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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Die neueste technische Cntwiekelung der monu¬
mentalen Malerei.

Bereits bei meiner Betrachtung der Kaulbach'schen Bilder im neuen Museum
zu Berlin gedachte ich der Stereochromie. Die Stereochromie ist ein Kind der
neuesten Zeit; sie wurde im Jahre 1856 von dem Maler Professor Schlotthaner
und dem Oberbergrath Fuchs in München erfunden und enthält im Vergleich
zum Fresko einen Fortschritt der Technik, der auch aus den Geist der neuern
monumentalen Malerei sicher nicht ohne wichtigen Einfluß bleiben wird.

Schon die Alten haben die Kunst der Freskenmalerei, welche in frischem
Kalk die Töne verbindet, vielfach ausgeübt. Neu erstand sie im sechzehnten
Jahrhundert zuerst in Italien und wurde durch Raffael und Michel Angelo bei
Ausführung ihrer herrlichen Wandmalereien im Vatican, der filmischen Capelle
und der Farnesina in Anwendung gebracht. Die Wandmalerei pflegte man be¬
reits seit dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts in Deutschland und Italien,
hier namentlich im Schooß der Florentinischen Schule, wo Giotto wirkte, dort an
sehr verschiedenen Orten. Die Wandmalereien im Dom zu Köln datiren aller Wahr¬
scheinlichkeit nach aus dem Jahre 1322; zahlreiche andere sind unsern Blicken
durch die weiße Tünche späterer Jahrhunderte entzogen. Ueberdies war die Tech¬
nik dabei sehr vergänglich, denn man malte mit Wasserfarben auf gewöhnlichem
Mauerbewurf oder auf Stein. Die Italiener führten die Wandmalerei zuerst
einer neuen glänzenden Ausbildung entgegen, indem sie das Fresko wieder erweckten.
Aber mit dem Ablauf der Glanzperiode Italienischer Kunst, mit dem Verlöschen
ihres großen Styls verschwand allmälig anch die Freskomalerei, welche mit der
herrschenden Richtung ans Genre, Landschaft und Portrait sich nicht vereinigen
ließ, sondern epische Größe der Auffassung verlangte.

Erst das neunzehnte Jahrhundert ist aus die großen Vorbilder zurückgegan¬
gen, und die Malerei in frischem Kalk, wie sie heute wieder geübt wird, nennt
Peter v. Cornelius ihren Vater. Dieser malte, gemeinschaftlich mit Veit, Scha-
dow und Overbeck, die ersten Fresken der neuern Zeit, eine Reihenfolge aus
der Geschichte Josephs in Aegypten für die Wohnung des Preußischen General-
consuls Barthvldi aus Trinita de Monti zu Rom; bald daraus in der Villa
Massimi Darstellungen ans Italienischen Dichtern, wobei Cornelius den Dante
illustrirte. Seine Kunst hat sich für immer den Charakter bewahrt, welchen be¬
reits diese ersten Werke an sich trugen: poetisch romantisches Ergreifen des Ge¬
genstandes mit einer Hinneigung zu katholischem Jdealisiren, große Auffassung
in typischen Formen und Einfachheit der Ausführung. Im Jahre 1819 wurde
er als Director der Akademie nach Düsseldorf, 1824 nach München berufen.
In letzterer Stadt verlebte er seine Glanzzeit, In der Glyptothek und in der


Die neueste technische Cntwiekelung der monu¬
mentalen Malerei.

Bereits bei meiner Betrachtung der Kaulbach'schen Bilder im neuen Museum
zu Berlin gedachte ich der Stereochromie. Die Stereochromie ist ein Kind der
neuesten Zeit; sie wurde im Jahre 1856 von dem Maler Professor Schlotthaner
und dem Oberbergrath Fuchs in München erfunden und enthält im Vergleich
zum Fresko einen Fortschritt der Technik, der auch aus den Geist der neuern
monumentalen Malerei sicher nicht ohne wichtigen Einfluß bleiben wird.

Schon die Alten haben die Kunst der Freskenmalerei, welche in frischem
Kalk die Töne verbindet, vielfach ausgeübt. Neu erstand sie im sechzehnten
Jahrhundert zuerst in Italien und wurde durch Raffael und Michel Angelo bei
Ausführung ihrer herrlichen Wandmalereien im Vatican, der filmischen Capelle
und der Farnesina in Anwendung gebracht. Die Wandmalerei pflegte man be¬
reits seit dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts in Deutschland und Italien,
hier namentlich im Schooß der Florentinischen Schule, wo Giotto wirkte, dort an
sehr verschiedenen Orten. Die Wandmalereien im Dom zu Köln datiren aller Wahr¬
scheinlichkeit nach aus dem Jahre 1322; zahlreiche andere sind unsern Blicken
durch die weiße Tünche späterer Jahrhunderte entzogen. Ueberdies war die Tech¬
nik dabei sehr vergänglich, denn man malte mit Wasserfarben auf gewöhnlichem
Mauerbewurf oder auf Stein. Die Italiener führten die Wandmalerei zuerst
einer neuen glänzenden Ausbildung entgegen, indem sie das Fresko wieder erweckten.
Aber mit dem Ablauf der Glanzperiode Italienischer Kunst, mit dem Verlöschen
ihres großen Styls verschwand allmälig anch die Freskomalerei, welche mit der
herrschenden Richtung ans Genre, Landschaft und Portrait sich nicht vereinigen
ließ, sondern epische Größe der Auffassung verlangte.

