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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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beanspruchen, als ihnen in diesem Artikel gewährt werden kann. Ein Zurück¬
kommen ans seine alte und seine neueste Zeit bietet sich vielleicht bei anderer Ge¬
F. v. H. legenheit in Kurzem dar.




Cine Woche parlamentarischer Politik.

Unsre Freunde in Berlin haben'die Gelegenheit, welche die Discussion über
die Anwendung der bekannten achtzehn Millionen bot, benutzt, wieder einmal einen
Sturm gegen das Ministerium Manteuffel zu erheben. Wir wollen nicht verkennen,
daß die Sache überhaupt erledigt werden mußte, und daß sie ohne eine Kritik
der politischen Ereignisse der letzten vier Monate nicht erledigt werden konnte,
wie denn der Minister selbst die Discussion durch ein Nesumv seines politischen
Verhaltens eröffnete; doch mochten wir wünschen, daß es jetzt damit zu Ende
wäre. Die Stellung, welche die drei verschiedenen Parteien namentlich in unsrer
zweiten Kammer zu dem Ministerium einnehmen, ist bereits vollkommen klar, eine
neue Debatte kann kaum etwas zur weitem Aufklärung beitragen. Die Partei
hat ihre Schuldigkeit gethan, sie hat vor dem Eintritt der Krisis alle Kräfte auf¬
geboten, um dieselbe zum Guten zu lenken, sie hat, nachdem ihr dieses Bemühen
mißlungen war, und nachdem die öffentliche Meinung, die ihr im Anfang feurig
entgegen kam, sie bei der weitern Verfolgung ihres Ziels im Stiche ließ, an die
Zukunft appellirt und ihre Anklagen gegen das herrschende System als den Stoss
einer künftigen Abrechnung mit demselben in sehr deutlichen und unumwundenen
Reden zusammengestellt; sie hat unzweifelhaft dem Ministerium eine moralische
Niederlage beigebracht, die im Laufe der Zeit seinen wirklichen Sturz herbeiführen
muß. Herr von Manteuffel hat in seiner Nechtfertiguugsrede nichts weiter ge¬
than, als feine frühern Weltbürger zu wiederholen; er hat chronologisch das
Factische zusammengestellt und bei jedem einzelnen Punkt hinzugesetzt: Man ist
darüber verschiedener Ansicht gewesen, ich will nicht weiter davon reden. Zuletzt
hat er mit seiner gewöhnlichen epigrammatischen Figur geschlossen, indem er die
Giftpfeile seiner Gegner aufforderte, sich auf seine Brust zu richten. Alsdann h.at
die rechte Seite durch den Grafen Arnim erklärt, sie habe die frühere Politik
des Ministeriums gemißbilligt, sei aber jetzt durch die Umkehr desselben zu den
wahren Principien befriedigt; das Centrum hat sich durch Herrn von Bodelschwingh
dahin ausgesprochen, daß es diese neue Wendung der Politik zwar nicht billige,
aber auch nicht so entschieden mißbillige, um offen mit ihr zu brechen. Für die
gegenwärtige Session ist also die Sache abgemacht, und unsre Partei, die offenbar
nicht darauf ausgehen kann, wie die französische Reformpartei von 1848, aus


beanspruchen, als ihnen in diesem Artikel gewährt werden kann. Ein Zurück¬
kommen ans seine alte und seine neueste Zeit bietet sich vielleicht bei anderer Ge¬
F. v. H. legenheit in Kurzem dar.




Cine Woche parlamentarischer Politik.

