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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Excerpte aus Kossuth's Hirlap und aus den Parlamentsreden halten die Geschicht¬
schreiber auf, und füllen kunterbunt den ersten Theil.

Der zweite Theil beginnt schon mit dem Einfall der Croaten; leider ver¬
rathen sich die Kompilatoren durch ein Citat aus dem Studenten-Courier,
ein Wiener Journal, dem Herr Frey die Ehre erzeigt, es radical zu nennen.
Der Studentenausschuß in der Aula zu Wien hat diese Zeitung in öffentlichen
Blättern desavouirt, damit die Corporation nicht mit diesem burschikosen Unsinn
verunglimpft werde. Auf welcher Stufe politischer Erkenntniß stehen die Mitar¬
beiter des Herrn Frey, wenn sie ein solches Pamphlet als Autorität citiren!!

Vergebens durchblättert man das ganze Buch, um entweder eine Schilde¬
rung von Kossuth's Wirken, oder die neueste Geschichte Ungarns zu entdecken.
Aus den Zeitungen herausgerissene Spalten oder nachgedruckte Proklamationen,
hie und da durch ein paar Phrasen aneinaudergelöthet, bilden dieses Machwerk,
welches mit Portraits ungarischer Helden geziert ist. Auch Görgey befindet sich darun¬
ter, dessen Aehnlichkeit höchstens darin besteht, daß das Original ein Mensch ist
und dieses Bild auch einen Menschen darstellt. Gesichtszüge, Haarschnitt, Schnurr-
nnd Knebelbart sind nicht getroffen; dies mag jedoch die Schuld des Zeichners
sein. Wie kömmt jedoch der ungarische General zu einer französischen Uni¬
form? Görgey trug nie etwas Anderes als eine Husarenjacke, hier aber hat er sogar
Epaulettes und ein Ordenskreuz!! So wie das Bild dem Heerführer gleicht, so
gleicht diese Geschichte der wirklichen; wir können nur wiederholen, daß es eine
kenntniß- und umsichtlose Compilation ist. Es soll ein dritter Theil dazu erschei¬
nen. Schade um das Papier und die hübsche Ausstattung.

Ein zweites Werk trägt den pretiösen Titel:


Geschichte der ungarischen Revolution. Von Julian Chow¬
nitz. Stuttgart 1849.

Chownitz und Geschichte. Die deutsche Schundliteratur kennt diesen
Literaten bereits aus mehrern Erzeugnissen, denen sich dieses neueste Produkt nicht
unwürdig anreiht. Daß es noch immer Verleger gibt, welche ihr Kapital an solche
renommirre Federbetten vergeude", muß nahrlich in Erstaunen setzen. Chownitz
tummelte sich nach seinen journalistischen und jesuitischen Winkelzügen in Deutsch¬
land auf dem Pesther Felde herum, und bot der ungarischen Regierung seine
Dienste an; der Mann war zu anrüchig, und man konnte ihm nicht einmal eine
Notizensubvention für ein zu gründendes Journal zusagen. Hierauf machte er
Opposition in einem den gleichen Titel führenden Blatte. Auf diese Wirksam¬
keit beruft er sich in der Vorrede des 1. Heftes dieser Geschichte, welchem noch
5 Hefte folgen sollen. Es ist gar zu komisch, Herrn Chownitz von "seiner"
Partei sprechen zu hören. Chownitz mußte Pesth verlassen, und bot sich der östrei¬
chischen Regierung in Olmütz zu Diensten an; auch hier abgewiesen und vor die Thüre
gestellt, rächt er sich, und schmiedet wieder in Deutschland Libelle, und dichtet


Grenzboten. l. 1850. 5

Excerpte aus Kossuth's Hirlap und aus den Parlamentsreden halten die Geschicht¬
schreiber auf, und füllen kunterbunt den ersten Theil.

Der zweite Theil beginnt schon mit dem Einfall der Croaten; leider ver¬
rathen sich die Kompilatoren durch ein Citat aus dem Studenten-Courier,
ein Wiener Journal, dem Herr Frey die Ehre erzeigt, es radical zu nennen.
Der Studentenausschuß in der Aula zu Wien hat diese Zeitung in öffentlichen
Blättern desavouirt, damit die Corporation nicht mit diesem burschikosen Unsinn
verunglimpft werde. Auf welcher Stufe politischer Erkenntniß stehen die Mitar¬
beiter des Herrn Frey, wenn sie ein solches Pamphlet als Autorität citiren!!

Vergebens durchblättert man das ganze Buch, um entweder eine Schilde¬
rung von Kossuth's Wirken, oder die neueste Geschichte Ungarns zu entdecken.
Aus den Zeitungen herausgerissene Spalten oder nachgedruckte Proklamationen,
hie und da durch ein paar Phrasen aneinaudergelöthet, bilden dieses Machwerk,
welches mit Portraits ungarischer Helden geziert ist. Auch Görgey befindet sich darun¬
ter, dessen Aehnlichkeit höchstens darin besteht, daß das Original ein Mensch ist
und dieses Bild auch einen Menschen darstellt. Gesichtszüge, Haarschnitt, Schnurr-
nnd Knebelbart sind nicht getroffen; dies mag jedoch die Schuld des Zeichners
sein. Wie kömmt jedoch der ungarische General zu einer französischen Uni¬
form? Görgey trug nie etwas Anderes als eine Husarenjacke, hier aber hat er sogar
Epaulettes und ein Ordenskreuz!! So wie das Bild dem Heerführer gleicht, so
gleicht diese Geschichte der wirklichen; wir können nur wiederholen, daß es eine
kenntniß- und umsichtlose Compilation ist. Es soll ein dritter Theil dazu erschei¬
nen. Schade um das Papier und die hübsche Ausstattung.

