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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Und es gäbe keine -- keine Mittel in dem Bereiche menschlicher Hilfe? Der
Fabrikant sagt: Schutz -- Schutzzölle!! Bei so tief in die Gesellschaft ein¬
schneidenden Uebelständen muß die Hilfe auch tiefer ans dem Menschen selbst
kommen. Daß diese" Weg zu betreten aber uicht so überschwer, oder gar un¬
möglich, zeigt wenigstens das Beispiel eines Hauses, vielleicht des größten in
Elberfeld, dessen ehrwürdiger Chef mit seinen Söhnen ans eigenem Herzenstriebe
den Pflichten der Humanität gegen seine Arbeiter zu genügen strebt. Nicht allein,
daß er höhere Löhne zahlt, als irgend ein anderer Fabrikant -- das könnte noch
im Interesse des Geschäftes geschehen, wie es anch zu seinem Vortheil gedeiht, --
obwol sich hierdurch auch ganz selbstthätig eine gewisse Sittenpolizei herstellt, denn
es gilt anch unter den Arbeitern eine Ehre, sür die Herren S. zu Schaffell --
so beansprucht er auch eine geringere Arbeitszeit der Kinder, so sorgt er anch
für deren Zucht und Unterricht durch selbst angestellte und besoldete Lehrer, so
vergißt er vor Allem nicht seiner fleißigen, aber kranken und erwerbsunfähigen Ar¬
beiter. Und daß nicht alle Hoffnung verloren, zeigt die unbedingte Achtung,
deren die Chefs des genannten Hauses genießen, bei Vornehm wie bei Gering,
so schwer, ja fast unmöglich es sonst auch wupperthalisch kaufmännischen
Sinne erscheint, an die Uneigennützigt'eit einer guten Handlung zu glauben.
Freilich lebt in diesem Hanse noch in frischem Gedächtniß die Tradition des klei¬
nen Anfangs, und erhält sich sichtbar in dem in zierlichem Gartenhause aufgestellten
Webstuhle des Vaters und Großvaters. Es sind aber auch die einzigen Fabri¬
kanten, von denen allein wir nie Anderes als Gutes vernommen, während sonst
jeder von Anderen, auch in geschäftlicher Beziehung, etwas Nachtheiliges zu erzähle"
weiß. Sonst ist der geschäftliche Verkehr unter einander, so weit er eingegangen'
Verpflichtungen betrifft, ein durchschnittlich durchaus zuverlässiger; die entgegcng^
setzte Handlungsweise, wie vor Jahren bei einem Crefelder Fallit ein sehr ccla-
tanter Fall, gehört entschieden zu den Seltenheiten, und entgeht der schärfsten
Züchtigung nicht. Ist freilich geschäftliches Interesse nicht dabei mit im Spiele,
dann erfordert es wenigstens ab und zu derbe und deutliche Sprache, um den
wnpperthälcr Kaufherrn überall zur Honnetetl- anzuhalten. In seltenen Fälle"
wird er sich indeß hier auch zu drücken wissen. Wenn wir oben bei Gelegenheit
der "Feinen" des Trucksystems beiläufig erwähnten, so müssen wir doch zur Ehre
des Thales bemerken, daß diese -- allerdings anch mit gerechter Straft bedrohte
-- Abscheulichkeit nicht allein wirklich zu den seltenen Ausnahmen gehört, sonder"
im Allgemeinen auch für unehrenhaft im .kaufmännischen Sinne zu gelten scheint.