Erst das neunzehnte Jahrhundert ist aus die großen Vorbilder zurückgegan¬
gen, und die Malerei in frischem Kalk, wie sie heute wieder geübt wird, nennt
Peter v. Cornelius ihren Vater. Dieser malte, gemeinschaftlich mit Veit, Scha-
dow und Overbeck, die ersten Fresken der neuern Zeit, eine Reihenfolge aus
der Geschichte Josephs in Aegypten für die Wohnung des Preußischen General-
consuls Barthvldi aus Trinita de Monti zu Rom; bald daraus in der Villa
Massimi Darstellungen ans Italienischen Dichtern, wobei Cornelius den Dante
illustrirte. Seine Kunst hat sich für immer den Charakter bewahrt, welchen be¬
reits diese ersten Werke an sich trugen: poetisch romantisches Ergreifen des Ge¬
genstandes mit einer Hinneigung zu katholischem Jdealisiren, große Auffassung
in typischen Formen und Einfachheit der Ausführung. Im Jahre 1819 wurde
er als Director der Akademie nach Düsseldorf, 1824 nach München berufen.
In letzterer Stadt verlebte er seine Glanzzeit, In der Glyptothek und in der


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[0227] Die neueste technische Cntwiekelung der monu¬ mentalen Malerei. Bereits bei meiner Betrachtung der Kaulbach'schen Bilder im neuen Museum zu Berlin gedachte ich der Stereochromie. Die Stereochromie ist ein Kind der neuesten Zeit; sie wurde im Jahre 1856 von dem Maler Professor Schlotthaner und dem Oberbergrath Fuchs in München erfunden und enthält im Vergleich zum Fresko einen Fortschritt der Technik, der auch aus den Geist der neuern monumentalen Malerei sicher nicht ohne wichtigen Einfluß bleiben wird. Schon die Alten haben die Kunst der Freskenmalerei, welche in frischem Kalk die Töne verbindet, vielfach ausgeübt. Neu erstand sie im sechzehnten Jahrhundert zuerst in Italien und wurde durch Raffael und Michel Angelo bei Ausführung ihrer herrlichen Wandmalereien im Vatican, der filmischen Capelle und der Farnesina in Anwendung gebracht. Die Wandmalerei pflegte man be¬ reits seit dem Beginn des vierzehnten Jahrhunderts in Deutschland und Italien, hier namentlich im Schooß der Florentinischen Schule, wo Giotto wirkte, dort an sehr verschiedenen Orten. Die Wandmalereien im Dom zu Köln datiren aller Wahr¬ scheinlichkeit nach aus dem Jahre 1322; zahlreiche andere sind unsern Blicken durch die weiße Tünche späterer Jahrhunderte entzogen. Ueberdies war die Tech¬ nik dabei sehr vergänglich, denn man malte mit Wasserfarben auf gewöhnlichem Mauerbewurf oder auf Stein. Die Italiener führten die Wandmalerei zuerst einer neuen glänzenden Ausbildung entgegen, indem sie das Fresko wieder erweckten. Aber mit dem Ablauf der Glanzperiode Italienischer Kunst, mit dem Verlöschen ihres großen Styls verschwand allmälig anch die Freskomalerei, welche mit der herrschenden Richtung ans Genre, Landschaft und Portrait sich nicht vereinigen ließ, sondern epische Größe der Auffassung verlangte. Erst das neunzehnte Jahrhundert ist aus die großen Vorbilder zurückgegan¬ gen, und die Malerei in frischem Kalk, wie sie heute wieder geübt wird, nennt Peter v. Cornelius ihren Vater. Dieser malte, gemeinschaftlich mit Veit, Scha- dow und Overbeck, die ersten Fresken der neuern Zeit, eine Reihenfolge aus der Geschichte Josephs in Aegypten für die Wohnung des Preußischen General- consuls Barthvldi aus Trinita de Monti zu Rom; bald daraus in der Villa Massimi Darstellungen ans Italienischen Dichtern, wobei Cornelius den Dante illustrirte. Seine Kunst hat sich für immer den Charakter bewahrt, welchen be¬ reits diese ersten Werke an sich trugen: poetisch romantisches Ergreifen des Ge¬ genstandes mit einer Hinneigung zu katholischem Jdealisiren, große Auffassung in typischen Formen und Einfachheit der Ausführung. Im Jahre 1819 wurde er als Director der Akademie nach Düsseldorf, 1824 nach München berufen. In letzterer Stadt verlebte er seine Glanzzeit, In der Glyptothek und in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/227>, abgerufen am 29.04.2024.