, welcher sich früher auch Professor nannte, weil er als Unteroffizier den
gemeinen Soldaten Unterricht im Lesen und Schreiben ertheilte; eben so naiv
sagt er in einer Anmerkung, eS sei ihm die Concession zur Fortsetzung seines
Blattes in Wien nicht ertheilt worden, obwohl er eine gemäßigt freisinnige
Richtung (im Belagerungszustande) zu halten versprach. „Man sieht, ruft Chow¬
nitz aus, ich konnte es Niemand recht machen"!

In dem gauzeu, 10 Capitel enthaltenden Hefte ist nichts von Bedeutung;
weder eine Gruppirung der Thatsachen, noch eine Aufklärung über die bewegen¬
den Hände. Aus der ältern und neuesten Geschichte werden einige Blätter
heraufgeschrieben, und die wenigen Ereignisse im Sommeranfang 1848 in Pesth-
Ofen schildert Chownitz als Augenzeuge, meist Schnitzel der Zeitung: die Oppo¬
sition, wie Arthur Frey den Studentenconrier benutzt.

Den vorgenannten demokratischen Darstellungen gegenüber erschien eine schwarz¬
gelbe uuter dem Titel:


Die magyarische Revolution. Vou einem Augenzeugen.
Pesth 184U.

Unter Haynau'scher Belagerung eine Geschichte der magyarischen Revolution
zu schreiben, ist ein kühnes Vermessen; der Autor (Szilagyi?) hielt sich zumeist
an die Daten der östreichischen Journale, schimpft weidlich auf die Insurgenten, und
streicht die Tapferkeit der kaiserlichen Truppen heraus. Der Verfasser will jedoch nnr
„durch eine kurzgefaßte Schilderung der nackten Thatsachen den Mantel lüften,"
und als solcher Beitrag ist dieses Büchelchen uicht zu verwerfen.

In Grimma erschien eine Biographie des

Grasen Ludwig Batthyany. — Ein aus Zeitungsnotizen zusammen¬
gestoppeltes Heft. — Wir übergehen viele andere Flugschriften, als nicht einmal
nennenswert!). Szalay's, Telcky's, Szarvady's, und andere Brochüren sind als
die Mittheilungen eingeweihter, wenn auch parteiischer Männer zu würdigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/42>, abgerufen am 04.05.2024.