Und wenn anch die Behandlung des Fabrikarbeiters noch weit davon entfernt ist,
den Ansprüchen der Billigkeit und Humanität zu genügen, so halten wir doch
auch manche Bedrückungsart, wie sie anderen Fabrikdistricten eigenthümlich,
Wupperthale, selbst wenn sich die Gelegenheit dazu böte, für unmöglich, wie
z. B. jene in den schlestschcu Grenzdistricten, besonders in den letzten Zeiten, sehr


Und es gäbe keine — keine Mittel in dem Bereiche menschlicher Hilfe? Der
Fabrikant sagt: Schutz — Schutzzölle!! Bei so tief in die Gesellschaft ein¬
schneidenden Uebelständen muß die Hilfe auch tiefer ans dem Menschen selbst
kommen. Daß diese« Weg zu betreten aber uicht so überschwer, oder gar un¬
möglich, zeigt wenigstens das Beispiel eines Hauses, vielleicht des größten in
Elberfeld, dessen ehrwürdiger Chef mit seinen Söhnen ans eigenem Herzenstriebe
den Pflichten der Humanität gegen seine Arbeiter zu genügen strebt. Nicht allein,
daß er höhere Löhne zahlt, als irgend ein anderer Fabrikant — das könnte noch
im Interesse des Geschäftes geschehen, wie es anch zu seinem Vortheil gedeiht, —
obwol sich hierdurch auch ganz selbstthätig eine gewisse Sittenpolizei herstellt, denn
es gilt anch unter den Arbeitern eine Ehre, sür die Herren S. zu Schaffell —
so beansprucht er auch eine geringere Arbeitszeit der Kinder, so sorgt er anch
für deren Zucht und Unterricht durch selbst angestellte und besoldete Lehrer, so
vergißt er vor Allem nicht seiner fleißigen, aber kranken und erwerbsunfähigen Ar¬
beiter. Und daß nicht alle Hoffnung verloren, zeigt die unbedingte Achtung,
deren die Chefs des genannten Hauses genießen, bei Vornehm wie bei Gering,
so schwer, ja fast unmöglich es sonst auch wupperthalisch kaufmännischen
Sinne erscheint, an die Uneigennützigt'eit einer guten Handlung zu glauben.
Freilich lebt in diesem Hanse noch in frischem Gedächtniß die Tradition des klei¬
nen Anfangs, und erhält sich sichtbar in dem in zierlichem Gartenhause aufgestellten
Webstuhle des Vaters und Großvaters. Es sind aber auch die einzigen Fabri¬
kanten, von denen allein wir nie Anderes als Gutes vernommen, während sonst
jeder von Anderen, auch in geschäftlicher Beziehung, etwas Nachtheiliges zu erzähle»
weiß. Sonst ist der geschäftliche Verkehr unter einander, so weit er eingegangen'
Verpflichtungen betrifft, ein durchschnittlich durchaus zuverlässiger; die entgegcng^
setzte Handlungsweise, wie vor Jahren bei einem Crefelder Fallit ein sehr ccla-
tanter Fall, gehört entschieden zu den Seltenheiten, und entgeht der schärfsten
Züchtigung nicht. Ist freilich geschäftliches Interesse nicht dabei mit im Spiele,
dann erfordert es wenigstens ab und zu derbe und deutliche Sprache, um den
wnpperthälcr Kaufherrn überall zur Honnetetl- anzuhalten. In seltenen Fälle»
wird er sich indeß hier auch zu drücken wissen. Wenn wir oben bei Gelegenheit
der „Feinen" des Trucksystems beiläufig erwähnten, so müssen wir doch zur Ehre
des Thales bemerken, daß diese — allerdings anch mit gerechter Straft bedrohte
— Abscheulichkeit nicht allein wirklich zu den seltenen Ausnahmen gehört, sonder»
im Allgemeinen auch für unehrenhaft im .kaufmännischen Sinne zu gelten scheint.
