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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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häufige Nichtswürdigkeit, daß der Fabrikherr seine Arbeiter in einer Münzsorte
"blohnen läßt, die er mit Vortheil in Nachbarlanden aufgekauft hat, die nicht
landesüblich ist, und die der Arbeiter für voll annehmen muß, obgleich er sie uicht
"hre namhafte Verluste für die Bedürfnisse seines Lebens ausgeben kann.

Und so scheiden wir denn, vielleicht etwas ernüchtert, von diesem Klciname-
rika, mit seinem Zelotismns, seiner neuweltlichen Betriebsamkeit, und seiner
frommen Gemüthlosigkeit. Diegroße Lösung alles Uebels liegt ewig und immer
mir in dem: "Werdet selbst besser!"''''




Ans dem Münchener Ständehaus.
6. Die Kammer der Abgeordneten.

Im October des Jahres des Heils -I8"0 war die Zeit gekommen, wo nach
^in Grundgesetze des bayerschen Königreiches die Kammern zu einer ordentlichen
Sitzung berufen werden mußten. Denn spätestens neun Monate vor dem Begin¬
gen jeder neuen Finauzperiodc soll bereu Budget festgestellt werden. Man berief den
Landtag nicht. Wer das Ministerium Pfordten kennt, und frciherrlich Lerchenfeld'sche
Kainmcrreden gehört hatte im Jahre der Verwirrung -1849, der trug die heilige
^eberzeugnng im Innern des Gemüthes, daß die große Aufgabe der Mittel¬
guten "Vertretung des constitutionellen Princips gegenüber den absolutistischen
Gelüsten der GroßstaateU", strengste Einhaltung selbst der nur formellen Gesetze
Cvustitntivnsacte sei. Und man berief den Landtag doch nicht? Wer die
Uchinvvlle Entfaltung der bayerschen Fahnen i" Kurhessen erschaut, wer die
^ggekrouten Bulletins von den verschiedenen Schlachtfeldern vernommen hatte, der
^unde damals uicht zweifelhaft sein, daß Bayern keineswegs blos sein moralisches
Gewicht, sondern sogar das gewichtige Bojvarenschwert in die Wagschale geworfen
habe für Aufrechthaltung des bedrohte" Constitutionalismus. Aber die Kammern wur¬
den trotzdem nicht versammelt, um die gemachte" Staatsausgaben Bayerns zu prü^
^u, um die zu machenden zu bewillige", während doch gerade über dieselbe Frage,
"b anch in etwas schrofferer Form, doch im Wesen ganz gleich, der kurhessische
Kampf entglömme" war. Welches unbesiegliche Hinderniß stand der Einhaltung
des undenkbaren Gesetzesbuchstabe" wol eutgege" ? Vergebens fragten ängstliche
stimmen die Arbeiter der Ministerien. Die Vorlagen sind beendet -- hieß es.
Tugend blickten Andere sogar nach dem Throne des weißen Czaren, ob er viel¬
leicht gefunden habe, daß die Uebereinstimmung fehlt zwischen der Verfassung
des Reiches Bayern und dem Bundesgesetz. Noch ängstlichere Menschen endlich
Umstanden das Ständehanö, und beobachteten den Eingang von der Barrerstraße,


häufige Nichtswürdigkeit, daß der Fabrikherr seine Arbeiter in einer Münzsorte
«blohnen läßt, die er mit Vortheil in Nachbarlanden aufgekauft hat, die nicht
landesüblich ist, und die der Arbeiter für voll annehmen muß, obgleich er sie uicht
»hre namhafte Verluste für die Bedürfnisse seines Lebens ausgeben kann.

Und so scheiden wir denn, vielleicht etwas ernüchtert, von diesem Klciname-
rika, mit seinem Zelotismns, seiner neuweltlichen Betriebsamkeit, und seiner
frommen Gemüthlosigkeit. Diegroße Lösung alles Uebels liegt ewig und immer
mir in dem: „Werdet selbst besser!"''''




Ans dem Münchener Ständehaus.
6. Die Kammer der Abgeordneten.

Im October des Jahres des Heils -I8»0 war die Zeit gekommen, wo nach
^in Grundgesetze des bayerschen Königreiches die Kammern zu einer ordentlichen
Sitzung berufen werden mußten. Denn spätestens neun Monate vor dem Begin¬
gen jeder neuen Finauzperiodc soll bereu Budget festgestellt werden. Man berief den
Landtag nicht. Wer das Ministerium Pfordten kennt, und frciherrlich Lerchenfeld'sche
Kainmcrreden gehört hatte im Jahre der Verwirrung -1849, der trug die heilige
^eberzeugnng im Innern des Gemüthes, daß die große Aufgabe der Mittel¬
guten „Vertretung des constitutionellen Princips gegenüber den absolutistischen
Gelüsten der GroßstaateU", strengste Einhaltung selbst der nur formellen Gesetze
Cvustitntivnsacte sei. Und man berief den Landtag doch nicht? Wer die
Uchinvvlle Entfaltung der bayerschen Fahnen i» Kurhessen erschaut, wer die
^ggekrouten Bulletins von den verschiedenen Schlachtfeldern vernommen hatte, der
^unde damals uicht zweifelhaft sein, daß Bayern keineswegs blos sein moralisches
Gewicht, sondern sogar das gewichtige Bojvarenschwert in die Wagschale geworfen
habe für Aufrechthaltung des bedrohte» Constitutionalismus. Aber die Kammern wur¬
den trotzdem nicht versammelt, um die gemachte» Staatsausgaben Bayerns zu prü^
^u, um die zu machenden zu bewillige», während doch gerade über dieselbe Frage,
"b anch in etwas schrofferer Form, doch im Wesen ganz gleich, der kurhessische
Kampf entglömme» war. Welches unbesiegliche Hinderniß stand der Einhaltung
des undenkbaren Gesetzesbuchstabe» wol eutgege» ? Vergebens fragten ängstliche
stimmen die Arbeiter der Ministerien. Die Vorlagen sind beendet — hieß es.
Tugend blickten Andere sogar nach dem Throne des weißen Czaren, ob er viel¬
leicht gefunden habe, daß die Uebereinstimmung fehlt zwischen der Verfassung
des Reiches Bayern und dem Bundesgesetz. Noch ängstlichere Menschen endlich
Umstanden das Ständehanö, und beobachteten den Eingang von der Barrerstraße,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/379>, abgerufen am 26.04.2024.