Unsre Freunde in Berlin haben'die Gelegenheit, welche die Discussion über
die Anwendung der bekannten achtzehn Millionen bot, benutzt, wieder einmal einen
Sturm gegen das Ministerium Manteuffel zu erheben. Wir wollen nicht verkennen,
daß die Sache überhaupt erledigt werden mußte, und daß sie ohne eine Kritik
der politischen Ereignisse der letzten vier Monate nicht erledigt werden konnte,
wie denn der Minister selbst die Discussion durch ein Nesumv seines politischen
Verhaltens eröffnete; doch mochten wir wünschen, daß es jetzt damit zu Ende
wäre. Die Stellung, welche die drei verschiedenen Parteien namentlich in unsrer
zweiten Kammer zu dem Ministerium einnehmen, ist bereits vollkommen klar, eine
neue Debatte kann kaum etwas zur weitem Aufklärung beitragen. Die Partei
hat ihre Schuldigkeit gethan, sie hat vor dem Eintritt der Krisis alle Kräfte auf¬
geboten, um dieselbe zum Guten zu lenken, sie hat, nachdem ihr dieses Bemühen
mißlungen war, und nachdem die öffentliche Meinung, die ihr im Anfang feurig
entgegen kam, sie bei der weitern Verfolgung ihres Ziels im Stiche ließ, an die
Zukunft appellirt und ihre Anklagen gegen das herrschende System als den Stoss
einer künftigen Abrechnung mit demselben in sehr deutlichen und unumwundenen
Reden zusammengestellt; sie hat unzweifelhaft dem Ministerium eine moralische
Niederlage beigebracht, die im Laufe der Zeit seinen wirklichen Sturz herbeiführen
muß. Herr von Manteuffel hat in seiner Nechtfertiguugsrede nichts weiter ge¬
than, als feine frühern Weltbürger zu wiederholen; er hat chronologisch das
Factische zusammengestellt und bei jedem einzelnen Punkt hinzugesetzt: Man ist
darüber verschiedener Ansicht gewesen, ich will nicht weiter davon reden. Zuletzt
hat er mit seiner gewöhnlichen epigrammatischen Figur geschlossen, indem er die
Giftpfeile seiner Gegner aufforderte, sich auf seine Brust zu richten. Alsdann h.at
die rechte Seite durch den Grafen Arnim erklärt, sie habe die frühere Politik
des Ministeriums gemißbilligt, sei aber jetzt durch die Umkehr desselben zu den
wahren Principien befriedigt; das Centrum hat sich durch Herrn von Bodelschwingh
dahin ausgesprochen, daß es diese neue Wendung der Politik zwar nicht billige,
aber auch nicht so entschieden mißbillige, um offen mit ihr zu brechen. Für die
gegenwärtige Session ist also die Sache abgemacht, und unsre Partei, die offenbar
nicht darauf ausgehen kann, wie die französische Reformpartei von 1848, aus


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[0114] beanspruchen, als ihnen in diesem Artikel gewährt werden kann. Ein Zurück¬ kommen ans seine alte und seine neueste Zeit bietet sich vielleicht bei anderer Ge¬ F. v. H. legenheit in Kurzem dar. Cine Woche parlamentarischer Politik. Unsre Freunde in Berlin haben'die Gelegenheit, welche die Discussion über die Anwendung der bekannten achtzehn Millionen bot, benutzt, wieder einmal einen Sturm gegen das Ministerium Manteuffel zu erheben. Wir wollen nicht verkennen, daß die Sache überhaupt erledigt werden mußte, und daß sie ohne eine Kritik der politischen Ereignisse der letzten vier Monate nicht erledigt werden konnte, wie denn der Minister selbst die Discussion durch ein Nesumv seines politischen Verhaltens eröffnete; doch mochten wir wünschen, daß es jetzt damit zu Ende wäre. Die Stellung, welche die drei verschiedenen Parteien namentlich in unsrer zweiten Kammer zu dem Ministerium einnehmen, ist bereits vollkommen klar, eine neue Debatte kann kaum etwas zur weitem Aufklärung beitragen. Die Partei hat ihre Schuldigkeit gethan, sie hat vor dem Eintritt der Krisis alle Kräfte auf¬ geboten, um dieselbe zum Guten zu lenken, sie hat, nachdem ihr dieses Bemühen mißlungen war, und nachdem die öffentliche Meinung, die ihr im Anfang feurig entgegen kam, sie bei der weitern Verfolgung ihres Ziels im Stiche ließ, an die Zukunft appellirt und ihre Anklagen gegen das herrschende System als den Stoss einer künftigen Abrechnung mit demselben in sehr deutlichen und unumwundenen Reden zusammengestellt; sie hat unzweifelhaft dem Ministerium eine moralische Niederlage beigebracht, die im Laufe der Zeit seinen wirklichen Sturz herbeiführen muß. Herr von Manteuffel hat in seiner Nechtfertiguugsrede nichts weiter ge¬ than, als feine frühern Weltbürger zu wiederholen; er hat chronologisch das Factische zusammengestellt und bei jedem einzelnen Punkt hinzugesetzt: Man ist darüber verschiedener Ansicht gewesen, ich will nicht weiter davon reden. Zuletzt hat er mit seiner gewöhnlichen epigrammatischen Figur geschlossen, indem er die Giftpfeile seiner Gegner aufforderte, sich auf seine Brust zu richten. Alsdann h.at die rechte Seite durch den Grafen Arnim erklärt, sie habe die frühere Politik des Ministeriums gemißbilligt, sei aber jetzt durch die Umkehr desselben zu den wahren Principien befriedigt; das Centrum hat sich durch Herrn von Bodelschwingh dahin ausgesprochen, daß es diese neue Wendung der Politik zwar nicht billige, aber auch nicht so entschieden mißbillige, um offen mit ihr zu brechen. Für die gegenwärtige Session ist also die Sache abgemacht, und unsre Partei, die offenbar nicht darauf ausgehen kann, wie die französische Reformpartei von 1848, aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/114>, abgerufen am 28.04.2024.