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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Die öffentliche Sitzung der Akademie der Wissenschaften
zu Berlin am Leibnitztage.

Mail muß einer Receptionsfeierlichkeit der ^Laäömie ?ran^i.ü8e und einer zu
einem ähnlichen Zwecke bestimmten Sitzung einer Deutschen Akademie beigewohnt
haben, um den ganzen Unterschied des Französischen und des Deutschen National¬
charakters zu begreifen. Dort ein förmliches Schaugepränge, ein Schauspiel, ein
brillantes, meist aus Damen der höchsten Stände bestehendes Publicum, reiche,
glänzende Toiletten, ein Drängen nach Einlaßkarten, die nur dnrch besondere Gunst
zu erhalten sind; in der Rede des neuen Akademikers, in der Beantwortung der¬
selben durch den Vorsitzenden die möglichste rhetorische Eleganz; immer nur Einer
zur Zeit ist es, der eingeht in. die enge Pforte, die zur Unsterblichkeit auf einem
der quiu-auto lÄuteuils führt; Mehrere zugleich zu recipiren, das erschiene der
Würde der erlauchten Körperschaft nicht angemessen, das hieße das Publicum um
eine Darstellung betrügen. Eine "Deutsche Akademie" freilich haben wir nicht,
aber doch unsre königlich Preußischen und königlich Bairischen, denen sich seit
einigen Jahren auch eine kaiserlich königlich Oestreichische, ausschließlich zum wis¬
senschaftlichen Betriebe privilegirte Akademie, deren naturwüchsige Naivetät ihre
Kindheit nicht verkennen läßt, eine königlich Sächsische Gesellschaft der Wissen¬
schaften hinzugesellt hat; diese von Anbeginn fertig und reif, jetzt wenigstens in
einem Zweige ihrer Thätigkeit bedroht mit dem voraussichtlichen Verluste von
Männern, der durch die Klötze und die Minckwitze, die man ihnen substituiren
wird, nur fühlbarer gemacht werden kaun. Und wie geht es, wenigstens hier zu
Lande, an der Spree, und gewiß nicht viel anders am Jsar, der Donau und der
Pleiße, bei solchen Feierlichkeiten zu? Statt der aoaüömiÄöns in ihrer bunt ge¬
stickten, altmodisch eleganten Kleidung, die mit derselben Scheere geschnitten zu
sein scheint, als die Hecken des Gartens von Versailles, der schwarze Frack; selbst
die weiße Binde verhältnißmäßig sparsam und fast nur in der vordersten Reihe
leuchtend; die grelle Pracht der Ordensbänder allein unterbricht die Monotonie
,der patriotischen Farben; statt der Fauteuils ans einer Tribune einige Reihen


Grenzboten. III. 1-1
Die öffentliche Sitzung der Akademie der Wissenschaften
zu Berlin am Leibnitztage.

