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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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V.
Des Kreuzes Prüfung. Glaubenstragödic von San-Marte. (A.Schulz.) Magde¬
burg, Hcinrichöhofen.

Dieser Dichter hat keine philosophischen Reflexionen zu ni'erwinden gehabt.
ES ist noch die vollständige Naivetät jener Zeit, in der Calderon ein Evange¬
lium für die Deutschen war, holzschnittartige kleine Genrebilder im allerkleinsten Bal¬
ladenversmaß, das übrigens glatt genug dahinfließt, wunderbare Wirkungen von
Crucifixen, von Einsiedlern u. s. w., unsichtbare Stimmen in der Höhe, die
Lateinische Gebete singen, Indisches Kolorit und Aehnliches, was wir zu den Zeiten
des reflectirten neumodischen Katholicismus, zu den Zeiten der Schütz, der
Fonqus, der Werner bereits gehabt. In dieser Zeit würde es als eines der
gelungensten jener Producte bezeichnet seiir, denn es ist naiv und zierlich genng;
für unsre Generation kommt es zu spät.


Vl.
Trauerspiele von Hermann Schmid. München, Manuscript.

Das erste dieser Stücke, Bretislaw, ist 18i3, das dritte, Straßburg,
eine Deutsche Stadt, 18i9 zu München aufgeführt; das zweite, Karl Stu-
art, ist bei seinem ungeheuren Umfang wol kaum für die Bühne berechnet.
Wir haben hier die einfache Schiller-Körner'sche Schule, patriotische und humane
Empfindungen, Conflicte aus Mißverständnis;, eine durchsichtige, etwas breite
Sprache, Liebe und Ehrgeiz u. tgi. Der Dichter macht keinen Anspruch darauf,
der dramatischen Kunst eine neue Richtung zu gebe". Als Exempel der currenteu
Kunstübung gehen die Stücke mit vielen andern derselben Gattung, welche einen
leidlichen Erfolg gehabt haben. Herr Schmid ist übrigens zu gleicher Zeit Re¬
dacteur eines seit dem April dieses Jahres in München erscheinenden "Unter-
haltnngsblatteö für alle Stände", welches seiner guten Tendenz wegen eine locale
Verbreitung verdient, und auch sonst durch Kuustmittheilungen aus München
einiges Interesse beansprucht.




Pariser Botschaften.

Der Präsident hat in seiner Rede von Poitiers seiner ursprünglichen Absicht
zuwider einen anständigern Ton angeschlagen. Der Empfang, der ihm auf der
gauzeu Strecke im republikanischen Departement und in der zum Theil republi¬
kanischen, zum Theil legitimistischen Stadt widerfuhr, war nur zu sehr geeignet,
der vernünftigen Fürsprache seiner Minister Gehör zu verschaffen. Die Spitze
des geträumten Scepters guckt nur noch ein Wenig hervor, aber furchtsam genug,
um erst von den Elysceischen Blättern gezeigt, von den republikanischen denuncirt


V.
Des Kreuzes Prüfung. Glaubenstragödic von San-Marte. (A.Schulz.) Magde¬
burg, Hcinrichöhofen.

Dieser Dichter hat keine philosophischen Reflexionen zu ni'erwinden gehabt.
ES ist noch die vollständige Naivetät jener Zeit, in der Calderon ein Evange¬
lium für die Deutschen war, holzschnittartige kleine Genrebilder im allerkleinsten Bal¬
ladenversmaß, das übrigens glatt genug dahinfließt, wunderbare Wirkungen von
Crucifixen, von Einsiedlern u. s. w., unsichtbare Stimmen in der Höhe, die
Lateinische Gebete singen, Indisches Kolorit und Aehnliches, was wir zu den Zeiten
des reflectirten neumodischen Katholicismus, zu den Zeiten der Schütz, der
Fonqus, der Werner bereits gehabt. In dieser Zeit würde es als eines der
gelungensten jener Producte bezeichnet seiir, denn es ist naiv und zierlich genng;
für unsre Generation kommt es zu spät.


Vl.
Trauerspiele von Hermann Schmid. München, Manuscript.