Ein zweites Werk trägt den pretiösen Titel:


Geschichte der ungarischen Revolution. Von Julian Chow¬
nitz. Stuttgart 1849.

Chownitz und Geschichte. Die deutsche Schundliteratur kennt diesen
Literaten bereits aus mehrern Erzeugnissen, denen sich dieses neueste Produkt nicht
unwürdig anreiht. Daß es noch immer Verleger gibt, welche ihr Kapital an solche
renommirre Federbetten vergeude», muß nahrlich in Erstaunen setzen. Chownitz
tummelte sich nach seinen journalistischen und jesuitischen Winkelzügen in Deutsch¬
land auf dem Pesther Felde herum, und bot der ungarischen Regierung seine
Dienste an; der Mann war zu anrüchig, und man konnte ihm nicht einmal eine
Notizensubvention für ein zu gründendes Journal zusagen. Hierauf machte er
Opposition in einem den gleichen Titel führenden Blatte. Auf diese Wirksam¬
keit beruft er sich in der Vorrede des 1. Heftes dieser Geschichte, welchem noch
5 Hefte folgen sollen. Es ist gar zu komisch, Herrn Chownitz von „seiner"
Partei sprechen zu hören. Chownitz mußte Pesth verlassen, und bot sich der östrei¬
chischen Regierung in Olmütz zu Diensten an; auch hier abgewiesen und vor die Thüre
gestellt, rächt er sich, und schmiedet wieder in Deutschland Libelle, und dichtet


Grenzboten. l. 1850. 5
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[0041] Excerpte aus Kossuth's Hirlap und aus den Parlamentsreden halten die Geschicht¬ schreiber auf, und füllen kunterbunt den ersten Theil. Der zweite Theil beginnt schon mit dem Einfall der Croaten; leider ver¬ rathen sich die Kompilatoren durch ein Citat aus dem Studenten-Courier, ein Wiener Journal, dem Herr Frey die Ehre erzeigt, es radical zu nennen. Der Studentenausschuß in der Aula zu Wien hat diese Zeitung in öffentlichen Blättern desavouirt, damit die Corporation nicht mit diesem burschikosen Unsinn verunglimpft werde. Auf welcher Stufe politischer Erkenntniß stehen die Mitar¬ beiter des Herrn Frey, wenn sie ein solches Pamphlet als Autorität citiren!! Vergebens durchblättert man das ganze Buch, um entweder eine Schilde¬ rung von Kossuth's Wirken, oder die neueste Geschichte Ungarns zu entdecken. Aus den Zeitungen herausgerissene Spalten oder nachgedruckte Proklamationen, hie und da durch ein paar Phrasen aneinaudergelöthet, bilden dieses Machwerk, welches mit Portraits ungarischer Helden geziert ist. Auch Görgey befindet sich darun¬ ter, dessen Aehnlichkeit höchstens darin besteht, daß das Original ein Mensch ist und dieses Bild auch einen Menschen darstellt. Gesichtszüge, Haarschnitt, Schnurr- nnd Knebelbart sind nicht getroffen; dies mag jedoch die Schuld des Zeichners sein. Wie kömmt jedoch der ungarische General zu einer französischen Uni¬ form? Görgey trug nie etwas Anderes als eine Husarenjacke, hier aber hat er sogar Epaulettes und ein Ordenskreuz!! So wie das Bild dem Heerführer gleicht, so gleicht diese Geschichte der wirklichen; wir können nur wiederholen, daß es eine kenntniß- und umsichtlose Compilation ist. Es soll ein dritter Theil dazu erschei¬ nen. Schade um das Papier und die hübsche Ausstattung. Ein zweites Werk trägt den pretiösen Titel: Geschichte der ungarischen Revolution. Von Julian Chow¬ nitz. Stuttgart 1849. Chownitz und Geschichte. Die deutsche Schundliteratur kennt diesen Literaten bereits aus mehrern Erzeugnissen, denen sich dieses neueste Produkt nicht unwürdig anreiht. Daß es noch immer Verleger gibt, welche ihr Kapital an solche renommirre Federbetten vergeude», muß nahrlich in Erstaunen setzen. Chownitz tummelte sich nach seinen journalistischen und jesuitischen Winkelzügen in Deutsch¬ land auf dem Pesther Felde herum, und bot der ungarischen Regierung seine Dienste an; der Mann war zu anrüchig, und man konnte ihm nicht einmal eine Notizensubvention für ein zu gründendes Journal zusagen. Hierauf machte er Opposition in einem den gleichen Titel führenden Blatte. Auf diese Wirksam¬ keit beruft er sich in der Vorrede des 1. Heftes dieser Geschichte, welchem noch 5 Hefte folgen sollen. Es ist gar zu komisch, Herrn Chownitz von „seiner" Partei sprechen zu hören. Chownitz mußte Pesth verlassen, und bot sich der östrei¬ chischen Regierung in Olmütz zu Diensten an; auch hier abgewiesen und vor die Thüre gestellt, rächt er sich, und schmiedet wieder in Deutschland Libelle, und dichtet Grenzboten. l. 1850. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/41>, abgerufen am 22.05.2024.