Und wenn anch die Behandlung des Fabrikarbeiters noch weit davon entfernt ist,
den Ansprüchen der Billigkeit und Humanität zu genügen, so halten wir doch
auch manche Bedrückungsart, wie sie anderen Fabrikdistricten eigenthümlich,
Wupperthale, selbst wenn sich die Gelegenheit dazu böte, für unmöglich, wie
z. B. jene in den schlestschcu Grenzdistricten, besonders in den letzten Zeiten, sehr


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[0378] Und es gäbe keine — keine Mittel in dem Bereiche menschlicher Hilfe? Der Fabrikant sagt: Schutz — Schutzzölle!! Bei so tief in die Gesellschaft ein¬ schneidenden Uebelständen muß die Hilfe auch tiefer ans dem Menschen selbst kommen. Daß diese« Weg zu betreten aber uicht so überschwer, oder gar un¬ möglich, zeigt wenigstens das Beispiel eines Hauses, vielleicht des größten in Elberfeld, dessen ehrwürdiger Chef mit seinen Söhnen ans eigenem Herzenstriebe den Pflichten der Humanität gegen seine Arbeiter zu genügen strebt. Nicht allein, daß er höhere Löhne zahlt, als irgend ein anderer Fabrikant — das könnte noch im Interesse des Geschäftes geschehen, wie es anch zu seinem Vortheil gedeiht, — obwol sich hierdurch auch ganz selbstthätig eine gewisse Sittenpolizei herstellt, denn es gilt anch unter den Arbeitern eine Ehre, sür die Herren S. zu Schaffell — so beansprucht er auch eine geringere Arbeitszeit der Kinder, so sorgt er anch für deren Zucht und Unterricht durch selbst angestellte und besoldete Lehrer, so vergißt er vor Allem nicht seiner fleißigen, aber kranken und erwerbsunfähigen Ar¬ beiter. Und daß nicht alle Hoffnung verloren, zeigt die unbedingte Achtung, deren die Chefs des genannten Hauses genießen, bei Vornehm wie bei Gering, so schwer, ja fast unmöglich es sonst auch wupperthalisch kaufmännischen Sinne erscheint, an die Uneigennützigt'eit einer guten Handlung zu glauben. Freilich lebt in diesem Hanse noch in frischem Gedächtniß die Tradition des klei¬ nen Anfangs, und erhält sich sichtbar in dem in zierlichem Gartenhause aufgestellten Webstuhle des Vaters und Großvaters. Es sind aber auch die einzigen Fabri¬ kanten, von denen allein wir nie Anderes als Gutes vernommen, während sonst jeder von Anderen, auch in geschäftlicher Beziehung, etwas Nachtheiliges zu erzähle» weiß. Sonst ist der geschäftliche Verkehr unter einander, so weit er eingegangen' Verpflichtungen betrifft, ein durchschnittlich durchaus zuverlässiger; die entgegcng^ setzte Handlungsweise, wie vor Jahren bei einem Crefelder Fallit ein sehr ccla- tanter Fall, gehört entschieden zu den Seltenheiten, und entgeht der schärfsten Züchtigung nicht. Ist freilich geschäftliches Interesse nicht dabei mit im Spiele, dann erfordert es wenigstens ab und zu derbe und deutliche Sprache, um den wnpperthälcr Kaufherrn überall zur Honnetetl- anzuhalten. In seltenen Fälle» wird er sich indeß hier auch zu drücken wissen. Wenn wir oben bei Gelegenheit der „Feinen" des Trucksystems beiläufig erwähnten, so müssen wir doch zur Ehre des Thales bemerken, daß diese — allerdings anch mit gerechter Straft bedrohte — Abscheulichkeit nicht allein wirklich zu den seltenen Ausnahmen gehört, sonder» im Allgemeinen auch für unehrenhaft im .kaufmännischen Sinne zu gelten scheint. Und wenn anch die Behandlung des Fabrikarbeiters noch weit davon entfernt ist, den Ansprüchen der Billigkeit und Humanität zu genügen, so halten wir doch auch manche Bedrückungsart, wie sie anderen Fabrikdistricten eigenthümlich, Wupperthale, selbst wenn sich die Gelegenheit dazu böte, für unmöglich, wie z. B. jene in den schlestschcu Grenzdistricten, besonders in den letzten Zeiten, sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/378>, abgerufen am 07.05.2024.