Das erste dieser Stücke, Bretislaw, ist 18i3, das dritte, Straßburg,
eine Deutsche Stadt, 18i9 zu München aufgeführt; das zweite, Karl Stu-
art, ist bei seinem ungeheuren Umfang wol kaum für die Bühne berechnet.
Wir haben hier die einfache Schiller-Körner'sche Schule, patriotische und humane
Empfindungen, Conflicte aus Mißverständnis;, eine durchsichtige, etwas breite
Sprache, Liebe und Ehrgeiz u. tgi. Der Dichter macht keinen Anspruch darauf,
der dramatischen Kunst eine neue Richtung zu gebe». Als Exempel der currenteu
Kunstübung gehen die Stücke mit vielen andern derselben Gattung, welche einen
leidlichen Erfolg gehabt haben. Herr Schmid ist übrigens zu gleicher Zeit Re¬
dacteur eines seit dem April dieses Jahres in München erscheinenden „Unter-
haltnngsblatteö für alle Stände", welches seiner guten Tendenz wegen eine locale
Verbreitung verdient, und auch sonst durch Kuustmittheilungen aus München
einiges Interesse beansprucht.




Pariser Botschaften.

Der Präsident hat in seiner Rede von Poitiers seiner ursprünglichen Absicht
zuwider einen anständigern Ton angeschlagen. Der Empfang, der ihm auf der
gauzeu Strecke im republikanischen Departement und in der zum Theil republi¬
kanischen, zum Theil legitimistischen Stadt widerfuhr, war nur zu sehr geeignet,
der vernünftigen Fürsprache seiner Minister Gehör zu verschaffen. Die Spitze
des geträumten Scepters guckt nur noch ein Wenig hervor, aber furchtsam genug,
um erst von den Elysceischen Blättern gezeigt, von den republikanischen denuncirt


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[0142] V. Des Kreuzes Prüfung. Glaubenstragödic von San-Marte. (A.Schulz.) Magde¬ burg, Hcinrichöhofen. Dieser Dichter hat keine philosophischen Reflexionen zu ni'erwinden gehabt. ES ist noch die vollständige Naivetät jener Zeit, in der Calderon ein Evange¬ lium für die Deutschen war, holzschnittartige kleine Genrebilder im allerkleinsten Bal¬ ladenversmaß, das übrigens glatt genug dahinfließt, wunderbare Wirkungen von Crucifixen, von Einsiedlern u. s. w., unsichtbare Stimmen in der Höhe, die Lateinische Gebete singen, Indisches Kolorit und Aehnliches, was wir zu den Zeiten des reflectirten neumodischen Katholicismus, zu den Zeiten der Schütz, der Fonqus, der Werner bereits gehabt. In dieser Zeit würde es als eines der gelungensten jener Producte bezeichnet seiir, denn es ist naiv und zierlich genng; für unsre Generation kommt es zu spät. Vl. Trauerspiele von Hermann Schmid. München, Manuscript. Das erste dieser Stücke, Bretislaw, ist 18i3, das dritte, Straßburg, eine Deutsche Stadt, 18i9 zu München aufgeführt; das zweite, Karl Stu- art, ist bei seinem ungeheuren Umfang wol kaum für die Bühne berechnet. Wir haben hier die einfache Schiller-Körner'sche Schule, patriotische und humane Empfindungen, Conflicte aus Mißverständnis;, eine durchsichtige, etwas breite Sprache, Liebe und Ehrgeiz u. tgi. Der Dichter macht keinen Anspruch darauf, der dramatischen Kunst eine neue Richtung zu gebe». Als Exempel der currenteu Kunstübung gehen die Stücke mit vielen andern derselben Gattung, welche einen leidlichen Erfolg gehabt haben. Herr Schmid ist übrigens zu gleicher Zeit Re¬ dacteur eines seit dem April dieses Jahres in München erscheinenden „Unter- haltnngsblatteö für alle Stände", welches seiner guten Tendenz wegen eine locale Verbreitung verdient, und auch sonst durch Kuustmittheilungen aus München einiges Interesse beansprucht. Pariser Botschaften. Der Präsident hat in seiner Rede von Poitiers seiner ursprünglichen Absicht zuwider einen anständigern Ton angeschlagen. Der Empfang, der ihm auf der gauzeu Strecke im republikanischen Departement und in der zum Theil republi¬ kanischen, zum Theil legitimistischen Stadt widerfuhr, war nur zu sehr geeignet, der vernünftigen Fürsprache seiner Minister Gehör zu verschaffen. Die Spitze des geträumten Scepters guckt nur noch ein Wenig hervor, aber furchtsam genug, um erst von den Elysceischen Blättern gezeigt, von den republikanischen denuncirt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/142>, abgerufen am 04.05.2024.