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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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tholiken, Calviner und Lutheraner), das Stadthaus mit den Archiven und vielen
an Privaten gehörenden Ackerstücken, das vereinigte Lyceum der beiden prote¬
stantischen Konfessionen, die katholische Schule, das Casino, die Kleinkinderbewahr-
anstalt, das Spital und die Sparkasse, außerdem die reiche Bibliothek und wissen-
schaftlichen und Kunstsammlungen des Lyceums, die an Münzen, Antiquitäten,
Waffen und Mineralien reiche Privatsammlung des Gelehrten Franz Kubinyi,
Custos des Nationalmuseums in Pesth, ein Raub des modernen Vandalismus.
Der materielle Verlust dieser unglücklichen Stadt beläuft sich auf fünf Millionen
Gulden.

Unmittelbar nach der Katastrophe eilten die nahen und fernen Ortschaften,
der bedrängten Schwester beizustehen, und es liefen in einer kurzen Zeit -16,000
Gulden Münze in Ungarischen Banknoten ein. Einige Tage darauf kam der
Befehl, diese Banknoten einzuliefern, und Losoncz mußte die wenigen geretteten
Trümmer seines frühern Wohlstandes dem Generalcvmmando ausliefern; 70,000
Gulden Kossuthnoten wurden von Losoncz dem Feuertode entgegengetragen. Die
Stadt kam dann bei der Negierung ein, sie möge dnrch eine Commission die
Veranlassung zu ihrem schrecklichen Unglücke untersuchen lassen. Dies geschah!
Lvsoncz wurde für unschuldig erklärt; und dennoch fand es die Negierung
für gut, den unschuldig Leidenden die Erlaubniß, durch Ausrufe Sammlungen in
V- der Monarchie austeilen zu lassen, zu verweigern.




Dorflebe n in Mecklenburg.
n.

Im tiefen Plaudern versunken stand das liebende Paar noch am "Sod",
und Liesch erzählte dem aufmerksam zuhörenden Jochen, wie die "Scheck" dort
schon an der Milch nachließe, und die große braune "Bleß" ihr die liebste Kuh
lui ganzen Stalle sei, als plötzlich eine rauhe Stimme dicht hinter ihnen sie durch
die Worte: "Stocht Ile wedder bicsameu un verschränkt dee Tieb, ick not man
mit denToegel (Prügel) mang Inuns kamen, Ile Aastuch!" auseinanderschreckte.
Der alte Schule war es. Sein runzelvollcs, gebräuntes Gesicht drückte Harte
und Festigkeit, das kleine graue Auge Schlauheit aus. Da er noch am Morgen
in die Stadt reiten wollte, so war er schon fast vollständig in seinem besten "Staat .
Große Stiefeln mit engen Schäften reichten bis dicht unter das Knie, und ließe"
nur eine Hand breit von dem weißen Wollenstrnmpf sehen, der am Knie Stil's
dnrch die silberne Spange gehalten wurde, welche hier die weite kurze Hose v""
braunem Manchester-Sammet schloß. Da diese nicht durch Hosenträger festgehalten


tholiken, Calviner und Lutheraner), das Stadthaus mit den Archiven und vielen
an Privaten gehörenden Ackerstücken, das vereinigte Lyceum der beiden prote¬
stantischen Konfessionen, die katholische Schule, das Casino, die Kleinkinderbewahr-
anstalt, das Spital und die Sparkasse, außerdem die reiche Bibliothek und wissen-
schaftlichen und Kunstsammlungen des Lyceums, die an Münzen, Antiquitäten,
Waffen und Mineralien reiche Privatsammlung des Gelehrten Franz Kubinyi,
Custos des Nationalmuseums in Pesth, ein Raub des modernen Vandalismus.
Der materielle Verlust dieser unglücklichen Stadt beläuft sich auf fünf Millionen
Gulden.

Unmittelbar nach der Katastrophe eilten die nahen und fernen Ortschaften,
der bedrängten Schwester beizustehen, und es liefen in einer kurzen Zeit -16,000
Gulden Münze in Ungarischen Banknoten ein. Einige Tage darauf kam der
Befehl, diese Banknoten einzuliefern, und Losoncz mußte die wenigen geretteten
Trümmer seines frühern Wohlstandes dem Generalcvmmando ausliefern; 70,000
Gulden Kossuthnoten wurden von Losoncz dem Feuertode entgegengetragen. Die
Stadt kam dann bei der Negierung ein, sie möge dnrch eine Commission die
Veranlassung zu ihrem schrecklichen Unglücke untersuchen lassen. Dies geschah!
Lvsoncz wurde für unschuldig erklärt; und dennoch fand es die Negierung
für gut, den unschuldig Leidenden die Erlaubniß, durch Ausrufe Sammlungen in
V- der Monarchie austeilen zu lassen, zu verweigern.