Mail muß einer Receptionsfeierlichkeit der ^Laäömie ?ran^i.ü8e und einer zu
einem ähnlichen Zwecke bestimmten Sitzung einer Deutschen Akademie beigewohnt
haben, um den ganzen Unterschied des Französischen und des Deutschen National¬
charakters zu begreifen. Dort ein förmliches Schaugepränge, ein Schauspiel, ein
brillantes, meist aus Damen der höchsten Stände bestehendes Publicum, reiche,
glänzende Toiletten, ein Drängen nach Einlaßkarten, die nur dnrch besondere Gunst
zu erhalten sind; in der Rede des neuen Akademikers, in der Beantwortung der¬
selben durch den Vorsitzenden die möglichste rhetorische Eleganz; immer nur Einer
zur Zeit ist es, der eingeht in. die enge Pforte, die zur Unsterblichkeit auf einem
der quiu-auto lÄuteuils führt; Mehrere zugleich zu recipiren, das erschiene der
Würde der erlauchten Körperschaft nicht angemessen, das hieße das Publicum um
eine Darstellung betrügen. Eine „Deutsche Akademie" freilich haben wir nicht,
aber doch unsre königlich Preußischen und königlich Bairischen, denen sich seit
einigen Jahren auch eine kaiserlich königlich Oestreichische, ausschließlich zum wis¬
senschaftlichen Betriebe privilegirte Akademie, deren naturwüchsige Naivetät ihre
Kindheit nicht verkennen läßt, eine königlich Sächsische Gesellschaft der Wissen¬
schaften hinzugesellt hat; diese von Anbeginn fertig und reif, jetzt wenigstens in
einem Zweige ihrer Thätigkeit bedroht mit dem voraussichtlichen Verluste von
Männern, der durch die Klötze und die Minckwitze, die man ihnen substituiren
wird, nur fühlbarer gemacht werden kaun. Und wie geht es, wenigstens hier zu
Lande, an der Spree, und gewiß nicht viel anders am Jsar, der Donau und der
Pleiße, bei solchen Feierlichkeiten zu? Statt der aoaüömiÄöns in ihrer bunt ge¬
stickten, altmodisch eleganten Kleidung, die mit derselben Scheere geschnitten zu
sein scheint, als die Hecken des Gartens von Versailles, der schwarze Frack; selbst
die weiße Binde verhältnißmäßig sparsam und fast nur in der vordersten Reihe
leuchtend; die grelle Pracht der Ordensbänder allein unterbricht die Monotonie
,der patriotischen Farben; statt der Fauteuils ans einer Tribune einige Reihen


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[0089] Die öffentliche Sitzung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin am Leibnitztage. Mail muß einer Receptionsfeierlichkeit der ^Laäömie ?ran^i.ü8e und einer zu einem ähnlichen Zwecke bestimmten Sitzung einer Deutschen Akademie beigewohnt haben, um den ganzen Unterschied des Französischen und des Deutschen National¬ charakters zu begreifen. Dort ein förmliches Schaugepränge, ein Schauspiel, ein brillantes, meist aus Damen der höchsten Stände bestehendes Publicum, reiche, glänzende Toiletten, ein Drängen nach Einlaßkarten, die nur dnrch besondere Gunst zu erhalten sind; in der Rede des neuen Akademikers, in der Beantwortung der¬ selben durch den Vorsitzenden die möglichste rhetorische Eleganz; immer nur Einer zur Zeit ist es, der eingeht in. die enge Pforte, die zur Unsterblichkeit auf einem der quiu-auto lÄuteuils führt; Mehrere zugleich zu recipiren, das erschiene der Würde der erlauchten Körperschaft nicht angemessen, das hieße das Publicum um eine Darstellung betrügen. Eine „Deutsche Akademie" freilich haben wir nicht, aber doch unsre königlich Preußischen und königlich Bairischen, denen sich seit einigen Jahren auch eine kaiserlich königlich Oestreichische, ausschließlich zum wis¬ senschaftlichen Betriebe privilegirte Akademie, deren naturwüchsige Naivetät ihre Kindheit nicht verkennen läßt, eine königlich Sächsische Gesellschaft der Wissen¬ schaften hinzugesellt hat; diese von Anbeginn fertig und reif, jetzt wenigstens in einem Zweige ihrer Thätigkeit bedroht mit dem voraussichtlichen Verluste von Männern, der durch die Klötze und die Minckwitze, die man ihnen substituiren wird, nur fühlbarer gemacht werden kaun. Und wie geht es, wenigstens hier zu Lande, an der Spree, und gewiß nicht viel anders am Jsar, der Donau und der Pleiße, bei solchen Feierlichkeiten zu? Statt der aoaüömiÄöns in ihrer bunt ge¬ stickten, altmodisch eleganten Kleidung, die mit derselben Scheere geschnitten zu sein scheint, als die Hecken des Gartens von Versailles, der schwarze Frack; selbst die weiße Binde verhältnißmäßig sparsam und fast nur in der vordersten Reihe leuchtend; die grelle Pracht der Ordensbänder allein unterbricht die Monotonie ,der patriotischen Farben; statt der Fauteuils ans einer Tribune einige Reihen Grenzboten. III. 1-1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/89>, abgerufen am 03.05.2024.