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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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und weil sie nicht begriffen, daß auch das Ideale in seiner Darstellung sich ver¬
endlichen müsse.

Zum Schluß möchte ich noch die Frage ausstellen, ob es nicht zweckmäßig
wäre, eine Gesammtausgabe von Oehlenschläger's Werken zu veranstalten, worin
namentlich die im Norden spielenden Dramen sämmtlich enthalten sein mußten.
Eine solche Ausgabe müßte aber zum Theil eine Ueberarbeitung sein, denn abge¬
sehen von den groben Sprachschnitzern, die Oehlenschläger nicht selten begeht,
finden sich anch sehr viele ungeschickte Wendungen, denen dnrch eine leichte Mühe
I. S. abgeholfen werden könnte.




Wunderbare Schicksale der Englischen Journalistik
, - .lyW/M^Ill^

Als in Deutschland vor drei Jahren die Censur unter dem Hurrahgeschrei
des vom Pulverdampf und Barricadcnstaub erhitzten Volkes feierlichst abgeschafft
wurde, glaubte man das Schwerste hinter sich zu haben. So athmete die Eng¬
lische Zeitungsprcsse aus, als im Jahre toll die Sternkammer den Tod der
Auflösung starb. -In Deutschland klagt die Presse heute noch vernehmlicher als
vor drei Jahren: "Den Censor ist man los, die Censur ist geblieben", und wer
weiß, wie lange wir noch werden klagen müssen. Den Engländern ging's nicht
besser. Mehr als 160 Jahre nach Abschaffung der Sternkammer dauerten die
stillen und offenen Kämpfe der Presse gegen die Regierung fort, und die Freiheit,
welche die Britische Journalistik hente genießt, ist bei Weitem nicht so alt, als
man ihrer Wohlbeleibtheit und ihrem affectirter Altersstvlze nach glauben möchte.
Volle anderthalb Jahrhunderte lagen sich die Zeitungsschreiber und die Parlaments¬
mitglieder in den Haaren. Letztere wollten nicht, daß ihre Reden über die
Grenzen des Sitzungssaales hinaus bekannt würden; Erstere dagegen hatten
ihren Lesern nichts Interessanteres zu bieten, als eben diese Reden, theils
ihrer Vortrefflichkeit, theils ihrer Beschränktheit wegen. Vergebens, daß die
Journalistik mit allem erdenklichen Aufwands von Geist und Styl dem Parlamente
bewies, wie es nur stark werden könne durch die Stütze der öffentlichen Meinung,
daß das Volk doch ein Recht habe, zu wissen, dnrch wen und gegen wen seine
Interessen am Redlichsten vertreten werden,---es half Alles Nichts. Einzelne
aufgeklärtere Geister, die Zeit mit ihren Ansprüchen und Bedürfnissen erfassend,
traten für die Freiheit der Presse in die Schranken, aber wo die Majoritätö-
Dnmmheit sie mit Beweisgründen nicht widerlegen konnte, da verkroch sie sich
mit einfältiger Selbstgenügsamkeit hinter die alten Gerechtsame des Hauses,
welches die Veröffentlichung seiner Sitzungen einen Eingriff in feilte Prim-
legienzu nennen beliebte. Wir kommen später aus diese Kämpfe zurück.


und weil sie nicht begriffen, daß auch das Ideale in seiner Darstellung sich ver¬
endlichen müsse.

Zum Schluß möchte ich noch die Frage ausstellen, ob es nicht zweckmäßig
wäre, eine Gesammtausgabe von Oehlenschläger's Werken zu veranstalten, worin
namentlich die im Norden spielenden Dramen sämmtlich enthalten sein mußten.
Eine solche Ausgabe müßte aber zum Theil eine Ueberarbeitung sein, denn abge¬
sehen von den groben Sprachschnitzern, die Oehlenschläger nicht selten begeht,
finden sich anch sehr viele ungeschickte Wendungen, denen dnrch eine leichte Mühe
I. S. abgeholfen werden könnte.




Wunderbare Schicksale der Englischen Journalistik
, - .lyW/M^Ill^

Als in Deutschland vor drei Jahren die Censur unter dem Hurrahgeschrei
des vom Pulverdampf und Barricadcnstaub erhitzten Volkes feierlichst abgeschafft
wurde, glaubte man das Schwerste hinter sich zu haben. So athmete die Eng¬
lische Zeitungsprcsse aus, als im Jahre toll die Sternkammer den Tod der
Auflösung starb. -In Deutschland klagt die Presse heute noch vernehmlicher als
vor drei Jahren: „Den Censor ist man los, die Censur ist geblieben", und wer
weiß, wie lange wir noch werden klagen müssen. Den Engländern ging's nicht
besser. Mehr als 160 Jahre nach Abschaffung der Sternkammer dauerten die
stillen und offenen Kämpfe der Presse gegen die Regierung fort, und die Freiheit,
welche die Britische Journalistik hente genießt, ist bei Weitem nicht so alt, als
man ihrer Wohlbeleibtheit und ihrem affectirter Altersstvlze nach glauben möchte.
Volle anderthalb Jahrhunderte lagen sich die Zeitungsschreiber und die Parlaments¬
mitglieder in den Haaren. Letztere wollten nicht, daß ihre Reden über die
Grenzen des Sitzungssaales hinaus bekannt würden; Erstere dagegen hatten
ihren Lesern nichts Interessanteres zu bieten, als eben diese Reden, theils
ihrer Vortrefflichkeit, theils ihrer Beschränktheit wegen. Vergebens, daß die
Journalistik mit allem erdenklichen Aufwands von Geist und Styl dem Parlamente
bewies, wie es nur stark werden könne durch die Stütze der öffentlichen Meinung,
daß das Volk doch ein Recht habe, zu wissen, dnrch wen und gegen wen seine
Interessen am Redlichsten vertreten werden,---es half Alles Nichts. Einzelne
aufgeklärtere Geister, die Zeit mit ihren Ansprüchen und Bedürfnissen erfassend,
traten für die Freiheit der Presse in die Schranken, aber wo die Majoritätö-
Dnmmheit sie mit Beweisgründen nicht widerlegen konnte, da verkroch sie sich
mit einfältiger Selbstgenügsamkeit hinter die alten Gerechtsame des Hauses,
welches die Veröffentlichung seiner Sitzungen einen Eingriff in feilte Prim-
legienzu nennen beliebte. Wir kommen später aus diese Kämpfe zurück.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/348>, abgerufen am 03.05.2024.