Dorflebe n in Mecklenburg.
n.

Im tiefen Plaudern versunken stand das liebende Paar noch am „Sod",
und Liesch erzählte dem aufmerksam zuhörenden Jochen, wie die „Scheck" dort
schon an der Milch nachließe, und die große braune „Bleß" ihr die liebste Kuh
lui ganzen Stalle sei, als plötzlich eine rauhe Stimme dicht hinter ihnen sie durch
die Worte: „Stocht Ile wedder bicsameu un verschränkt dee Tieb, ick not man
mit denToegel (Prügel) mang Inuns kamen, Ile Aastuch!" auseinanderschreckte.
Der alte Schule war es. Sein runzelvollcs, gebräuntes Gesicht drückte Harte
und Festigkeit, das kleine graue Auge Schlauheit aus. Da er noch am Morgen
in die Stadt reiten wollte, so war er schon fast vollständig in seinem besten „Staat .
Große Stiefeln mit engen Schäften reichten bis dicht unter das Knie, und ließe«
nur eine Hand breit von dem weißen Wollenstrnmpf sehen, der am Knie Stil's
dnrch die silberne Spange gehalten wurde, welche hier die weite kurze Hose v""
braunem Manchester-Sammet schloß. Da diese nicht durch Hosenträger festgehalten


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[0458] tholiken, Calviner und Lutheraner), das Stadthaus mit den Archiven und vielen an Privaten gehörenden Ackerstücken, das vereinigte Lyceum der beiden prote¬ stantischen Konfessionen, die katholische Schule, das Casino, die Kleinkinderbewahr- anstalt, das Spital und die Sparkasse, außerdem die reiche Bibliothek und wissen- schaftlichen und Kunstsammlungen des Lyceums, die an Münzen, Antiquitäten, Waffen und Mineralien reiche Privatsammlung des Gelehrten Franz Kubinyi, Custos des Nationalmuseums in Pesth, ein Raub des modernen Vandalismus. Der materielle Verlust dieser unglücklichen Stadt beläuft sich auf fünf Millionen Gulden. Unmittelbar nach der Katastrophe eilten die nahen und fernen Ortschaften, der bedrängten Schwester beizustehen, und es liefen in einer kurzen Zeit -16,000 Gulden Münze in Ungarischen Banknoten ein. Einige Tage darauf kam der Befehl, diese Banknoten einzuliefern, und Losoncz mußte die wenigen geretteten Trümmer seines frühern Wohlstandes dem Generalcvmmando ausliefern; 70,000 Gulden Kossuthnoten wurden von Losoncz dem Feuertode entgegengetragen. Die Stadt kam dann bei der Negierung ein, sie möge dnrch eine Commission die Veranlassung zu ihrem schrecklichen Unglücke untersuchen lassen. Dies geschah! Lvsoncz wurde für unschuldig erklärt; und dennoch fand es die Negierung für gut, den unschuldig Leidenden die Erlaubniß, durch Ausrufe Sammlungen in V- der Monarchie austeilen zu lassen, zu verweigern. Dorflebe n in Mecklenburg. n. Im tiefen Plaudern versunken stand das liebende Paar noch am „Sod", und Liesch erzählte dem aufmerksam zuhörenden Jochen, wie die „Scheck" dort schon an der Milch nachließe, und die große braune „Bleß" ihr die liebste Kuh lui ganzen Stalle sei, als plötzlich eine rauhe Stimme dicht hinter ihnen sie durch die Worte: „Stocht Ile wedder bicsameu un verschränkt dee Tieb, ick not man mit denToegel (Prügel) mang Inuns kamen, Ile Aastuch!" auseinanderschreckte. Der alte Schule war es. Sein runzelvollcs, gebräuntes Gesicht drückte Harte und Festigkeit, das kleine graue Auge Schlauheit aus. Da er noch am Morgen in die Stadt reiten wollte, so war er schon fast vollständig in seinem besten „Staat . Große Stiefeln mit engen Schäften reichten bis dicht unter das Knie, und ließe« nur eine Hand breit von dem weißen Wollenstrnmpf sehen, der am Knie Stil's dnrch die silberne Spange gehalten wurde, welche hier die weite kurze Hose v"" braunem Manchester-Sammet schloß. Da diese nicht durch Hosenträger festgehalten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/458>, abgerufen am 03.05.2024.