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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Kaulbach's diesjährige Arbeiten in Berlin.
2. Die Pfeiler und Pilaster.

Im Eingange meines ersten Artikels gedachte ich zwischen den drei großen
Bildern, welche in der Treppenhalle des neuen Museums die Haupträume jeder
Wand einnehmen werden, der beiden Pfeiler, so wie der sechs Pilasterstreifen,
deren zwei jedes Hauptbild an den verticalen Rändern umsäumen sollen. Die Pfeiler
werden in bunten Farben auf Goldgrund ausgeführt, die Pilasterstreifen oder
Verticalsriese grau in grau gemalt. Für die erste Wand sind zu allen die Car¬
tons bereits vollendet, so daß wir den ganzen Inhalt übersehen können; ein
großer Theil tritt uns in fertigen Gemälden entgegen. Die bildende Kunst des
Malerischen Gestaltens schließt hier einen Bund mit architektonischen Formen, und
sehen daher die Symmetrie als Grundgesetz die Glieder der Composition
beherrschen.

Die beiden etwa fünf Fuß breiten Pfeiler bilden jeder drei symmetrische
^Heilungen. Die obere ist allegorischen Gestalten gewidmet; die untere trägt
com geschichtlichen Helden der alten Cultur; die mittlere, ein reliesartiges oblonges
^it, enthält die Darstellung eines historischen Ereignisses, und wird durch eine"
^"denen nach oben wie nach unten abgeschlossen. Der malerische Schmuck des
ersten Pfeilers -- zwischen dem Thurmbau zu Babel und dem siegenden Homer,
Zwischen dem Anfang der Geschichte und der ersten Entwickelung griechischer
"dung -- beginnt in der obern Abtheilung mit einer lebensgroßen schweben-
^ Isis, welche ihr Kindlein, den kleinen König Horns, aus dem Arme trägt.
!e ist vo,; ^^n: grünlich weißen Gewände und bläulichem Mantel umwallt, und
^le in der ausgestreckten Linken die Lotosblume und den Schlüssel des Nil. Ihr
vaupt bedeckt das perrückeuartig scharf gezeichnete Haar und darüber ein Kronen-
mit der Erdscheibe, neben der die Nindshörner stehen; denn wie der Stier
^nnbild des Osiris, so war die Kuh das Sinnbild der gebärenden, mütterlichen
^in. Ists galt im ägyptischen Cultus als die große Mutter der Natur, welche
Mährlich "den Segen, den Horns, gebiert. Die Handlung, in der sie der Kunst-
^ dargestellt, ist der eigentliche Kernpunkt des ganzen Mythus. Osiris, der
gute Gott, welcher den Ackerbau und alle nützlichen Künste nach Aegypten brachte,
der Gemahl der Isis. Aber Nephthys, die Gattin seines bösen Bruders
Vphon, entbrannte für ihn in unkenscher Gluth, und bewog ihn mit List zu einer
U'narmung, ohne daß er sie kannte. Als Frucht dieser Vermischung gebar Neph-
M den Hund Anubis, und setzte ihn aus. Isis fand ihn, und erkannte ihn an
^em Kranze von Lotosblumen als einen Sohn ihres Gemahls; sie war edel
^"ug, ihn als ihren eigenen Sohn anzunehmen, und seine Treue vergalt ihr die


^renzboten. IV. 1861. , . 27
Kaulbach's diesjährige Arbeiten in Berlin.
2. Die Pfeiler und Pilaster.

Im Eingange meines ersten Artikels gedachte ich zwischen den drei großen
Bildern, welche in der Treppenhalle des neuen Museums die Haupträume jeder
Wand einnehmen werden, der beiden Pfeiler, so wie der sechs Pilasterstreifen,
deren zwei jedes Hauptbild an den verticalen Rändern umsäumen sollen. Die Pfeiler
werden in bunten Farben auf Goldgrund ausgeführt, die Pilasterstreifen oder
Verticalsriese grau in grau gemalt. Für die erste Wand sind zu allen die Car¬
tons bereits vollendet, so daß wir den ganzen Inhalt übersehen können; ein
großer Theil tritt uns in fertigen Gemälden entgegen. Die bildende Kunst des
Malerischen Gestaltens schließt hier einen Bund mit architektonischen Formen, und
sehen daher die Symmetrie als Grundgesetz die Glieder der Composition
beherrschen.

Die beiden etwa fünf Fuß breiten Pfeiler bilden jeder drei symmetrische
^Heilungen. Die obere ist allegorischen Gestalten gewidmet; die untere trägt
com geschichtlichen Helden der alten Cultur; die mittlere, ein reliesartiges oblonges
^it, enthält die Darstellung eines historischen Ereignisses, und wird durch eine»
^"denen nach oben wie nach unten abgeschlossen. Der malerische Schmuck des
ersten Pfeilers — zwischen dem Thurmbau zu Babel und dem siegenden Homer,
Zwischen dem Anfang der Geschichte und der ersten Entwickelung griechischer
"dung — beginnt in der obern Abtheilung mit einer lebensgroßen schweben-
^ Isis, welche ihr Kindlein, den kleinen König Horns, aus dem Arme trägt.
!e ist vo,; ^^n: grünlich weißen Gewände und bläulichem Mantel umwallt, und
^le in der ausgestreckten Linken die Lotosblume und den Schlüssel des Nil. Ihr
vaupt bedeckt das perrückeuartig scharf gezeichnete Haar und darüber ein Kronen-
mit der Erdscheibe, neben der die Nindshörner stehen; denn wie der Stier
^nnbild des Osiris, so war die Kuh das Sinnbild der gebärenden, mütterlichen
^in. Ists galt im ägyptischen Cultus als die große Mutter der Natur, welche
Mährlich "den Segen, den Horns, gebiert. Die Handlung, in der sie der Kunst-
^ dargestellt, ist der eigentliche Kernpunkt des ganzen Mythus. Osiris, der
gute Gott, welcher den Ackerbau und alle nützlichen Künste nach Aegypten brachte,
der Gemahl der Isis. Aber Nephthys, die Gattin seines bösen Bruders
Vphon, entbrannte für ihn in unkenscher Gluth, und bewog ihn mit List zu einer
U'narmung, ohne daß er sie kannte. Als Frucht dieser Vermischung gebar Neph-
M den Hund Anubis, und setzte ihn aus. Isis fand ihn, und erkannte ihn an
^em Kranze von Lotosblumen als einen Sohn ihres Gemahls; sie war edel
^"ug, ihn als ihren eigenen Sohn anzunehmen, und seine Treue vergalt ihr die


^renzboten. IV. 1861. , . 27
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[0213] Kaulbach's diesjährige Arbeiten in Berlin. 2. Die Pfeiler und Pilaster. Im Eingange meines ersten Artikels gedachte ich zwischen den drei großen Bildern, welche in der Treppenhalle des neuen Museums die Haupträume jeder Wand einnehmen werden, der beiden Pfeiler, so wie der sechs Pilasterstreifen, deren zwei jedes Hauptbild an den verticalen Rändern umsäumen sollen. Die Pfeiler werden in bunten Farben auf Goldgrund ausgeführt, die Pilasterstreifen oder Verticalsriese grau in grau gemalt. Für die erste Wand sind zu allen die Car¬ tons bereits vollendet, so daß wir den ganzen Inhalt übersehen können; ein großer Theil tritt uns in fertigen Gemälden entgegen. Die bildende Kunst des Malerischen Gestaltens schließt hier einen Bund mit architektonischen Formen, und sehen daher die Symmetrie als Grundgesetz die Glieder der Composition beherrschen. Die beiden etwa fünf Fuß breiten Pfeiler bilden jeder drei symmetrische ^Heilungen. Die obere ist allegorischen Gestalten gewidmet; die untere trägt com geschichtlichen Helden der alten Cultur; die mittlere, ein reliesartiges oblonges ^it, enthält die Darstellung eines historischen Ereignisses, und wird durch eine» ^"denen nach oben wie nach unten abgeschlossen. Der malerische Schmuck des ersten Pfeilers — zwischen dem Thurmbau zu Babel und dem siegenden Homer, Zwischen dem Anfang der Geschichte und der ersten Entwickelung griechischer "dung — beginnt in der obern Abtheilung mit einer lebensgroßen schweben- ^ Isis, welche ihr Kindlein, den kleinen König Horns, aus dem Arme trägt. !e ist vo,; ^^n: grünlich weißen Gewände und bläulichem Mantel umwallt, und ^le in der ausgestreckten Linken die Lotosblume und den Schlüssel des Nil. Ihr vaupt bedeckt das perrückeuartig scharf gezeichnete Haar und darüber ein Kronen- mit der Erdscheibe, neben der die Nindshörner stehen; denn wie der Stier ^nnbild des Osiris, so war die Kuh das Sinnbild der gebärenden, mütterlichen ^in. Ists galt im ägyptischen Cultus als die große Mutter der Natur, welche Mährlich "den Segen, den Horns, gebiert. Die Handlung, in der sie der Kunst- ^ dargestellt, ist der eigentliche Kernpunkt des ganzen Mythus. Osiris, der gute Gott, welcher den Ackerbau und alle nützlichen Künste nach Aegypten brachte, der Gemahl der Isis. Aber Nephthys, die Gattin seines bösen Bruders Vphon, entbrannte für ihn in unkenscher Gluth, und bewog ihn mit List zu einer U'narmung, ohne daß er sie kannte. Als Frucht dieser Vermischung gebar Neph- M den Hund Anubis, und setzte ihn aus. Isis fand ihn, und erkannte ihn an ^em Kranze von Lotosblumen als einen Sohn ihres Gemahls; sie war edel ^"ug, ihn als ihren eigenen Sohn anzunehmen, und seine Treue vergalt ihr die ^renzboten. IV. 1861. , . 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/213>, abgerufen am 26.04.2024.